Mitarbeiter-Strategie

Im aktuellen Artikel geht es um das wichtige Themenfeld der Mitarbeiterstrategie. Nachdem es nun bereits ein paar Beiträge über Leadership, Selbstmanagement und Mitarbeitereffizient gab, steht nun der mit Abstand wichtigste Erfolgsfaktor der Hotellerie im Fokus, nämlich der Mitarbeiter beziehungsweise die Mitarbeiterin selbst.

Fakt ist, und das nicht erst seit Corona, dass wir im Tourismus und insbesondere in der Hotellerie oft vor dem Problem stehen, die richtigen Fachkräfte für den eigenen Betrieb zu finden. Der Kampf um die besten Mitarbeiter oder generell um Mitarbeiter wird auch künftig weitergehen. Fakt ist aber auch, dass wir in der Hotellerie natürlich in einer Dienstleistungsbranche arbeiten und deshalb gute Mitarbeiter unabdingbar sind, um den Gästen unseren besten Service bieten zu können. Gute und zufriedene Mitarbeiter machen den entscheidenden Unterschied aus.

Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen und das Thema am besten strategisch angehen. Dazu wurde mit Silvia Wunder eine absolute Expertin mit ins Boot (bzw. mit in den Podcast) geholt. Silvia Wunder ist Touristikerin aus Leidenschaft und kümmert sich in ihren Beratungen vor allem um die menschliche Komponente. Zu ihren Kernkompetenzen zählen Recruiting, Personalentwicklung und Führungskräftetraining. Wenn es darum geht, eine passende Mitarbeiterstrategie zu entwickeln und umzusetzen, dann führt kein Weg an Silvia Wunder vorbei.

Für reinen sinnvollen Arbeitsplatz müssen die grundsätzlichen Rahmenbedingungen passen. Dazu gehört natürlich auch ein entsprechendes Gehalt. Nicht minder wichtig sind allerdings die Faktoren Anerkennung und Wohlbefinden, wenn es darum geht, eine zukunftsträchtige Mitarbeiterstrategie zu etablieren: Silvia plädiert für eine Kultur der Offenheit und Transparenz. Ihr Credo: „Etwas für die Mitarbeiter zu tun, ist immer noch besser, als nichts für sie zu tun!

Im Interview werden unter anderem folgende Themen behandelt:

  • Bedeutung von Mitarbeiter-Strategie
  • Mitarbeiter-Strategie oder Employer Branding? Wo sind die Unterschiede?
  • Unterstützung im ohnehin Mitarbeiter-umworbenen Markt (Fachkräftemangel)
  • Wie identifiziere ich die richtigen Mitarbeiter für mein Hotel?
  • Auswirkungen einer professionellen Recruiting- und Kommunikationsstrategie
  • Welche Auswirkungen kann eine zukunftsorientierte Mitarbeiter-Strategie auf den Hotelbetrieb haben?
  • Was macht erfolgreiches Mitarbeitermanagement aus? Wo soll man anfangen?

Transkript dieser Podcast-Folge

Marco: Hallo liebe Silvia, ich freue mich, dass du heute in meinem Podcast zu Gast bist. Ich habe dich im Intro bereits vorgestellt, aber sei doch so lieb und erzähle unseren Hörerinnen und Hörern, wer du bist und was du machst.  #00:02:13-0#

Silvia: Hallo Marco, vielen Dank, dass ich heute bei dir in diesem sehr spannenden Podcast zu Gast sein darf. Mein Name ist Silvia Wunder, und gemeinsam mit meiner Geschäftspartnerin Cornelia Lohninger bin ich Eigentümerin des Lohninger – Wunder Tourismus Recruiting. Wie der Name schon sagt, liegt unser Schwerpunkt auf der Tourismusbranche. Wir sind als Personal- und Organisationsentwicklerinnen tätig und erarbeiten Konzepte, Strategien und Maßnahmen rund um das Thema Mitarbeitermanagement.  #00:02:50-3#

Marco: Der Mitarbeiter steht auch in unserem heutigen Gespräch im Vordergrund. Was kann man sich unter einer Mitarbeiterstrategie vorstellen, und was bedeutet sie für dich?  #00:03:04-2#

Silvia: Für uns ist Mitarbeiterstrategie ein Überbegriff, der sich aus vielen verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt. Als Erstes gehört dazu die Ermittlung des Bedarfs, und zwar nicht nur die Anzahl der Mitarbeiter, sondern auch die Qualifikationen, die das Unternehmen benötigt. Als Nächstes stellt sich die Frage, wie ich Mitarbeiter gewinnen kann. Wichtig ist außerdem, inwieweit das Unternehmen bereit ist, in Schulungsmaßnahmen zur Förderung des Personals zu investieren. Man sollte festlegen, welche Karrierewege es im Unternehmen geben soll und wie das Talentmanagement aussieht. Die Mitarbeiterstrategie umfasst die komplette Ausrichtung rund um das Personal inklusive aller individuellen Konzepte.  #00:04:06-4#

Marco: Das heißt, dass die Mitarbeiterstrategie ein Teil der gesamten Unternehmensstrategie ist.  #00:04:13-0#

Silvia: Für mich ist sie ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie, denn es sind die Menschen, die die Arbeit vollbringen. Das gilt für Service- und Produktionsbetriebe gleichermaßen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und aufgrund demografischer Veränderungen müssen sich Betriebe Gedanken darüber machen, wer die Arbeit erledigen wird. Roboter alleine werden es nicht können. Um etwas erfolgreich produzieren oder anbieten zu können, brauche ich den Faktor Mensch im Unternehmen.  #00:04:56-3#

Marco: Gerade in dienstleistungsintensiven Branchen wie dem Tourismus ist der Mensch der wichtigste Faktor schlechthin. Die Hotellerie hat besonders während Corona schwere Zeiten durchgemacht und Teile ihres Images eingebüßt. Wie siehst du die Situation aktuell, und wie wird sie sich in der Post-Corona-Zeit entwickeln?  #00:05:24-6#

Silvia: Es fällt mir grundsätzlich schwer, von einem Image einer Branche zu sprechen. Bereits vor Corona hat sich viel getan. Arbeitgeber setzten auch früher schon viel daran, attraktiver zu werden. Corona hat uns zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, allerdings haben viele Betriebe die Chance der Kurzarbeit wahrgenommen, was auf jeden Fall für sie spricht. Schwierig ist es für saisonal ausgerichtete Unternehmen, die zum Beispiel auf den Winter hin rekrutiert haben und keine Mitarbeiter in die Kurzarbeit übernehmen konnten. Bei diesen Betrieben gibt es oft große Schwierigkeiten, weil die Mitarbeiter oftmals in andere Branchen abgewandert sind.  #00:06:28-4#

Ich denke, es ist noch zu früh, um vorherzusehen, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln wird. Aktuell haben wir 800.000 Menschen, die sich nicht in Arbeit befinden. 500.000 davon sind arbeitssuchend, der Rest ist in Kurzarbeit. Am Arbeitsmarkt wird sich auf jeden Fall viel bewegen. Allerdings glaube ich, dass es wichtig ist, sich bereits jetzt, während der Corona-Krise, mit der Mitarbeitergewinnung auseinanderzusetzen.  #00:06:59-8#

Marco: Wir müssen uns bereits heute strategisch auf die Zeit nach der Pandemie aufstellen, damit wir zeitnah die Mitarbeiter finden, die wir brauchen. Wie fange ich am besten an, eine Strategie zu entwickeln? Wie schaffe ich in diesen volatilen Zeiten eine Basis, um den Überblick über meine Mitarbeiterstrategie nicht zu verlieren?  #00:07:37-6#

Silvia: Das ist eine sehr gute Frage, Marco. Dazu müssen wir uns die unterschiedlichen Betriebsarten anschauen, denn man kann nicht alle Hotels über einen Kamm scheren. Es gibt die Stadthotels, die ganzjährig Mitarbeiter beschäftigen können, und es gibt die saisonalen Betriebe. In Österreich besteht der überwiegende Teil aus Kleinbetrieben zwischen 50 und 100 Mitarbeitern. Dort ist auffällig, dass die Ebene der Führungskräfte sehr instabil ist. Wenn ich ein mittelständisches, familiengeführtes Hotel mit 30 bis 50 Mitarbeitern hätte, dann würde ich mir als Erstes überlegen, wie ich meine Führungsmannschaft aufstelle. Was braucht es, damit mir diese Führungsmannschaft auch in Zukunft zur Verfügung steht? Die Antwort ist abhängig von den Kompetenzen der Führungskräfte. „Der Mitarbeiter verlässt nicht den Betrieb, sondern er verlässt die Führungskraft“, dieser Spruch beweist sich immer wieder.  #00:09:05-3#

Es geht nicht nur darum, eine Stelle auszuschreiben und eine passende Person zu finden, sondern es gilt zu überlegen, welche Führungsarbeit der Vorgesetzte mit dem neuen Mitarbeiter zu leisten hat. Das ist ein Punkt, der meiner Meinung nach in vielen Betrieben zu wenig beachtet wird.  #00:09:22-2#

Marco: Es geht nicht nur darum, wen ich fachlich benötige, sondern ich muss beachten, dass meine Unternehmensstrategie mit Hilfe des neuen Mitarbeiters bestmöglich umgesetzt wird. Bereits bei der Stellenausschreibung bemüht man sich um ein gutes Image, Schlagwort Employer Branding. Ich kann mich jedoch nicht als mitarbeiterfreundlicher Betrieb positionieren, ohne die Hintergrundarbeit geleistet zu haben. Das bedeutet, dass ein entsprechender Prozess bereits stattgefunden haben muss. #00:10:17-7#

Silvia:  Genau. Mitarbeiterstrategie und Employer Branding, das sind zwei unterschiedliche Begriffe. Die Mitarbeiterstrategie ist die Ausrichtung des Unternehmens. Sie umfasst die internen Prozesse im Personalmanagement. Idealerweise sind diese Prozesse auf die Unternehmenspositionierungen ausgerichtet und auf die Angebote, die ich habe. Deshalb ist es für mich wichtig, dass die Ziele im Bereich Personal auf der gleichen Ebene stehen wie die betriebswirtschaftlichen Ziele. Die Mitarbeiterstrategie hingegen muss auf der Organisationsebene stattfinden. #00:11:10-3#

Das Employer Branding ist ein Begriff aus dem Marketing. Branding kommuniziert Inhalte, die in der Mitarbeiterstrategie festgehalten sind. Idealerweise werden dabei nicht alle über einen Kamm geschoren, sondern man arbeitet zielgruppenorientiert. Eine Branding-Kampagne für Lehrlinge sieht anders aus als eine Kampagne für Führungskräfte. Das bedeutet, dass ich gezielte Botschaften nutze, die authentisch sind und die aus der Mitarbeiterstrategie kommen. Sie müssen an die Sprache und an die Aufmerksamkeit der Zielgruppe angepasst sein. Insofern ist Employer Branding ein Teil der Mitarbeiterstrategie.  #00:12:04-1#

Marco: Danke, dass du uns die Unterschiede zwischen Employer Branding und Mitarbeiterstrategie aufzeigst. Ich erlebe es oft, dass sich Hoteliers Gedanken über ein Employer Branding machen, ohne eine grundlegende Strategie der internen Prozesse erarbeitet zu haben.  #00:12:50-7#

Silvia: Ich glaube, dass viele Betriebe oft die Gästebrille aufhaben, wenn es um das Marketing geht. Sie investieren sehr viel Geld, um Gäste anzusprechen und haben gute Erfahrungen mit ihren Werbeagenturen gesammelt. Es macht allerdings einen großen Unterschied, ob ich potenzielle Gäste oder Mitarbeiter ansprechen will. Der Gast hat das Bedürfnis, Urlaub zu machen und ist bereit, Geld dafür auszugeben. Der Mitarbeiter hingegen möchte seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellen und erwartet, auf Augenhöhe behandelt zu werden. Er hat eine andere Intention als der Gast.  #00:14:00-4#

Deshalb benötigt er eine gezielte Ansprache, und der Betrieb muss sozusagen eine andere Brille aufsetzen. Ich muss mir sehr gut überlegen, welche Sprache ich in einer Stellenausschreibung wähle, um zu transportieren, für welche Werte das Unternehmen steht. Im besten Fall weckt ein kurzer und aussagekräftiger Text das Bedürfnis, sich bewerben zu wollen. Dazu benötigt man eine gewisse fachliche Expertise, die sich vom reinen Produkt-Marketing unterscheidet.  #00:15:13-1#

Marco: Dazu fällt mir der Slogan ein, „arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Der wäre für einen potenziellen Mitarbeiter wahrscheinlich eher ungeeignet, nicht wahr?  #00:15:23-4#

Silvia: Als Bewerber wäre es für mich wichtig zu wissen, welche Lebensqualität mir der Ort bietet, an dem mein Arbeitsplatz sein wird. Schließlich will ich dort nicht nur arbeiten, sondern auch leben. Das hat wenig mit Urlaub zu tun. Insofern würde ich diesen Slogan nicht verwenden.  #00:16:07-0#

Marco: Du hast angesprochen, dass die Mitarbeiterstrategie auf der gleichen Ebene liegen sollte wie die wirtschaftliche Strategie eines Unternehmens. Was machen kleine und mittlere Unternehmen, die wir in Österreich hauptsächlich haben, die nur eine kleine oder vielleicht gar keine Human Resources-Abteilung haben? Wie starte ich in diesen Fällen am besten mit der Evaluierung meines Bedarfs?  #00:16:52-9#

Silvia: Das Problem wird oft überbewertet, und deswegen ist es wichtig, dass die Unternehmen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Im HR-Management gibt es den Spruch, „etwas für die Mitarbeiter zu tun, ist immer noch besser, als nichts für sie zu tun“. Es geht nicht darum, ein perfektes HR-Management zu haben, sondern zu Beginn geht es um die Transparenz der eigenen Ziele. Führungskräfte wissen oft nicht, was die Unternehmensziele sind. Es gibt zum Beispiel keine heruntergebrochenen Ziele für die einzelne Saison.  #00:17:45-6#

Dem lässt sich entgegenwirken, indem man einen regelmäßigen Austausch mit den Führungskräften einführt. Lieber Küchenchef, lieber Restaurantleiter, liebe Rezeptionsleiter, die Sommersaison steht vor der Tür. Welche Ziele sollen wir uns vornehmen? Welche Qualität wollen wir erreichen? Wo haben wir einen Bedarf, und wo wollen wir etwas verbessern? Wie können wir unsere Services ausbauen, und welche Herausforderungen warten auf uns? Auf diese Weise kommt man gemeinsam in einen Workflow, der aufzeigt, ob und wie die Ziele erreicht werden. Sind die Mitarbeiter fachlich fit oder muss nachgerüstet werden? Falls Verbesserungen notwendig sind, welche sind das genau, und was müssen wir den Mitarbeitern beibringen? Mit den gemeinsamen Gesprächen und dem Setzen von Zielen beginnen die wichtigen Kreisläufe.  #00:18:47-2#

In einem kleinen Betrieb sind es oft kleine Schritte, die zu großen Veränderungen führen. Die Informationswege sind kurz, und es ist nicht nötig, ein aufwändiges Quality Management System oder eine ISO Zertifizierung einzuführen. Oft reicht eine gute Kommunikation und ein effizientes Protokoll. Besser wird man, indem man ins Tun kommt. Wenn wir viel mit unseren Partnern und Mitarbeitern sprechen, dann ergibt sich automatisch eine gute Qualität in der Kommunikation. Zuschauen und zuhören ist immer noch die beste Kommunikation.  #00:19:31-9#

Marco: Erfährst du in der Praxis einen Mangel an Kommunikationskultur in den Unternehmen?  #00:19:39-0#

Silvia: Ja. Teilweise existiert keine Kommunikationskultur, teilweise sind die Führungskräfte nicht effizient eingebunden. Oft arbeiten die Abteilungen wie auf Inseln. Jeder macht das, was er als richtig erachtet, aber niemand führt die Fäden zusammen. Die Leute in den Abteilungen machen eine gute Arbeit, aber die Unternehmensführung ist unzufrieden, weil sie nicht andocken kann mit dem, was sie wahrnimmt und weil es nicht zu den Erwartungen der Unternehmensführung passt. Es gibt keinen Austausch. Das führt zu Unzufriedenheit. Die Mitarbeiterstrategie beinhaltet sinnvolle Arbeitsplätze sowie Personal, das ein positives Selbstbild seiner eigenen Arbeitskraft entwickeln kann. Und das kann nur gelingen, wenn die Arbeit gewürdigt wird.  #00:20:50-4#

Marco: Ein sinnvoller Arbeitsplatz, das ist ein gutes Stichwort. Welchen Stellenwert hat die Entlohnung?  #00:21:04-9#

Silvia: Die Rahmenbedingungen müssen passen. Viele Betriebe haben sich in der Kultur verändert. Die jüngere Generation, die heute Führungsaufgaben übernommen hat, ist sich dessen bewusster als die ältere. Vereinbarungen, die in Verträgen getroffen werden, müssen eingehalten werden. Als Arbeitnehmer möchte ich mich darauf verlassen können, dass das, was besprochen wurde, umgesetzt wird. Das Gehalt ist ein weiteres wichtiges Thema. Arbeitnehmer müssen entsprechend ihrer Qualifikation entlohnt werden. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass das Gehalt nicht der vordergründige Motivator ist, um in einem Unternehmen zu bleiben. Wichtiger ist die Anerkennung und dass ich mich wohlfühle.  #00:22:16-4#

Wenn ich ein finanziell zufriedenstellendes Auskommen habe und mir der Betrieb ein angenehmes Arbeitsklima bietet, wenn ich von Kollegen und Vorgesetzten geschätzt werde, dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, wegen eines höheren Gehalts in einen anderen Betrieb zu wechseln. Das werden die wenigsten Menschen machen. Wenn die Beziehungen im Arbeitsumfeld gut funktionieren, dann ist das mehr wert als Geld.  #00:23:08-2#

Marco: Wenn ich die Unternehmenskultur noch nicht gut kenne, wird das Gehalt wahrscheinlich eine größere Rolle spielen. Aber wenn ich mich wohlfühle, dann werden mich angebotene Gehaltssprünge nicht umstimmen, den Betrieb zu verlassen.  #00:23:43-6#

Silvia: Ich beobachte außerdem, dass die Qualität der Bewerberinterviews ein sehr wichtiger Faktor ist. Gemeinsam mit den Unternehmen, die wir beraten, erarbeiten wir einen Leitfaden für die Gestaltung der Vorstellungsgespräche. Oft fühlen sich die Betriebe von den Bewerbern unter Druck gesetzt, weil diese ihre Gehaltsvorstellungen durchsetzen wollen. Dadurch verliert sich die Augenhöhe. In dem Moment, wo mir ein anderer sagt, was ich zu tun habe, ist kein wertschätzender Umgang mehr möglich. Wie reagiere ich auf eine Gehaltsforderung? Gebe ich klein bei, weil ich fürchte, keinen besseren Kandidaten zu bekommen? Vielleicht gelingt es mir, meine eigene Position durch kluge Gesprächsführung darzulegen, zum Beispiel mit den Worten, „ich kann Ihren Gehaltswunsch verstehen, aber ich möchte erst sehen, ob Sie die versprochene Leistung im Unternehmen tatsächlich einbringen.“ Ein solches Gespräch ist Bestandteil einer guten Personalführung, und diese Kompetenz muss ein Vorgesetzter mitbringen.  #00:25:31-2#

Marco: Diese Fähigkeit beginnt bei der Stellenausschreibung und kommt natürlich beim Vorstellungsgespräch zum Einsatz. Du hast erwähnt, dass man sich darüber klar werden muss, wo die Mitarbeiter stehen und was sie sich wünschen. Man sollte Karrierepläne und Talentschmieden erarbeiten. Dafür muss ich zunächst eine Bestandsaufnahme machen, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang regelmäßige Mitarbeiterbefragungen?  #00:26:15-0#

Silvia: Das kommt auf die Größe des Betriebs an. Mitarbeiterbefragungen sind ein möglicher Aspekt. In kleineren Betrieben können Gespräche als Barometer informativer sein, weil sie Raum für Dialog lassen. Sie geben mir die Möglichkeit, die Stimmung zu erfassen. Danach kann ich jedoch nicht einfach zum Tagesgeschäft übergehen, sondern ich muss die Erkenntnisse nutzen, um sie umzusetzen. Ansonsten werde ich als Betrieb unglaubwürdig. Mitarbeiterbefragungen eignen sich für gewisse Fragen gut, aber viel besser gefallen mir direkte Gespräche. Man kann sich beispielsweise nach einer Saison zusammensetzen und diskutieren, was gut gelaufen ist und was nicht. Das ist eine gute Strategie besonders für kleinere oder familiäre Betriebe.  #00:27:39-2#

Marco: Bei einer anonymen Befragung steht oft der Gedanke im Vordergrund, dass man ehrliche Antworten erhält. Ist diese Sorge berechtigt? #00:27:54-0#

Silvia: Wenn ich eine offene und transparente Kultur habe, dann brauche ich mich vor Kritik nicht zu fürchten. Mitarbeiterbefragungen geben mir keine Garantie für Ehrlichkeit, auch nicht, wenn sie anonymisiert sind. Bei einem Gespräch kann ich nachfragen, aber die Kommentare in einer Befragung kann ich nicht überprüfen. Während eines Gesprächs kann ich sowohl verbale als auch nonverbale Aussagen besser deuten. Ich kann beurteilen, ob der Gesprächspartner authentisch ist oder ob er nur etwas sagt, um Ärger zu vermeiden.  #00:28:39-9#

Marco: Eine Kultur der Offenheit und Transparenz, das ist ein wichtiger Leitsatz, der mir gut gefällt. Wenn ich diese Werte in meinem Unternehmen etabliere, dann habe ich bereits viel gewonnen. Wir haben heute gelernt, dass Mitarbeiterstrategie ein sehr weites Feld ist. Es gibt viele Bereiche, die wir noch weiter vertiefen könnten, zum Beispiel in Richtung Onboarding-Prozesse, Austrittsgespräche, Ausnutzung von Potenzialen, Förderung von Mitarbeitern und vieles mehr. Die Mitarbeiterstrategie beginnt mit einer Evaluierung, mit einer Bestandsaufnahme. Was ist nötig, um eine Kultur der Offenheit und Transparenz aufzubauen? Kannst du zusammenfassen, was die erfolgreiche Mitarbeiterstrategie ausmacht und wie sie die Erreichung der Unternehmensziele unterstützt? Auf welche Key Facts sollte ich mich besinnen? #00:29:49-2#

Silvia: Eine erfolgreiche Mitarbeiterstrategie braucht eine klare unternehmerische Zielformulierung. Wer sind wir, wie positionieren wir uns und welche Angebote machen wir? Sind wir heute ein Wellness-Hotel und morgen ein Sport-Hotel! Nichts ist für einen Mitarbeiter schwieriger, als sich ständig anpassen zu müssen. Die Planbarkeit ist deshalb ein sehr wichtiger Punkt. Weiterhin soll eine Mitarbeiterstrategie festlegen, welche Qualifikationen und Persönlichkeiten ich für das Unternehmen benötige. Ein modernes Stadthotel braucht andere Personen als eine Pension in den Bergen, die ältere Wanderer anspricht. Ich brauche ein Gespür für die Mitarbeiter, die ich beschäftigen möchte.  #00:31:22-8#

Natürlich muss ich mir auch überlegen, welche Maßnahmen ich umsetzen kann. Welche Ressourcen stehen mir für die Mitarbeiterführung zur Verfügung? Welche Instrumente helfen mir dabei? Das müssen nicht unzählig viele sein, aber die Instrumente, die mir zur Verfügung stehen, die sollten von allen Abteilungen genutzt werden. Sie sollten auch dazu dienen, mir Feedback in Richtung der Unternehmensziele zu geben. Das sind die Key Facts, die mir wichtig sind.  #00:31:58-4#

Weniger ist mehr! Einige wenige Instrumente gezielt auswählen und diese effizient einsetzen, das ist vernünftiger als ein Sammelsurium an Befragungen, Mitarbeitergesprächen, Team Workshops und Schulungstagen anzubieten, das alles überfrachtet. Der Mitarbeiter muss lernen, in der Unternehmenskultur anzukommen und zu arbeiten. Er ist ein Teil davon, und ich muss ihn abholen. Das ist ein wichtiger Punkt.  #00:32:29-3#

Ein weiterer Key Fact ist die Führung. Welchen Führungsstil nutzen wir, und wofür stehen unsere Führungskräfte? Was können sie für die Mitarbeiter tun?  #00:32:44-0#

Marco: Das sind wichtige Faktoren, die alle von den Unternehmenszielen ausgehen: eine klare Führungsstrategie, Kultur der Offenheit und Transparenz, weniger ist mehr. Einen weiteren Satz möchte ich gerne wiederholen: Etwas für die Mitarbeiter tun ist besser, als nichts für sie zu tun. Das ist der Anstoß für den ersten Schritt, wenn ich mich bisher noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Man sollte als Erstes damit beginnen, sich selbst zu hinterfragen und herauszufinden, wo der Betrieb steht.  #00:33:26-8#

Liebe Silvia, ich bedanke mich für deine Expertise und für die vielen wichtigen Inputs, die du uns heute gegeben hast. Hast du noch einige Abschlussworte oder einen Tipp für unsere Hörerinnen und Hörer?  #00:33:39-1#

Silvia: Einen Tipp habe ich noch. Ich rate jeder Unternehmerin, jedem Unternehmer oder Führungskraft, jedem, der uns zuhört: Nehmt die Verantwortung an, die ihr gegenüber Mitarbeiter und Kollegen habt, denn sie ist Teil unseres Daseins.  #00:34:06-3#

Silvia Wunder

Silvia ist Unternehmensberaterin und Organisationsentwicklerin nach Syst. Als zertifizierte & diplomierte Erwachsenenbildnerin liegen ihr die Themen Mitarbeiterstrategie und -entwicklung ganz besonders am Herzen.

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