In der aktuellen Podcastfolge tauchen wir tief in das Thema „New Work in der Hotellerie“ ein und haben eine äußerst kompetente Expertin zu Gast: Carmen Dücker. Seit Juli 2018 ist Carmen Geschäftsführerin der BWH Central Europe GmbH. Zu dem in Eschborn bei Frankfurt ansässigen Markenimperium gehören rund 300 individuelle Hotels der Best Western Hotel und Resorts Gruppe sowie der World Hotels. Carmen blickt auf eine eindrucksvolle Karriere zurück, die sie bereits seit über 25 Jahren bei Best Western verbracht hat. In dieser Zeit hat sie sich intensiv mit Mitarbeiterführung, Motivation und insbesondere mit den neuesten Entwicklungen im Bereich New Work auseinandergesetzt.
Im Interview gewährt uns Carmen nicht nur einen spannenden Einblick in ihre langjährige Erfahrung, sondern teilt auch wertvolle Erkenntnisse darüber, wie der Arbeitsplatz im Tourismussektor attraktiver und zukunftsfähiger gestaltet werden kann. Sie spricht über die Herausforderungen des Fachkräftemangels, die Auswirkungen von New Work in der Hotellerie und wie innovative Ansätze die Branche voranbringen können.
Kernaussagen des Interviews
- Der Fachkräftemangel ist ein drängendes Problem in der Hotellerie, und die Branche sucht nach Lösungen, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden.
- Die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind auch für Gäste direkt spürbar, da Hotels aufgrund von Personalmangel mitunter ihre Services einschränken müssen.
- New Work und flexible Arbeitszeitmodelle spielen eine wichtige Rolle bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung in der Hotellerie.
- Die Hotellerie hat ein Imageproblem, das durch Kommunikationsprobleme und veraltete Strukturen in der Branche verursacht wird.
- Die Hotellerie hat die Möglichkeit, flexible Arbeitsmodelle anzubieten, die sich besonders für Eltern und ältere Mitarbeiter eignen.
- Employer Branding, Transparenz, Weiterbildung und die Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse sind Schlüsselkomponenten, um die Attraktivität der Branche zu steigern und Mitarbeiter zu gewinnen.
New Work im Tourismus
„New Work“ ist ein Begriff, der sich auf neue Arbeitskonzepte und -praktiken bezieht, die in den letzten Jahren in vielen Branchen, einschließlich des Tourismus, immer populärer geworden sind. Diese Konzepte sind eine Reaktion auf die sich verändernde Arbeitswelt, die durch Technologie, Globalisierung und sich ändernde Erwartungen der Arbeitskräfte geprägt ist. Im Tourismussektor manifestiert sich „New Work“ auf verschiedene Weisen:
- Flexibilität: Arbeitnehmer haben mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und -orte. Dies kann bedeuten, dass Mitarbeiter im Tourismus (je nach Position und Einsatzgebiet) remote arbeiten können oder flexible Arbeitszeiten haben, um besser auf die saisonalen Schwankungen der Branche reagieren zu können.
- Kollaboration und Vernetzung: „New Work“ fördert die Zusammenarbeit und den Austausch von Ideen. Im Tourismussektor kann dies bedeuten, dass Teams aus verschiedenen Disziplinen enger zusammenarbeiten, um innovative Lösungen für Herausforderungen zu finden.
- Arbeitsplatzgestaltung: Es geht darum, Arbeitsumgebungen so zu gestalten, dass sie die Produktivität, Kreativität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördern. Im Tourismus können dies offene Büros, flexible Arbeitsbereiche oder sogar Coworking-Spaces sein.
- Selbstbestimmung und Eigenverantwortung: „New Work“ ermutigt Mitarbeiter dazu, mehr Eigenverantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen und selbstbestimmter zu handeln. Im Hotel können Mitarbeiter beispielsweise mehr Entscheidungsfreiheit bei der Behandlung von Beschwerden oder der Organisation von Sonderwünschen haben.
- Weiterbildung und persönliche Entwicklung: Unternehmen im Tourismussektor, die „New Work“ umsetzen, legen oft großen Wert auf die Weiterbildung und die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter, um mit den sich ständig ändernden Anforderungen der Branche Schritt zu halten.
- Work-Life-Balance: Eine bessere Balance zwischen Arbeit und Privatleben wird angestrebt, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern. Im Tourismus, wo oft unregelmäßige Arbeitszeiten und Saisonarbeit vorkommen, ist dies besonders wichtig.
In der Hotellerie kann „New Work“ dazu beitragen, die Branche attraktiver für Fachkräfte zu machen.
Transkript der Podcast-Folge
Marco: Hallo Carmen und herzlich willkommen bei Smart Hotel Key. Vielen Dank, dass du dir Zeit für unser heutiges Gespräch nimmst. Ich habe im Intro schon erzählt, wer du bist und worüber wir sprechen werden. Sei doch so nett und stell dich unseren Hörerinnen und Hörern selbst noch einmal vor. Wer bist du, und was machst du? #00:01:35-5#
Carmen: Das mache ich gerne. Herzlichen Dank für die Einladung. Ich freue mich darauf, über New Work und über die Herausforderungen am Arbeitsmarkt mit dir zu sprechen. Mein Name ist Carmen Dücker. Ich bin eine der beiden Geschäftsführer der BWH Hotels Central Europe GmbH, bekannt unter dem Markennamen der Best Western Hotels und Resorts. Vor einigen Jahren kamen die World Hotels hinzu, und mit den Sure Hotels wurde eine weitere Marke entwickelt. Damit haben wir einen neutralen Dachverband aufgebaut, aber bekannt geworden sind wir durch die Best Western Hotels, die natürlich weiterhin in die BWH Hotels integriert sind. #00:02:24-0#
Als Geschäftsführerin bin ich verantwortlich für die Bereiche Sales und Marketing, Revenue Management und IT. Für die Service-Zentrale der BWH Hotels Central Europe sind knapp 100 Mitarbeiter tätig. Eine Besonderheit ist, dass wir zwei Kundenrichtungen abdecken. Das sind einerseits die Hotels, die sich uns angeschlossen haben, und andererseits der Markt, also die Kunden und Gäste. Für unsere Mitarbeiter ist es eine große Herausforderung, sich zwischen diesen beiden Stühlen zu bewegen. Wie für viele andere Branchen ist auch für uns der Fachkräftemangel sehr akut, mit dem wir uns sehr intensiv beschäftigen. Wir legen Wert darauf, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, und dabei spielt New Work mit den dahinterstehenden Mechanismen und Philosophien eine wichtige Rolle. Das ist der Grund, warum du mich heute eingeladen hast, und über diese Themen werden wir gleich sprechen. #00:03:22-7#
Marco: Absolut. Vielen Dank für deine Einführung. Du hast erwähnt, dass die beiden Kundenrichtung Hotels und der Dienstleistungsbereich wie zwei Welten aufeinanderprallen. Ihr habt 230 Hotels unter einem Dach, und da bekommt man sehr schnell mit, wenn sich Trends und Entwicklungen aufs operative Geschäft auswirken. Mitarbeiterbindung und New Work, das ist nicht nur für euch selbst ein Thema, sondern auch für eure Mitgliedsbetriebe. Wie siehst du allgemein die Entwicklung? Gibt es noch genug Arbeitskräfte auf dem Markt? #00:04:01-1#
Carmen: Neben den allgemeinen Kostensteigerungen, mit denen wir alle kämpfen, ist der Fachkräftemangel das Thema schlechthin. Heutzutage sprechen wir sogar von einem generellen Arbeitskräftemangel. Mitarbeiter mit der idealen Ausbildung für den ausgeschriebenen Job zu finden, das ist eine riesige Herausforderung. In der Servicezentrale tun wir uns ein bisschen leichter, weil wir dem klassischen Arbeitszeitmodell mit freien Wochenenden entsprechen. Die Hotellerie muss ihren Gästen 7 Tage 24 Stunden zur Verfügung stehen, und diese Arbeitszeiten stellen einen Anspruch dar an Menschen in den unterschiedlichen Lebenssituationen. Es ist nicht so, dass wir niemanden mehr finden, so dramatisch ist die Lage nicht, aber die Herausforderung wächst, und sie ist eine der Brennpunktthemen überhaupt. #00:05:11-7#
Marco: Wir bei Prodinger begleiten knapp 500 Hotelbetriebe im Bereich Steuer- und Wirtschaftsberatung. Es gibt keinen einzigen Betrieb, der nicht darüber klagt, keine Mitarbeiter zu finden. Das Thema scheint jeden zu betreffen. Du hast den allgemeinen Arbeitskräftemangel angesprochen. Liegen euch Zahlen der einzelnen Betriebe darüber vor, wie sich der Mitarbeitersektor vor und nach Corona entwickelt hat, also von 2019 bis heute? #00:05:48-4#
Carmen: Exakte Zahlen liegen mir nicht vor, da wir diese nicht zentral erfassen. Die BWH Hotels sind eigenständige, wirtschaftlich unabhängige Betriebe, und wir dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen keinen Einblick in zentrale Details erhalten. Natürlich ist das Problem seit Corona gravierender geworden. Dafür gibt es einige Indizien. Das Geschäft und die Umsätze sind erfreulicherweise in nahezu allen Segmenten zurückgekehrt. Es hat sich teilweise etwas verschoben, aber die Nachfrage ist durchaus vorhanden. Jedoch trägt der Personalmangel dazu bei, dass die Häuser ihre Services nicht mehr voll anbieten und das Geschäft nicht mehr komplett abwickeln können. Wir haben Hotels, die nur sechs anstatt ihrer zehn Tagungsräume anbieten, weil Mitarbeiter fehlen. Es gibt Härtefälle, bei denen ganze Etagen mit Zimmern geschlossen werden, das heißt, die Verfügbarkeit wird limitiert, weil die Zimmer nicht gereinigt werden können. Das Thema schlägt sich bis auf die Dienstleister der Hotels durch. Weil die Wäschereien selbst nicht mehr ausreichend Leute haben, kann der regelmäßige Wäschewechsel für die Zimmer nicht mehr garantiert werden. Solche Herausforderungen gab es vor Corona nicht. Diesen Engpass erleben wir selbst alle auch im privaten Bereich. Das Lieblingsrestaurant, das früher montags geschlossen hatte, schließt jetzt zweimal oder sogar dreimal in der Woche. Oder dort, wo man mittags und abends essen konnte, wird nur noch abends Service angeboten. Diese Probleme spiegeln sich auch in der Hotellerie wider, und das sind klare Indizien für eine verschärfte Situation, die jetzt akut geworden ist. #00:07:47-5#
Marco: Eure Betriebe der BWH Hotels Central Europe sind in zehn unterschiedlichen Ländern tätig. Siehst du dort überall die gleiche Entwicklung, oder gibt es spezifische Unterschiede? #00:07:57-6#
Carmen: Die Mitarbeitergewinnung ist ein globales Problem, auch wenn es kleine Abweichungen gibt. Zum Beispiel ist Asien weniger davon betroffen. In unserem Unternehmen leiden nicht nur wir in Europa, sondern auch die Kollegen in Nordamerika unter dem Fachkräftemangel. #00:08:42-8#
Marco: Du hast erwähnt, dass eure Zentrale aufgrund der Bürojobs logischerweise flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten kann als die Hotelbetriebe. Wie stellt sich der Bereich New Work für die Best Western Gruppe dar? Sind Teilzeitmodelle zukunftsträchtig? Wenn ich einen Arbeitsplatz auf zwei Arbeitskräfte aufteilen muss, weil sie nur 50 Prozent arbeiten wollen, dann brauche ich insgesamt mehr Manpower. Das kann sich irgendwann nicht mehr ausgehen. #00:09:25-5#
Carmen: Absolut. New Work ist ein weiter Begriff, über dessen Definition ich eine halbe Stunde vortragen könnte. Es geht dabei um mehr als um Arbeitszeit und Arbeitsplatzmodelle. Die Hotellerie hat einiges aufzuholen, was die Art zu arbeiten betrifft. Wir müssen Hierarchien und Traditionen hinterfragen und Mitarbeitenden in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Das ist ein sehr großes Thema. Du hast die Teilzeit angesprochen. Ich habe Anfang des Jahres an einer Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Fratzscher teilgenommen, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Er sieht für unsere Branche eine große Zielgruppe, die heute noch völlig unbeachtet ist, nämlich die der Eltern. Welche Branche ist für Eltern besser geeignet als die Hotellerie, die sehr flexible Arbeitszeiten anbieten kann? Ich kann Prof. Fratzscher nur zustimmen. Wenn ein Elternteil vom Bürojob nach Hause kommt, kann der oder die andere noch vier Stunden arbeiten gehen. Das Kind schläft dann bereits, und die Hotellerie hat auch abends Bedarf an Arbeitskräften. Das Gleiche gilt für den Frühstücksservice, wenn die Kinder am Morgen in der Schule sind. #00:11:14-1#
Im Vergleich zu anderen Branchen bietet die Hotellerie sehr gute Bedingungen für flexible Arbeitsmodelle. Natürlich sind diese Stellen mit mehr Aufwand für den Arbeitgeber verbunden. Sie verursachen zusätzliche Arbeit und auch Kosten, wenn sich zwei Personen eine Stelle teilen. An diese Herausforderungen müssen wir kreativ herangehen. Anstatt eine ganze Stelle zu splitten, könnte man überlegen, zwei Personen für jeweils den Frühstücks- und den Barservice einzuteilen, so dass sich die Stelleninhaber nicht absprechen müssen aber trotzdem Teilzeit arbeiten können. Die neuen Arbeitszeitmodelle bieten eine gute Grundlage für kreative Veränderungen. Das ist ein Vorteil unserer Branche. #00:12:22-9#
Marco: Im österreichischen Tourismus haben wir das Phänomen, dass wir einerseits Höchstbeschäftigung und anderseits so viele offene Stellen wie noch nie zu verzeichnen haben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bereits flexible Arbeitsmodelle gelebt werden. Ich vermute, dass die Situation in Deutschland ähnlich ist. #00:12:56-5#
Carmen: Das ist richtig, und das müssen wir der Hotellerie zugutehalten. Wir sind eine Branche, die sehr flexibel reagieren kann. Wir sind es gewohnt, uns den Wünschen der Gäste anzupassen. Das macht uns zu Trendsettern, denn die Anforderungen der Gäste haben sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch gewandelt. Ich bin zuversichtlich, dass uns das auch in Zukunft weiter gelingen wird, denn die Anpassungsfähigkeit ist ein großer Vorteil unseres Wirtschaftszweigs. #00:13:36-0#
Marco: Du hast gesagt, dass es nicht nur um Arbeitszeitmodelle, sondern um die Modernisierung von Traditionen geht, Stichwort Hierarchien. Mitarbeiter wollen in Entscheidungen einbezogen werden und sich selbst verwirklichen. Wir sprechen oft von einer Sinngesellschaft und von einem Paradigmenwechsel. Alles, was wir machen, soll etwas Positives bewirken. Die Mitarbeiter wollen nicht einfach nur Weisungen ausführen, ohne zu verstehen, was dahintersteckt. Jeder sucht Sinn in seinem Tun, nicht nur bei der Arbeit, aber insbesondere auch dort. Haben wir in der Hotellerie ein Imageproblem? Wer genauer hinschaut, der erkennt, dass man gerade im Tourismus so viel und so frei arbeiten kann wie in kaum einer anderen Branche. Es gibt viele unterschiedliche Bereiche, und auch das Reisen ermöglicht interessante Erfahrungen. Warum wird unsere Branche trotzdem als unattraktiv wahrgenommen? #00:14:38-6#
Carmen: Ich denke, dass es Kommunikationsprobleme gibt, aber auch, dass unsere Branche noch in alten Strukturen feststeckt. In einem vierköpfigen Rezeptionsteam können vier verschiedene Hierarchiestufen stecken, nämlich ein Azubi, ein Empfangsmitarbeiter, der Stellvertretenden Empfangschef und der Empfangschef. Diese Hierarchie ist nicht unüblich in einem Hotel, aber sie wirkt für junge Mitarbeiter, die in den Beruf einsteigen, völlig angestaubt und schräg. Sie macht uns unflexibel. Ein weiteres Beispiel ist der klassische Zahlkellner im Restaurant. Drei Angestellte wuseln um einen Tisch herum, aber zum Schluss kommt der Zahlkellner, der die Abrechnung macht und das Trinkgeld kassiert. Derjenige, der am Tisch bedient hat, muss darauf hoffen, dass es ein gutes System im Hintergrund gibt, durch das er oder sie etwas abbekommt. #00:15:50-1#
Es gibt viele Traditionen und Gewohnheiten von gestern, die heute noch gelebt werden. Das gilt auch für das Bild des klassischen Hoteldirektors, der natürlich männlich ist. Die Hotellerie hat noch viel aufzuholen, was die Besetzung von Frauen in Führungspositionen angeht. Der klassische Hoteldirektor, der Weisungen erteilt, entspricht nicht mehr dem heutigen Berufsbild. Junge Menschen suchen einen Motivator, einen Coach, der Teil des Teams ist und mit dem man gemeinsam neue Ideen entwickelt. #00:16:41-5#
Diese Entwicklungen bieten uns im Tourismus große Chancen, uns selbst positiv zu verändern. Es ist nicht schwierig, Mitarbeiter in Entscheidungen einzubeziehen, zum Beispiel bei kleinen Dingen wie der jahreszeitlichen Dekoration des Hauses. Das gesamte Team kann an der Konzeption eines neuen Restaurants beteiligt werden, zum Beispiel in Form eines Barcamps oder durch andere moderne Meeting-Formate. Das heißt nicht, dass jeder Mitarbeiter bis ins kleinste Detail alles entscheidet, denn natürlich muss eine Führungskraft die wirtschaftliche Verantwortung tragen. Aber der Rahmen des New Work bietet uns viele Möglichkeiten. Du hast erwähnt, dass Arbeit sinnstiftend sein soll, Marco. Es motiviert die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie ihre Ideen einbringen können, und sie gehen mit Engagement an die gestellten Aufgaben heran. In der Hotellerie benötigen wir Menschen, die Gastfreundschaft ausstrahlen. Was gibt es Schöneres, als anderen Menschen einen wunderbaren Urlaub zu bereiten? Man erhält direkt ein positives Feedback von den Gästen, und das ist ganz sicher eine sinnstiftende Aufgabe. #00:18:15-5#
Diese Vorteile sollten wir laut nach außen tragen. Wir müssen kommunizieren, dass es schön und erfüllend ist, anderen Menschen eine Freude zu bereiten und seine Ideen einzubringen. Im Tourismus stehen den Mitarbeitenden Jobangebote in der ganzen Welt offen. In kaum einer anderen Branche ist es so leicht, international zu arbeiten. Diesen Vorteil müssen wir wieder in den Fokus rücken. Das schlechte Image beruht auch auf den vielen Diskussion über den Mindestlohn, was in Deutschland vor allem während Corona der Fall war. Wenn ein junger Mensch hört, dass der Mindestlohn das größte Thema in der Branche ist, dann schreckt das ab. Tatsächlich liegt der Großteil der Jobs in der Hotellerie schon seit Langem weit über dem Mindestlohn. Ich glaube, dass wir die positiven Seiten unserer Branche, die Kreativität und Internationalität, die Lebensfreude und den Umgang mit interessanten Menschen in den Mittelpunkt stellen müssen. Dann wird es wieder leichter, Mitarbeitende zu finden. #00:19:46-4#
Marco: Es gibt bereits viele Initiativen in diese Richtung, das Problem ist jedoch, dass wir die Jungen damit bisher nicht erreichen konnten. Das wird auch am fehlenden Nachwuchs in den Tourismusschulen und an den nicht besetzten Lehrstellen deutlich. Es gibt immer weniger junge Menschen, die sich für einen Beruf im Tourismus interessieren. Wenn wir nicht schleunigst damit beginnen, die Attraktivität des Berufs und sein positives Image aufzupolieren, dann werden wir in einigen Jahrzehnten noch größeren Problemen gegenüberstehen, weil der Nachwuchs fehlt. #00:20:30-1#
Carmen: Wir müssen lernen, uns dort zu positionieren, wo die jungen Leute sind. Stellenanzeigen in der Zeitung gehören sicher nicht dazu. Du hast die Berufsschulen angesprochen. In unserer BWH Hotelgruppe haben wir eine neue Dienstleistung entwickelt, die seit anderthalb Jahren implementiert ist. Wir unterstützen unsere Hotels aktiv bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. Zum Beispiel treten wir bei Veranstaltungen wie etwa bei Informationstagen der Berufsschulen als Repräsentanten unserer Marke auf. Darüber hinaus entwickeln wir Konzepte für die Suche auf Social Media und erklären, wie man attraktive Kurzvideos auf TikTok erstellt. Es ist nicht nötig, dass sich alle Hotels unserer Gruppe einzeln damit beschäftigen, denn wir haben ein einheitliches Konzept entwickelt. Dabei arbeiten wir auch mit externen Partnern zusammen. Wir sind als Marke für unsere Hotels präsent und bieten ein einheitliches Employer Branding. So vermitteln wir, was uns besonders macht und warum unsere Arbeitsplätze attraktiv sind. Das ist eine große Aufgabe. #00:22:14-3#
Wenn die Umsatzbeschaffung durch Sales und Marketing irgendwann darin mündet, dass die Hotels nicht mehr genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, um das Geschäft zu bedienen, dann ist es die Aufgabe unserer Hotelgesellschaft, zu unterstützen. Daher wird diese neue Dienstleistung dankend angenommen. Und auch wir in der Zentrale profitieren davon und lernen jeden Tag hinzu. Es ist wichtig, dass man zum Bewerber geht und die jungen Leute dort erreicht, wo sie unterwegs sind. #00:22:50-1#
Marco: Das beantwortet auch meine Frage, was Best Western für seine Mitgliedsbetriebe macht. Du hast ein Buzzword angesprochen, das in der Praxis oft missverstanden wird, nämlich das Employer Branding. Es geht nicht darum, Marketingbotschaften auszusenden, um die Ansprache attraktiv zu gestalten, sondern es soll transportiert werden, wie Arbeitsbedingungen, Mindset und die Zusammenarbeit im Betrieb funktionieren. Gibt es bei Best Western gemeinsame Standards? Ihr unterstützt eure Betriebe zwar bei der Mitarbeitergewinnung, aber wie stellt ihr sicher, dass Versprechen eingehalten und in den Betrieben gelebt werden? #00:23:34-7#
Carmen: Es gibt keine Standards, die wir zwingend vorgeben, aber es gibt viele Tools und Best Practice Beispiele, die wir den Hotels zur Verfügung stellen und von denen sehr viele angenommen werden. Das sind beispielsweise alternative Meeting-Formate, um das Team in Entscheidungsprozesse einzubinden. Auch die Benefits sind wichtig. Wir haben ein neues Reiseprogramm gelauncht, das Mitarbeitenden der Best Western Hotels und der Zentrale vergünstigte Reisen innerhalb der Hotelgruppe ermöglicht. Es gab ein sehr altes und angestaubtes Programm, das wir erneuert haben. Dieser Standard ist für alle Häuser verpflichtend, und sie müssen ein Minimum-Kontingent für die Personal-Buchungen vorhalten. Ein Hotel kann nicht sagen, es macht mit, stellt aber keine Zimmer zur Verfügung. Aber auch viele andere Benefits werden angeboten wie beispielsweise das E-Bike, das man günstig leasen kann. Mittlerweile gibt es einen riesigen Strauß an Vergünstigungen, den wir zentral erarbeitet haben und den Hotels zur Verfügung stellen. Jedes Hotel kann sich herauspicken, was zu seinen Mitarbeitern oder zu seiner Region passt. Diese Angebote gehen in die Richtung von dem, was modernes Führen ausmacht und was der jungen Generation wichtig ist. #00:25:12-8#
Bei unserer diesjährigen Tagung der Hoteliers hatten wir eine Professorin zu Gast, die uns die GenZ, die jetzt in den Arbeitsmarkt strebende Generation, vorgestellt hat. Einige Informationen waren auch mir neu, und ein Satz ist besonders hängengeblieben: GenZ liest keine E-Mails! Mit ihnen muss man anders kommunizieren. Die Hotels werden sich weiterentwickeln, und je mehr junge Leute sie im Team haben, desto einfacher wird es. Sie sagen einem sehr schnell, was ihnen gefällt und was nicht. #00:25:54-8#
Zwei weitere Themen, die uns am Herzen liegen, sind Transparenz und Weiterbildung. Wir wollen die Mitarbeiter an den Unternehmenserfolgen, an Zahlen und Ergebnissen teilhaben lassen. Weiterbildung soll dann möglich werden, wenn die Kolleginnen und Kollegen Zeit und Lust darauf haben. Dafür stellen wir flexible Tools zur Verfügung. Wir haben eine Online-University, die wir mit Mitschnitten von Webinaren und Seminaren befüllen. Aber auch reine Tutorials sind dort verfügbar. Das sind Beispiele dafür, wie eine Veränderung in den Köpfen stattfinden kann. Diese Möglichkeiten werden von den Hotels gerne genutzt, denn sie werden den Arbeitsweisen im Alltag mit seinen Anforderungen und Veränderungen gerecht. #00:27:07-5#
Marco: Das sind Initiativen für ein gutes Miteinander, und darauf kommt es am Ende des Tages an. Der Best Western Gruppe sind eine Vielzahl von Hotels angeschlossen. Gibt es für die Mitarbeitenden auch die Möglichkeit von Job Rotation innerhalb der Betriebe? #00:27:27-4#
Carmen: Jein! Wir bauen gerade international eine Art Jobvermittlungsbörse auf. Aufgrund der wirtschaftlich unabhängigen Struktur inklusive des Datenschutzes ist das etwas komplizierter als bei einem klassischen Konzern. Das heißt aber nicht, dass es unmöglich ist. Wir möchten den internen Wechsel fördern und bauen gerade eine Stellenbörse auf. Kontakte und Kommunikationswege werden zur Verfügung gestellt, und wir arbeiten mit unseren Kollegen in den europäischen Länderzentralen der anderen BWH-Länder zusammen, um die Prozesse zu vereinfachen. Das Projekt ist bereits angestoßen und wird ausgebaut. #00:28:24-9#
Marco: Das wird sich auch zu einem großen Pluspunkt entwickeln, den man gut verkaufen kann. #00:28:31-9#
Carmen: Je leichter man es macht, Kontakt aufzunehmen, indem man zum Beispiel feste Ansprechpartner zur Verfügung stellt, egal, in welche Richtung sich jemand entwickeln möchte, desto attraktiver ist man in diesem Bereich. #00:28:44-6#
Marco: Wir haben über die jungen Menschen gesprochen, für die wir attraktiv sein müssen. Gerne möchte ich noch auf die andere Seite schauen, nämlich auf die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einerseits mangelt es uns an Personal, aber andererseits kommt es mir so vor, als würden wir nur ungern Ältere einstellen. Wenn ich noch fünf Jahre bis zur Pension habe, dann ist es schwer, in der Hotellerie noch einen Arbeitsplatz zu finden. Wie können wir in diese Richtung aktiv werden? #00:29:18-5#
Carmen: Ich glaube, dass es auch in diesem Bereich gute Möglichkeiten gibt. Natürlich sind viele Arbeitsplätze in der Hotellerie körperlich herausfordernd und damit für ältere Mitarbeiter nur bedingt geeignet. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Häufig ist bei älteren Personen eine Hürde vorhanden, wenn es darum geht, neue Computersysteme zu erlernen, zum Beispiel beim Check-in und Check-out. Hier ist die Digitalisierung gefragt. Standardprozesse sollten automatisiert werden. Eine Stelle am Empfang wäre ideal für jemanden, der am Standort aufgewachsen ist. Er oder sie könnte alle Fragen beantworten und Insider-Tipps geben, zum Beispiel, was Restaurants oder kulturelle Veranstaltungen betrifft. Ich will nicht den alten Concierge-Service wiederaufleben lassen, aber die Gastgeberrolle einzunehmen, das wäre ein wunderbarer Job gerade für ältere Menschen. Bei den jungen Hotelkonzepten sehen wir bereits, dass Welcome Manager im Front Office Bereich gerne gesehen sind. Abends an setzen sie sich aktiv zu den Gästen an die Bar, und zwar besonders dort, wo Geschäftsreisende nächtigen. Das hat keinen anrüchigen Touch, sondern bietet dem Gast Hilfe bei weitergehenden Fragen an. Dafür muss man nicht mehr 23 Jahre alt sein, sondern ganz im Gegenteil zählt hier Erfahrung und Wissen. #00:31:27-3#
Auch hinsichtlich der Teilzeit gibt es in der Hotellerie viele attraktive Möglichkeiten. Hier bietet sich besonders der Frühstücksservice an, ein zeitlich abgeschlossener Bereich, der sich gut mit einer flexiblen Tätigkeit vereinbaren lässt. Allerdings sehe ich in diesem Bereich eher einen geringen Bedarf, weil in vielen Betrieben das alte Stammpersonal gehalten wurde, auch über Corona hinweg. Die größere Herausforderung besteht darin, den Nachwuchs zu finden und auszubilden und die Branche für die Zukunft attraktiv zu machen. #00:32:04-6#
Marco: Attraktiv für die Zukunft werden wir vor allem, wenn wir die Digitalisierung nutzen. Prozesse, die ich nicht manuell ausführen muss, weil sie automatisiert sind, schaffen Freiraum für persönliche Kontakte, für die Ansprache und den Austausch mit den Gästen. #00:32:27-0#
Carmen: Das ist es, was unsere Arbeit so schön macht. #00:32:31-7#
Marco: Liebe Carmen, wir sind am Ende des Interviews angelangt. Wir haben viele Schlagworte genannt, aber jetzt geht es darum, die ganzen Ideen in den Betrieben umzusetzen und zu implementieren. Hast du noch einige Tipps, die als Mutmacher dienen können? #00:32:59-2#
Carmen: Ich sage anderen nicht gerne, was sie besser oder anders machen sollen, aber ich möchte sie ermutigen und meine Erfahrungen weitergeben. Mut tut gut. Je mehr die Mitarbeiter beteiligt werden, sich einbringen können und angenommen werden, desto größer ist ihre Motivation. Ein gutes Beispiel sind unsere jährlich stattfinden Planungscamps, die in Form eines Barcamps organisiert werden. Es gibt keine Agenda, und niemand gibt von oben Ziele vor. Es gibt lediglich Rahmenbedingungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen ihre Themen ein und legen fest, was auf die Agenda kommt. Und plötzlich lernt man die Kollegen aus einem neuen Blickwinkel kennen. Introvertierte Mitarbeiter übernehmen auf einmal die Leitung einer Diskussion oder eines Workshops, weil sie eine Idee präsentieren wollen. Ich möchte dazu ermutigen, Neues auszuprobieren, loszulassen und Verantwortung in die Hände der Mitarbeitenden abzugeben. Wenn man diesen Weg geht, erhält man sehr viel zurück, und man erkennt neue Fähigkeiten und Stärken. Mein Tipp zum Schluss lautet, Aufgaben nach den Stärken des Teams zu verteilen anstatt nach Hierarchien. Das bringt mich zurück zum vierköpfigen Empfangsteam. Der eine ist besser im Umgang mit dem Computersystem, der andere tut sich leichter beim Smalltalk mit den Gästen. Diese Methode ist viel erfolgreicher als der Versuch, die Arbeit nach der Positionsbezeichnung vorzugeben. Mit diesem Prinzip habe ich gute Erfahrungen gemacht und bin bisher nicht enttäuscht worden. Seid mutig, lasst los und habt Vertrauen in die Fähigkeiten eurer Kolleginnen und Kollegen.
Marco: Mut tut gut, das ist ein positiver Ausblick in die Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch, Carmen. #00:35:22-8#
Über Carmen Dücker
Carmen Dücker ist seit Juli 2018 Geschäftsführerin im dualen Führungsduo der heutigen BWH Hotel Group Central Europe GmbH mit Sitz in Eschborn, zu der insgesamt rund 300 individuelle Hotels der Best Western Hotels & Resorts sowie der WorldHotels Collection in den Ländern Deutschland, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Slowakei, Slowenien, Schweiz, Tschechien und Ungarn gehören.
Carmen Dücker startete ihren Erfolgsweg bei Best Western bereits vor über 25 Jahren und führte in ihrer Karriere mehrere Abteilungen des Unternehmens, unter anderem leitete sie das Kundenbindungsprogramm Best Western Rewards, sowie das Marketing und E-Business der Hotelgruppe. Im Jahr 2012 wurde Carmen Dücker dann zur Stellvertretenden Geschäftsführerin der damaligen Best Western Hotels Central Europe GmbH ernannt.
In ihrer heutigen Rolle als Geschäftsführerin verantwortet Carmen Dücker alle Vermarktungsthemen der BWH Hotel Group Central Europe und führt die kunden- und marktrelevanten Abteilungen wie Marketing, Sales, Distribution & Revenue Management sowie Reservierungs- und Webtechnologie. Zu ihren weiteren Schwerpunkten und Fachbereichen sowohl im eigenen Unternehmen als auch in der gesamten nationalen und internationalen Hotellerie gehören Themen wie Digitalisierung, Change Management, Kommunikation und Mitarbeiterführung und Mitarbeitermotivation auch in New Work Modellen.
Hier geht’s zur Karriere-Seite von Best Western
Duecker ist eine hochkarätige Referentin auf Branchenveranstaltungen und Fachkonferenzen in der Hotellerie und wurde mit einer Reihe von Auszeichnungen geehrt, darunter dem HSMAI European Award. Sie ist Vorsitzende des Amadeus Hotel Industry Forum Deutschland und Mitglied des TIC (Travel Industry Clubs) sowie diverser Think Tanks, die sich mit der Zukunft von Mobilität, Digitalisierung und Customer Centricity beschäftigen.
Weiterführende Informationen zu New Work
Im Smarthotelkey-Podcast sind in der Vergangenheit bereits einige Folgen rund um die Themen Mitarbeitermanagement und Employer Branding erschienen:
- SHK 009: Der Hotel-CEO der Zukunft
- SHK 011: Mitarbeitereffizienz durch Digitalisierung
- SHK 012: Bedeutung von Leadership im Tourismus
- SHK 016: Mitarbeiterstrategie
- SHK 017: Mitarbeiter-(Krisen-)Management
- SHK 019: Bonifikationssystem für Mitarbeiter
- SHK 055: Employer Branding in der Hotellerie
- SHK 086: Arbeitszeitmodelle im Tourismus
- SHK 130: Personal Branding in der Hotellerie