Bedeutung von Leadership im Tourismus

In den vergangenen Beiträgen wurde über Mitarbeitereffizienz gesprochen und über die Anforderungen, die momentan und auch in der Zeit nach Corona an Führungskräfte gestellt werden. Worauf kommt es an und wie haben sich die Führungsstrategien verändert? Welche Kompetenzbereiche benötige ich als erfolgreicher Hotel CEO der Zukunft? Und welche Rolle spielt ein effektives, gutes und produktives Selbstmanagement, wenn ich als Führungskraft erfolgreich werden will?

Um das Thema Leadership zu vertiefen, wurde die Expertin Marie Therese Heep als Interviewpartnerin eingeladen. Marie Therese Heep hat Hotellerie von der Pike auf gelernt und beschäftgt sich schon sehr lange mit den positiven Auswirkungen von erfolgreichem Leaderships. Sie war international in verschiedenen Managementpositionen tätig und unterstützt heute Führungskräfte aus der Hotellerie und Gastronomie bei ihrer persönlichen Entwicklung. Marie Therese Heep möchte Leichtigkeit in den Arbeitsalltag, Spaß ins Team und Herzlichkeit an den Gast bringen. Dieses Credo umzusetzen, ist in der heutigen Zeit nicht einfach.

Im Interview werden unter anderem folgende Themen behandelt:

  • Leadership als eigenständige Fähigkeit
  • Es gibt keine perfekte Führungskraft, aber zwei Leitsätze:
    • Als Führungskraft kann man erst dann jemanden führen, wenn man sich selbst führen kann.
    • Als Führungskraft muss man zunächst einmal dienen.
  • Vertrauen in sich selbst als Führungskraft
  • Wir befinden uns in einer globalen Krise. Dennoch sollten wir uns bewusst machen, welche Krisen wir auch in der Vergangenheit schon überstanden haben.
  • Nichts wird mehr, wie es war – Nicht der Vergangenheit nachtrauern, sondern achtsam in die Zukunft schreiten.

Transkript dieser Podcast-Folge

Marco: Hallo Marie Therese, ich freue mich, dass du heute in meinem Podcast zu Gast bist. Im Intro habe ich schon einige Worte über dich und das heutige Thema gesagt, aber sei doch so lieb und stell dich kurz selbst vor. Wer bist du, was machst du, und was bedeutet Leadership für dich? #00:02:04-8#

Marie Therese: Grüß dich, Marco. Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, dass ich Gast in deinem Podcast sein darf. Wer bin ich, und was mache ich? Ich bin Mutter von zwei Kindern, Emilia und Nele, sowie Ehefrau und Schwester. Mit der Führung habe ich schon in meiner Kindheit begonnen, denn als Älteste von vier Geschwistern musste ich früh Verantwortung übernehmen.   #00:03:04-0#

Marco: Das glaube ich gerne.  #00:03:03-7#

Marie Therese: Ich komme ganz klassisch aus der Hotellerie und habe drei Jahre lang Hotelbetriebswirtschaft im dualen Studium studiert, und zwar in Ravensburg in Deutschland. Danach war ich dreizehn Jahre lang in der Welt unterwegs. Ich bin aber nicht nur gereist, sondern ich habe natürlich auch gearbeitet.  #00:03:40-4#

Marco: Du hast die Leidenschaft zu deinem Beruf gemacht.  #00:03:41-7#

Marie Therese: Den Beruf in der Hotellerie und Gastronomie habe ich mir tatsächlich wegen des Reisens ausgesucht.  #00:03:53-5#

Marco: Das ist oft ein Grund für den Einstieg in die Branche, aber manchmal wird man auch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Schön, dass du den Beruf nach deinen Vorstellungen leben konntest.  #00:04:03-3#

Marie Therese: Meine erste Reise nach dem Abitur führte mich nach Barcelona. Ich habe meinen Rucksack gepackt und bin zusammen mit einer Freundin losgefahren. Vor Ort haben wir uns zusammen eine Wohnung und einen Job gesucht. Mein erster Einsatz war als Zimmermädchen im Hotel Rivoli Ramblas, das es heute nicht mehr gibt. Damals konnte ich bereits spannende Erfahrungen sammeln. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mehr möchte. Ich hatte den Wunsch, auch die Mitarbeiter zu meinen Gästen zu machen. Daraufhin begann ich eine Coaching-Ausbildung, und jetzt bin ich als Trainerin zu den Themen Leadership und Service in der Hotellerie und Gastronomie tätig.  #00:05:17-2#

Marco: Du hast in Barcelona begonnen, als Zimmermädchen in der Hotellerie zu arbeiten. Später warst du im Ritz-Carlton in Barcelona und auch in Portugal tätig. Danach kam eine Anstellung im Kameha Grand Hotel in Bonn. Das sind hochwertige, sehr exklusive Hotels. Später bist du nach Salzburg umgezogen und hast in der Gastronomie gearbeitet, zum Beispiel für my Indigo und Soul Kitchen. Du hast Erfahrungen in unterschiedlichsten Bereichen und Positionen in der Hotellerie und Gastronomie gesammelt. Was macht deiner Meinung nach einen guten Leader aus? Hast du Best- und Worst-Practice-Beispiele aus deiner touristischen Erfahrung?  #00:06:04-9#

Marie Therese: Damals, als ich im operativen Geschäft tätig war, wusste ich noch nichts über das Leadership. Ich bin in diese Rolle einfach hineingefallen. Heute bedeutet Leadership für mich, dass ich erst jemanden führen kann, wenn ich in der Lage bin, mich selbst zu führen. Das ist die Basis, wenn ich als Führungskraft ein Vorbild sein will. Nehmen wir das Rauchen. Früher habe ich geraucht, aber heute nicht mehr. Wenn ich als Führungskraft möchte, dass während der Dienstzeit höchstens eine Zigarettenpause gemacht wird, dann kann ich nicht vier- oder fünfmal zum Rauchen rausgehen, selbst, wenn ich viel mehr Stunden arbeite als meine Mitarbeiter. Es ist nicht leicht, diese Vorbildfunktion zu übernehmen.  #00:07:52-6#

Marco: Die Vorbildfunktion muss man erlernen, und man kann sich erst in dieser Rolle wohlfühlen, wenn man in der Lage ist, sich selbst zu führen. #00:08:07-1#

Marie Therese: Ja, genauso ist es. Ein weiterer Punkt ist, dass ich als Führungskraft dienen muss. Dazu fällt mir ein Beispiel aus meiner Zeit in Bonn ein. Dort wird die „fünfte Jahreszeit“ gefeiert, der Karneval. Ich glaube, hier in Österreich gibt es den Karneval nur in Kärnten.  #00:08:50-3#

Marco: Villach und Klagenfurt sind unsere Faschingshochburgen.  #00:08:57-8#

Marie Therese: In der Zeit zwischen Gründonnerstag und Faschingsdienstag spielen die Menschen in Köln und Bonn verrückt. Ich war damals an der Bar eingesetzt, und wir hatten einen Kalender, in den man seine Wünsche für die freien Tage eintragen sollte. Und alle hatten sich in der Karnevalswoche Urlaub eingetragen. Das konnte ich damals überhaupt nicht verstehen.  #00:09:55-6#

Marco: Es wäre doch ein guter Anreiz gewesen, an diesen Tagen zu arbeiten, weil das Trinkgeld sicher sehr gut ausgefallen ist.  #00:10:01-1#

Marie Therese: Das war ganz und gar nicht so, denn die Feiern spielten sich auf der Straße ab und nicht in unserem Hotel. Doch wie regle ich als Führungskraft eine solche Situation, wenn jeder frei haben will? Die Frage muss im Vorfeld geklärt werden. Ich kann nicht jedem verbieten, frei zu nehmen, ich muss aber auch sicherstellen, dass die Bar besetzt ist. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass die Beziehung zwischen den Mitarbeitern und mir als Führungskraft stimmt. Dann kann ich das Problem ansprechen, und wir können gemeinsam nach einer Lösung suchen.  #00:11:00-8#

Marco: Das heißt, es haben sich noch Mitarbeiter gemeldet, die freiwillig Dienst gemacht haben.  #00:11:04-4#

Marie Therese: Freiwillig war es nicht, aber wir konnten einen guten Kompromiss finden. Dazu kam, dass das Kameha Grand Hotel die Hofburg des Karnevalsprinzen und seiner Prinzessin war. Beim Karneval gibt es immer ein Prinzenpaar, und die haben ein Hotel zu ihrer „Hofburg“ gekürt. Es war sehr lustig, den Karneval im Hotel mitzuerleben.   #00:11:50-2#

Marco: Das war eine kleine Entschädigung für diejenigen, die Dienst hatten.  #00:11:54-2#

Marie Therese: Ja, das war es auf jeden Fall. Wichtig sind demnach die Vorbildfunktion, die Beziehung zu den Mitarbeitern sowie das Dienen. Ich muss die Führungsaufgabe als eine Dienstleistung sehen. Dann sind die Mitarbeiter für mich da, wenn ich sie brauche.  #00:12:21-3#

Marco: Du sprichst etwas Gutes an, nämlich die richtige Einstellung einer Führungskraft. Ist jeder als Führungskraft geeignet? Gerade in der Hotellerie ist es oft so, dass derjenige, der länger da ist, öfter Vorgesetzter wird. Gerade an der Rezeption und an der Bar beobachte ich oft, dass die Dienstjahre ein hohes Kriterium für eine Rangerhöhung sind. Welche Kompetenzen braucht eine gute Führungskraft? Was ist deine Meinung dazu? #00:13:04-8#

Marie Therese: Was ist Fachwissen, und was ist die persönliche Entwicklung? Ich beobachte dieses Phänomen auch sehr oft. Je länger ich im Beruf bin, je mehr ich fachlich weiß, zum Beispiel über Weine, oder je mehr Erfahrung ich an der Rezeption habe, desto besser muss ich führen können. Ich glaube jedoch, dass man das Führen als eigenständige Fähigkeit sehen sollte, die man lernen muss. Leadership ist eine Kompetenz, die ich mir aneignen muss. Es würde sehr viel helfen, wenn dieses Denken einen höheren Stellenwert bekommen würde.  #00:14:07-5#

Vom Lehrling über den Demis de Rang, Chef de Rang und Stellvertretenden Restaurantleiter bis zum Restaurantleiter, man steigt die Leiter hoch und muss zwanzig Mitarbeiter führen, die alle unterschiedliche Charaktere sind. Wie gehe ich mit den verschiedenen Befindlichkeiten um? Oft fällt es nicht leicht, dem Druck standzuhalten, der durch Zeitvorgaben, persönliche Empfindungen und unterschiedliche Kulturen ausgelöst wird. Diese Fähigkeit zur Resilienz muss ich mir aneignen. Zu erkennen, was dazu nötig ist, das ist der erste Schritt in die richtige Richtung.  #00:15:20-8#

Marco: Als guter Team Leader nimmt das Fachwissen nicht mehr den größten Kompetenzbereich ein. Ich denke, es kommt darauf an, das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu kennen und sie entsprechend einzusetzen. Das ist effizienter, als selbst zu versuchen, sich alles anzueignen oder es vorleben zu wollen.  #00:15:57-9#

Marie Therese: Ja, das ist zu 100 Prozent richtig. Da fällt mir ein Beispiel ein. Was muss ein Bar Manager können? Soll er sich super mit den Cocktails hinter der Bar auskennen oder soll er sich, wie ein Restaurantleiter, mit Servicestandards auskennen? Natürlich ist es super, wenn er beides kann, aber meist kommt es beim Bar Manager nicht darauf an, dass er den Serviceablauf gut hinbekommt. Das ist mir schon oft aufgefallen. Ich war selbst Bar Managerin, und ich konnte natürlich Cocktails mixen, aber ich weiß, dass es bessere Cocktailmixer als mich gibt. Ich muss nicht alles selbst können, sondern ich soll meine Mitarbeiter fordern und fördern.  #00:17:23-9#

Marco: Einer Führungskraft fällt es oft schwer, Kompetenzen abzugeben, besonders, wenn der Mitarbeiter etwas besser kann als man selbst. Wie kann man dieses Denken ablegen?  #00:17:38-1#

Marie Therese: Das beginnt wieder mit der Selbstführung. Wenn ich in Balance bin und weiß, wo meine Stärken sind, dann kann ich besser mit den Bereichen umgehen, in denen ich selbst nicht stark bin.  #00:18:09-0#

Marco: Vor allem muss man es sich bewusst machen und nicht als Schwäche sehen.  #00:18:14-2#

Marie Therese: Ja, genau. Kinder zum Beispiel freuen sich riesig darüber, wenn Sie etwas Neues gelernt haben, zum Beispiel, wenn sie sich alleine anzuziehen können. Diese Freude kann man ihnen ansehen. So ist es auch mit den Mitarbeitern. Freude und Spaß entsteht, wenn wir merken, dass wir aus unserer Komfortzone herausgekommen sind und etwas Neues lernen durften. Man hört oft, „wenn du in der Hotellerie arbeiten willst, musst du Stunden schieben“.  #00:19:11-0#

Marco: Und auch an den Wochenenden und Feiertagen.  #00:19:14-5#

Marie Therese: Viele Führungskräfte glauben, sie müssten präsent sein, weil es ohne sie nicht geht. Aber warum geht es ohne dich nicht? Vielleicht geht es am Anfang nicht, wenn ein Laden neu aufgemacht wird. Bis es so läuft, wie du es gerne haben möchtest, braucht es natürlich dich als Experten. Aber das Ziel ist, dass der Laden ohne dich läuft.  #00:19:54-8#

Marco: Das hat viel mit Vertrauen zu tun.  #00:19:57-4#

Marie Therese: Genau, das Vertrauen muss da sein, aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wenn ein Mitarbeiter zum ersten Mal ein Kritikgespräch aufgrund einer Beschwerde hat, dann ist das keine schöne Situation. Man möchte sich am liebsten verstecken oder weglaufen.  #00:20:30-1#

Marco: In diese Situation kann ich mich gut einfühlen. Daran denkt man nicht gerne zurück.  #00:20:34-9#

Marie Therese: Der Mitarbeiter benötigt Führung und Sicherheit, um zu lernen, mit Kritik umzugehen. Wieviel Übung und Zeit benötigt man, um ein Tablett tragen zu können? Wenn ich Angst vor dem ersten Schritt habe,  dann dauert es lange. Deshalb ist es eine der Hauptaufgaben einer Führungskraft, die Mitarbeiter zu fördern und für sie da zu sein.  #00:21:17-7#

Marco: Die Förderung der einzelnen Mitarbeiter fördert auch das Team als Ganzes. Der Oberbegriff „Leadership“ wird seit einiger Zeit immer wieder thematisiert. Führung und Teamkultur wird immer wichtiger. Was hat sich deiner Meinung nach im Laufe der Zeit geändert, gerade in der Hotellerie und Gastronomie? War Team-Motivation früher weniger wichtig, hat man früher andere Worte benutzt oder hat tatsächlich ein Umdenken stattgefunden? #00:21:49-2#

Marie Therese: Wenn ich an meine Anfänge als Zimmermädchen in Barcelona zurückdenke, dann erinnere ich mich an einen guten Zusammenhalt. Mit 19 Jahren war die jüngste in einem Team von zehn Frauen, allesamt südamerikanische Mütter, die als Zimmermädchen arbeiten mussten. Ich erinnere mich an eine extreme Herzlichkeit, die ich dort erlebt habe. Diese Frauen hatten bestimmt an keinem Leadership Training teilgenommen. Wenn es jedoch um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen ging, dann war eine Distanz zu spüren. „Hilf ihnen bloß nicht, lass bloß das Glas stehen! Das Restaurant soll sich die Gläser selbst holen.“ Es war ein Zusammenhalt innerhalb der Grenzen der eigenen Abteilung.  #00:23:33-1#

Heute geht generell alles viel schneller. Wenn ich heutiges Wissen schon damals gehabt hätte, wäre einiges schneller gelaufen. Ob das besser oder schlechter ist, kann ich nicht sagen.  #00:23:56-3#

Marco: Ich habe das Gefühl, dass es heute ein größeres Bewusstsein für die Bedeutung des Leadership gibt. In deinem Fall hat es innerhalb der Abteilung sehr gut funktioniert, aber es ging nicht über die Grenze hinaus. Vielleicht betrachtet man Leadership heute ganzheitlicher.  #00:24:22-7#

Marie Therese: Genau. Das Thema Leadership gehört heute einfach dazu. Es ist nicht einfach nur ein Begriff, sondern es steckt sehr viel mehr dahinter. Du hast nach den Fähigkeiten einer guten Führungskraft gefragt. Ich weiß nicht, ob es die gute Führungskraft per se gibt, aber ich weiß, dass jeder lernen kann, wie gute Führung funktioniert. Jeder kann sich selbst in der Rolle wiederfinden, die zu ihm passt.  #00:25:10-1#

Marco: Du meinst, dass jeder zur Führungskraft werden kann? Gibt es Grundwerte, die man mitbringen muss? #00:25:15-9#

Marie Therese: Ein wichtiger Punkt ist, dass man bereit sein muss, sich weiterzuentwickeln. Grundwerte an sich, die man mitbringen muss, gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich glaube, dass jeder eine Führungskraft sein kann. Aber es gibt verschiedene Arten der Führung, und nicht immer passen Führungsstil und Mitarbeitererwartung zusammen. #00:25:46-4#

Marco: Mit Selbstkritik und dem Willen, sich zu entwickeln, kann jeder zu einer Führungskraft werden, zumindest in gewissen Bereichen.  #00:25:58-3#

Marie Therese: Ja, auf jeden Fall.  #00:26:05-0#

Marco: Ich dachte, man müsste über gewisse Kompetenzen oder Grundwerte verfügen, um geeignet zu sein, aber wie du sagst, kommt es auf den Willen an, Neues anzunehmen und sich zu hinterfragen. Das ist das Wichtigste, was man mitbringen muss. Das ist ein spannender Ansatz.  #00:26:36-1#

Marie Therese: Manchmal ist es schwierig, Führungskräfte zu finden, die zur Unternehmenskultur passen. Ein Vorgesetzter muss über verschiedene Führungsstile verfügen, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Wenn es stressig wird, braucht es klare Ansagen. Ich muss darauf vorbereitet sein, dass plötzlich ein Bus mit einhundert Menschen an meinem Restaurant hält, die alle auf einmal bewirtet werden wollen. Ich erinnere mich an die Banquets im Hotel, die immer bis spät in die Nacht dauerten. Wenn es nachts um 02:00 Uhr, wenn wir alle erschöpft waren, nicht klare Ansagen gegeben hätte, was genau zu tun ist, dann wäre ein Chaos entstanden. Um diese Uhrzeit ist auch die Führungskraft verständlicherweise ausgelaugt. Rückblickend verstehe ich die Führungskräfte besser. In Situationen wie dieser benötigt man einen bewusst starken Stil.  #00:28:32-2#

Marco: Der Führungsstil muss sich situativ anpassen.  #00:28:36-6#

Marie Therese: Genau. Man muss sich sowohl den Situationen als auch den Persönlichkeiten anpassen können. Manche Menschen müssen täglich gelobt und motiviert werden, und bei anderen reicht es, wenn man sich einmal wöchentlich für ihre Arbeit bedankt.  #00:28:59-8#

Marco: Es ist deshalb ein wichtiger Punkt, das Team mit seinen einzelnen Mitarbeitern und sich selbst gut zu kennen. Seit über einem Jahr begleitet uns Corona, und die Attraktivität unserer Branche lässt zunehmend nach. Man muss hart und lange arbeiten und wird oft am Wochenende und in den Abendstunden eingesetzt. Dazu kommen die internationalen Reisebeschränkungen. Die Betriebe wissen nicht, ob und wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen können, und die Mitarbeiter schauen sich nach anderen Jobperspektiven um. Hoteldirektoren haben jetzt die Zeit, um neue Strategien zu entwickeln. Wie schafft man, Motivation aufrechtzuerhalten, und was bedeutet Leadership in Krisenzeiten?  #00:30:23-9#

Marie Therese: Wir befinden uns in einer globalen Krise, die jeden von uns in der Hotellerie trifft. Eine mögliche Strategie ist, sich die Krisen vor Augen zu führen, die man bereits durchgestanden hat. Jede Öffnung eines neuen Lokals ist eine Art Krise, eine besondere Herausforderung. Wird das Budget reichen, und kommen die Gäste? Vor Corona lief alles gut, und zack, von heute auf morgen ist alles geschlossen. Das ist eine extreme Belastung. Du hast recht, wenn du sagst, dass jetzt die Zeit ist, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Wie kann ich meine Balance halten, um nach der Krise gestärkt zu starten? Diese Erkenntnisse an die Mitarbeiter weiterzugeben, ohne dass ich sie täglich sehe, das ist eine Herausforderung.  #00:32:25-6#

Hierfür ist ein großes Vertrauen in mich selbst als Führungskraft oder Unternehmer nötig. Das klingt banal, denn es geht um nichts Geringeres als die Existenz. Ich glaube, dass die Betriebe, die es schaffen, bereits vor der Krise alles richtig gemacht haben. Man sollte sich auf das besinnen, was man zuvor richtig gemacht hat und was man in der Krise gelernt hat. Was ging vorher nicht und geht jetzt trotzdem? Ein Beispiel ist das, was wir jetzt gerade machen, nämlich, uns online zu treffen.  #00:33:31-4#

Marco: Das ist absolut richtig. Leadership im digitalen Zeitalter hat sich sehr gewandelt. Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit oder im Home Office. Ich muss sie über Zoom, Skype oder Teams digital führen, um sie bei mir zu halten und ihnen das operative Arbeiten im Hintergrund zu ermöglichen. Das ist ein extremer Umbruch.  #00:34:10-8#

Marie Therese: Wichtig ist, diese neuen Konzepte umzusetzen. Man darf nicht jammern und auf die Politik schimpfen, weil die finanzielle Förderung nicht ausreicht, sondern man muss herausfinden, was man selbst machen kann. Das ist ein entscheidender Punkt der Selbstführung. Gejammer fällt immer auf mich selbst zurück.  #00:34:39-2#

Marco: Und es hilft nicht, die verunsicherten Mitarbeiter, die ohnehin Zukunftsängste haben, zu motivieren und bei Laune zu halten.  #00:34:48-1#

Marie Therese: Die werden dann erst recht das Weite suchen, weil sie die Unsicherheit des Vorgesetzten spüren.  #00:34:54-3#

Marco: Viele Hoteliers berichten mir, dass es ihnen schwerfällt, positiv zu bleiben und den verunsicherten Mitarbeitern die Zukunftsängste zu nehmen. Deine Strategie, sich bewältigte Krisen aus der Vergangenheit bewusst zu machen, gefällt mir gut. Es hilft uns, das positive Denken nicht zu verlieren.  #00:35:33-3#

Marie Therese: Ich bin davon überzeugt, dass es nicht mehr so wie vorher werden wird. Es wird immer ein „nach der Krise“ geben, und deshalb bringt es uns nichts, der Vergangenheit hinterherzutrauern. Wenn wir die aktuelle Situation akzeptieren, folgen die nächsten Schritte automatisch.  #00:36:13-3#

Marco: Man muss nach vorne schauen, nicht zurück. Was früher war, kann ich nicht ändern, ich kann nur gestalten, was in der Zukunft liegt. Das ist eines meiner Credos, und das gilt ganz besonders in der heutigen Zeit.  #00:36:50-2#

Wie wird sich Leadership in den nächsten Jahren verändern? Das digitale Zeitalter ist zwar da, aber wir als Hotel-Dienstleister arbeiten im Hotel am Gast. Welche Herausforderungen könnten an die Führungskräfte der Zukunft gestellt werden? Happy Guest, happy Team, mit diesem Motto setzt du dich in deinen Trainings auseinander. Ist das „happy Team“ eines der Erfolgsrezepte neben der Qualität, die für den Gast passen muss?  #00:37:37-9#

Marie Therese: Der Erfolg fängt beim Team an. Der Gast spürt, wenn es im Team passt. Während der Corona Krise saß jeder zu Hause und musste mit sich selbst zurechtkommen. Die Auseinandersetzung mit sich selbst, das ist ein Aspekt, der zunehmend gefragt sein wird. Achtsamkeit und Wertschätzung sind Begriffe, die zukünftig immer wichtiger werden, auch in der Hotellerie.  #00:38:54-4#

Marco: Diese Eigenschaften werden sicherlich Bestand haben.  #00:38:53-8#

Marie Therese: Die Benediktiner Mönche legen ihren Fokus auf die Pausen. Wenn sie Pause haben, dann ist Pause, und sie organisieren ihren Tag mit Blick auf die Pausen. Das finde ich eine sehr schöne Vorstellung, die ich gerne auf die Hotellerie anwenden würde. Unsere Branche ist sehr flexibel, und deswegen glaube ich, dass dieses Konzept funktionieren kann. Das fängt mit dem bewussten Essen während der Pausen an. Die Pausengestaltung ist sehr wichtig.  #00:39:57-9#

Marco: Das ist ein spannender Ansatz, den Tag nach den Pausen auszurichten und nicht nach den Dienstzeiten, die es uns erschweren, effizient zu regenerieren.  #00:40:25-8#

Schauen wir uns ein kurzes Fazit an. Du hast gesagt, dass man als Führungskraft dienen muss. Kannst du uns in wenigen Sätzen zusammenfassen, was erfolgreiches Leadership ausmacht?  #00:40:40-6#

Marie Therese: Dienen bedeutet nicht, dass ich mich ausnutzen lasse. Dienen kann ich nur, wenn ich mit mir selbst in Balance bin. Ich helfe, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.  #00:41:21-9#

Marco: Das Wort „dienen“ ist negativ besetzt und wird von vielen Menschen falsch aufgefasst. Vor Kurzem habe ich ein Interview mit einem Butler gelesen, der seit vielen Jahren für prominente Menschen arbeitet. Er sagt, er habe Spaß am Dienen und fühle sich keineswegs schlechter gestellt als andere Dienstleister. Das Interview werde ich in den Show Notes verlinken, denn es ist wirklich interessant. Es geht darum, wie wir „dienen“ verstehen.  #00:42:04-3#

Marie Therese: Spaß an der Sache zu haben, das ist ein wichtiger Ansatz. Erfolgreich führt, wer bereit ist, sich weiterzuentwickeln, ohne sich selbst zu vergessen. Dabei hilft ein gesunder Egoismus, bei dem man zuerst auf sich selbst und dann auf die anderen schaut. Das ist wie im Flugzeug, wo ich darauf aufmerksam gemacht werde, im Notfall zuerst meine eigene Maske anzulegen, bevor ich anderen helfe. Wenn ich selbst keine Luft bekomme, kann ich andere nicht unterstützen. So ist es auch in der Führung.  #00:42:59-8#

Marco: Mit diesem Abschluss haben wir einen schönen Bogen zum Ende unseres Gesprächs geschlagen. Vielen Dank. Möchtest du noch einige Worte an meine Hörerinnen und Hörer richten?  #00:43:13-9#

Marie Therese: Genießt euer Leben und haut rein! #00:43:18-9#

Marco: Getreu nach dem Motto „Let it flow“ aus deinem Podcast, den ich sehr gerne verlinken werde. Danke Marie Therese, dass du heute bei mir warst. Vielleicht machen wir in der Post-Corona-Zeit noch ein kleines Update zum Thema Führungsqualitäten der Zukunft.  #00:43:36-2#

Marie Therese: Das Gespräch hat mir viel Spaß gemacht. Danke dir, Marco.  #00:43:41-4#

Marie Therese Heep

Marie Therese ist in der Hotellerie und Gastronomie zuhause. Mit ihren beruflichen Erfahrungen hilft sie Mitarbeitern, Führungskräften und Teams in ihrer Entwicklung und bringt durch ihr Engagement Leichtigkeit in den Arbeitsalltag, Spaß ins Team und Herzlichkeit direkt an den Gast.

Hier gibt’s noch mehr Infos über Marie Therese:

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