Rätsel Jugend: Die Grundorientierung der GenZ

In der aktuellen Podcastfolge von „Smart Hotel Key“ geht es wieder mal um die Sinus-Milieus, diesmal jedoch mit einem speziellen Fokus auf die Jugend. Gemeinsam mit Bertram Barth und Alexandra Mossakowski von der INTEGRAL Markt- und Meinungsforschungsgesellschaft werden die Ergebnisse des Trendreports „Next Generation Hotels“ beleuchtet. Dieser Trendreport untersucht die Urlaubsbedürfnisse der Generation Z (GenZ). Die Folge bietet tiefe Einblicke in die unterschiedlichen Jugendmilieus, ihre Werte und ihre Bedeutung für die Tourismusbranche. Besonders im Fokus stehen die Kosmopolitischen Individualisten und Progressiven Realisten, die als prägende Gruppen für das Reiseverhalten der Zukunft gelten. Ein spannendes Gespräch für alle, die verstehen möchten, wie man die junge Generation erfolgreich als Gäste gewinnt.

 

 

 

Kernaussagen des Interviews

  • Sinus-Milieus und Jugendmilieus: Die Sinus-Milieus sind Wertegemeinschaften, die sich durch ähnliche Lebensauffassungen und Grundhaltungen auszeichnen. Für die Jugend gibt es spezielle Jugendmilieus, die eine wichtige Zielgruppe für die Tourismusbranche darstellen.
  • GenZ und Milieus: Die Generation Z (1997-2012 geboren) kann zwar als Altersgruppe beschrieben werden, aber sie ist keine homogene Einheit. Innerhalb der GenZ gibt es verschiedene Milieus, die unterschiedliche Werte und Lebensstile repräsentieren.
  • Kosmopolitische Individualisten und Progressive Realisten: Diese beiden Jugendmilieus sind besonders prägend und sichtbar in der Öffentlichkeit. Sie stehen für unterschiedliche, aber bedeutende Zukunftstrends und sind Leitmilieus für die Jugend.
  • Milieuspezifische Unterschiede: Die verschiedenen Jugendmilieus haben unterschiedliche Reisebedürfnisse und Urlaubspräferenzen. Zum Beispiel suchen die Performer nach Abenteuer und Action, während die Adaptiv-Pragmatische Mitte Wert auf Sicherheit und Erholung legt.
  • Mediennutzung der Jugend: Jugendliche nutzen im Schnitt häufiger digitale Kanäle als die Gesamtbevölkerung. Die Kanäle und Medien, die sie konsumieren, sind jedoch stark milieuspezifisch.
  • Nachhaltigkeit und Reisen: Die Progressiven Realisten sind eine Gruppe, die stark auf Nachhaltigkeit fokussiert ist. Sie sind neugierig auf die Welt, aber zugleich auch umweltbewusst, was sie zu einer wichtigen Zielgruppe für nachhaltigen Tourismus macht.
  • Zukunft der Reisebranche: Die Kosmopolitischen Individualisten und Progressiven Realisten werden in der Zukunft eine zentrale Rolle im Reiseverhalten spielen. Ihre Werte und Ansprüche sind wegweisend für die Entwicklung neuer touristischer Angebote.
  • Zielgruppenspezifische Ansprache: Eine erfolgreiche Ansprache der Jugend im Tourismus erfordert eine genaue Fokussierung auf spezifische Milieus. Es reicht nicht aus, die gesamte GenZ als eine einheitliche Zielgruppe anzusehen.
  • Generationsübergreifende Ansprache: Die Kommunikationsstrategie für jüngere und ältere Zielgruppen kann vergleichbar sein, insbesondere in der Tonalität und Argumentation, muss jedoch an die jeweiligen Lebensstile angepasst werden.
  • Wichtigkeit der Zielgruppenarbeit: Um erfolgreich zu sein, müssen Tourismusunternehmen ihre Zielgruppen genau kennen und verstehen. Dies gilt besonders bei der Ansprache der vielfältigen Jugendmilieus.

GenZ - Jugend Milieus

Transkript der Podcast-Folge

Marco: Hallo Alexandra, hallo Bertram, ich freue mich sehr, dass wir euch wieder bei Smart Hotel Key begrüßen dürfen, und zwar bereits zum vierten Mal. Ihr seid quasi Dauergäste in unserem Podcast. Auch heute geht es um die Sinus-Milieus, allerdings erweitert um das Feld der jugendlichen Personengruppen. Ihr habt an unserem kürzlich erschienenen Trendreport „Next Generation Hotels“ intensiv mitgearbeitet. Bevor wir in die Tiefe gehen, stellt euch doch bitte kurz vor und erzählt uns, womit ihr euch tagtäglich beschäftigt.  #00:02:09-6#

Bertram: Ich bin Bertram Barth, Geschäftsführer von Integral und beschäftige mich schon mein ganzes Berufsleben lang mit Markt- und Sozialforschung. Dazu gehören die Themen Wertewandel, gesellschaftliche Veränderungen und Lebensstile, die als Basis für die Einteilung in die Sinus-Milieus dienen. Sie sind ein Modell von Wertegemeinschaften und bringen die jeweiligen Gruppierungen unserer Gesellschaft auf den Punkt.  #00:02:35-6#

Alexandra: Ich bin Alexandra Mossakowski und seit 21 Jahren bei der Integral Marktforschung beschäftigt. Dort arbeite ich als qualitative Forscherin und unterstütze unsere Kunden bei ihren Anliegen und Fragen. Dazu nehme ich unsere Studien zu Hilfe. Sehr gerne begleite ich die Kunden anschließend auch bei strategischen Fragen, insbesondere, wenn es um Zielgruppen und Sinus-Milieus geht. Das sind die täglichen Arbeitsaufgaben, die auf meinem Schreibtisch landen.  #00:03:07-5#

Marco: Bertram, du arbeitest bereits seit über 20 Jahren für Integral, also fast seit der Geburtsstunde der Sinus-Milieus. Wie lange werden Wertegemeinschaften bereits untersucht? #00:03:12-4#

Bertram: Die Sinus-Milieus wurden bereits Ende der 1970er Jahre in Deutschland entwickelt, und zwar als Reaktion auf eine zunehmende Komplexität der Unterscheidungen von Menschen nach soziodemographischen Aspekten wie Alter, Geschlecht und Bildung. Über die althergebrachten Einteilungen ließen sich keine klaren Gruppen mehr definieren. Deutsche Forscher, allen voran der Psychologe Horst Nowak, der das Sinus-Institut gegründet hat, erarbeiteten neue Muster, die erkennen lassen, wie Menschen zu Gruppen zusammenkommen. Die Sinus-Milieus sind die bekannteste Form der sozialen Gruppierungen, die gemeinsame Werte teilen. Die Menschen teilen ähnliche Grundhaltungen und Lebensauffassungen.  #00:04:22-8#

Marco: Das ist nicht nur für die Definition der Zielgruppen, sondern gerade im Tourismus auch für die Ansprache der Kundengruppen sehr wichtig. Vielleicht haben unsere Hörerinnen und Hörer schon einmal etwas über Performer oder Postmaterielle gehört, aber für diejenigen, die gerne mehr über die Sinus-Milieus erfahren möchten, verlinke ich die jeweiligen Podcastfolgen in den Show Notes und im Blogbeitrag.  #00:04:54-6#

Heute soll es um die Jugend gehen. Die GenZ ist per se kein Milieu. Bertram, du hast beschrieben, dass es bei der Einteilung der Milieus nicht nur um Alterskohorten geht, sondern um die verschiedenen Wertegemeinschaften. Kann man die GenZ als Zielgruppe erfassen und beschreiben?  #00:05:12-4#

Bertram: Man kann Personen natürlich in Altersgruppen einteilen. Die GenZ definiert diejenigen, die zwischen 1997 und 2012 geboren sind, also die heute Zwölf- bis Siebenundzwanzigjährigen. Es reduziert Komplexität, wenn man sie in eine Gruppe packt und ihnen das Label GenZ verleiht. Die Vertreter dieser Generation haben bestimmte Gemeinsamkeiten. Die meisten von ihnen sind in einem selbstverständlichen Wohlstand aufgewachsen, in einer globalisierten Welt mit fortschreitender Digitalisierung. Wobei die Globalisierung in den vergangenen Jahren in Kritik geraten ist. Die GenZ ist in einer Gesellschaft groß geworden, in der Zukunftsängste und Krisen zunehmend eine Rolle spielen. Das große Narrativ unserer aktuellen Zeit lautet, dass unser Wohlstand bedroht ist. Daraus folgend haben sie ein großes Sicherheitsbedürfnis ausgeprägt. Sie sorgen sich um die globale Zukunft, sind jedoch optimistisch, was ihre eigene Zukunft angeht. Was sie in den Medien hören, geben wieder, nämlich, dass alles den Bach runtergeht. Das ist natürlich überspitzt ausgedrückt, aber es ist das Grundgefühl dieser Altersgruppe.  #00:07:20-9#

Gleichzeitig kann man nicht sagen, dass es sich um eine bestimmte Generation handelt, die sich von anderen massiv unterscheidet. Wir stellen fest, dass es zwischen weiter entfernt liegenden Generationen, beispielsweise der GenZ und den Babyboomern, nur sehr wenige Unterschiede gibt. Vielmehr gibt es innerhalb der Generation selbst große Abweichungen. Das zeigen auch die Sinus-Milieus.  #00:07:57-7#

Marco: Das ist sehr spannend. Du hast einige Gemeinsamkeiten der GenZ beschrieben. Die äußeren Einflüsse der Gruppen, die in einer ähnlichen Zeit aufwachsen, wirken sich auf das Selbstverständnis und das Wertegefüge aus. Aber innerhalb einer Generation gibt es verschiedene Wertegemeinschaften, die sich wiederum zu eigenen Milieugruppen clustern lassen. Ihr habt für die Jugend so genannte Jugendmilieus herausgearbeitet. Sind die mit den Sinus-Milieus deckungsgleich oder gibt es Unterscheidungen?  #00:08:38-7#

Bertram: Sie sind ein Ausschnitt des gesamten Milieusystems und weitgehend ähnlich. Die Werte, auf Basis derer die Milieus definiert sind, bleiben das ganze Leben lang gleich. Aber die Ausprägung und der Einfluss auf den individuellen Lifestyle ändert sich mit dem Lebensalter. Den Unterschied zwischen jugendlichen und älteren Milieus machen die konkreten Alltagspraktiken deutlich. Es gibt nur sechs Jugendmilieus und keine zehn wie in der Gesamtbevölkerung. Bei den Jüngeren, die wir als unter Dreißigjährige zusammenfassen, sind bestimmte Milieus selten vorhanden. Stark ausgeprägt sind die sehr wichtigen Zukunftsmilieus der Kosmopolitischen Individualisten und der Progressiven Realisten. Sie machen in der Gesamtbevölkerung 6 bis 7 Prozent aus, bei den Jungen hingegen 14 bis 15 Prozent.  #00:09:59-7#

Diese beiden Gruppen sind sehr wichtig für die Gesamtbeschreibung der Jugend, denn sie sind sehr aktiv und damit in der Öffentlichkeit sichtbar. Sie werden oft bezeichnend für „die Jugend“ verwendet, obwohl sie nur ein Teil der Generation ausmachen. Die Kosmopolitischen Individualisten sind sehr extrovertiert und nehmen besondere Rollen ein. Diese Gruppe ist sehr präsent und prägt damit die Meinung, dass die Jungen nur darauf aus sein, ihren Lifestyle zu leben.  #00:10:37-0#

Auf der anderen Seite gibt es die Progressiven Realisten, die ihre Themen ebenfalls in die Gesellschaft tragen. Es handelt sich um verantwortungsbewusste junge Leute, die sich für Nachhaltigkeit und für die Anerkennung sexueller Identitäten einsetzen. Auch die Progressiven Realisten prägen ein Bild in der Öffentlichkeit. Viele denken, dass alle jungen Menschen nachhaltigkeitsorientiert sind, was tatsächlich jedoch nicht der Fall ist. Der Fokus auf Nachhaltigkeit ist bei Jungen und Älteren gleich ausgeprägt. Die jungen Progressiven Realisten fallen jedoch eher als andere Milieus auf, weil sie sehr aktiv sind. #00:11:36-7#

Marco: Sowohl die Kosmopolitischen Individualisten als auch die Progressiven Realisten sind in den Medien sichtbar. Außerdem ist ihre Gruppe im Gesamtbevölkerungsschnitt überproportional vertreten. Ist das richtig?  #00:11:48-2#

Bertram: Ja, das ist richtig und definiert für die jungen Menschen eine gewisse Leitfunktion. Sowohl in der jüngeren als auch in der älteren Gruppe gelten sie als Vorbilder. Das Style-Bewusstsein der Kosmopolitischen Individualisten ist sehr attraktiv auch für Jugendliche aus anderen Milieus. Die Progressiven Realisten mit ihrer Umweltbesorgtheit und der selbstbewussten Betonung auf eine gerechtere Gesellschaft sind wiederum relevant für andere junge Menschen. Das bedeutet, dass ihre Werte und Ideen eine überproportionale Bedeutung haben.  #00:12:31-0#

Marco: Beide Gruppen sind als Leitmilieus anzusehen.  #00:12:34-0#

Bertram: Ja, ihre Themen prägen Leitmilieus innerhalb der Gruppe der Jüngeren.  #00:12:39-5#

Marco: Vielen Dank. Beim Trendreport haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie wir diese Erkenntnisse für die Reisemotivation und für die Urlaubsplanung junger Menschen nutzen können. Wo sind die milieuspezifischen Unterschiede, wenn es darum geht, die Jugend als Gäste zu erreichen? Sie werden in absehbarer Zeit mindestens ein Drittel unserer Reisenden ausmachen. Was bedeutet das für die Hotellerie?  #00:13:23-5#

Alexandra: Die Grundorientierung wirkt sich natürlich auch auf die Motivation und auf die Urlaubsplanung der jungen Menschen aus. Die Grundorientierung beeinflusst alle Lebensbereiche, zum Beispiel das Verhalten in Bezug auf die Nachhaltigkeit, die Arbeitssituation oder die Aktivitäten, denen man nachgeht. Die persönliche Einstellung ist eine ganz wichtige Basis.

Ein Milieu, das wir noch nicht genannt haben, sind die Performer, mit 15 Prozent auch ein großer Teil der unter Dreißigjährigen. Ihr Leitmotiv lautet, „work hard, play hard“. Sie arbeiten viel und erwarten eine angemessene Belohnung, um ein intensives, interessantes Leben führen zu können.  #00:14:18-6#

Im Urlaub möchten sie Action und Abenteuer erleben und immer wieder neue Orte kennenlernen. Es ist ihnen wichtig, den Peers zu Hause von einem spannenden Urlaub erzählen zu können. Und auch die Inszenierung ist wichtig, denn sie wollen genießen.  #00:14:49-3#

Auf der anderen Seite gibt es das Milieu der Adaptiv-Pragmatischen Mitte, das bei den unter Dreißigjährigen mit 21 Prozent ebenfalls stark vertreten ist. Die Adaptiv-Pragmatischen haben kein Bedürfnis nach Abenteuern. Ihr Leitmotiv lautet „eins nach dem anderen“. Ihnen geht es um das Wohlbefinden und um die Harmonie im Familien- und Freundeskreis. Urlaub ist für sie eine gelungene Kombination aus Erholung, Unterhaltung und Wellness, überzuckert mit einer Portion Sicherheit. Sie fühlen sich in der gewohnten Umgebung wohl und haben deshalb ein hohes Stammgästepotenzial. Man findet sie oft in Cluburlauben, wo ein abgestecktes System die Planbarkeit unterstützt und trotzdem Spaß und Erholung bietet.  #00:16:15-6#

Marco: Als Hotelier oder Tourismusunternehmen muss ich mich drauf einstellen, mit welchem Angebot ich welches Jugendmilieu anspreche und wo ich es erreiche. Meine subjektive Wahrnehmung ist, dass die GenZ andere Kanäle nutzt als die Generationen vor ihnen. In der Gästeansprache bieten sich milieuübergreifend mehr Gemeinsamkeiten als in der Angebotsgestaltung.  #00:16:52-0#

Alexandra: Die unter Dreißigjährigen sind im Schnitt öfter im digitalen Bereich unterwegs als die Gesamtbevölkerung. Diesen Unterschied finden wir auch in den traditionellen Milieus. Dabei muss man jedoch genau prüfen, welche Kanäle von den Jugendlichen tatsächlich genutzt werden. Ich verweise hierzu auf unsere Jugendstudie, in der wir das Nutzungsverhalten auf die einzelnen Kanäle und Magazine heruntergebrochen haben. Dort zeigen wir, wo genau die Gruppen unterwegs sind.  #00:17:21-4#

Marco: Magazine spielen bei dieser Gruppe noch eine Rolle?  #00:17:23-8#

Alexandra: Ja, Print-Magazine spielen auch bei den Jüngeren weiterhin eine Rolle. Aber natürlich ist das jeweilige digitale Pendant besonders wichtig. Bertram hat die Kosmopolitischen Individualisten und die Progressiven Realisten angesprochen. Von ihnen gehen die Trends aus. Wenn im digitalen Bereich etwas Neues aufkommt, dann sind sie die Ersten, die etwas ausprobieren. Sie bereiten die Trends für die Mehrheit der jungen Leute vor, und wenn sich etwas bewährt, wird es von den Adaptiv Pragmatischen und Konservativ-Nostalgischen übernommen. Je massentauglicher Neuerungen sind, desto eher finden sie sich in der Mitte der Gesellschaft wieder. Adaptiv-Pragmatische sind sicherheitsorientiert, und sie vertrauen großen Marken, auch im Medienbereich. #00:18:33-6#

Bertram: Wir können die Ansprache der jugendlichen Milieus nutzen, um auch die Älteren mitzunehmen. Zwar gibt es Unterschiede, was das Ausmaß der Digitalisierung der Kanäle betrifft, aber die Tonalität der Ansprache und die Argumentation sind vergleichbar, sei es beim Zwanzigjährigen Adaptiv-Pragmatischen oder beim Vierzig- oder Fünfzigjährigen. Sicherheit und Vertrautheit ist bei den Adaptiv-Pragmatischen in jedem Lebensalter wichtig.

Natürlich müssen wir die Kommunikationskanäle und auch die Aktivitäten, die vor Ort angeboten werden müssen, anpassen, da die konkrete Umsetzung in Bezug auf den jeweiligen Lifestyle vom Alter abhängig ist.  #00:19:28-4#

Marco: Dazu möchte ich noch eine Frage nachschießen. Ihr habt die Progressiven Realisten erwähnt, die gerade bei den Jugendmilieus überproportional vertreten sind. Bei den Sinus-Milieus gibt es diese Gruppe erst seit Kurzem. Sie haben sich nach dem neuesten Update herauskristallisiert. Das sind diejenigen, die Nachhaltigkeit ernster als alle anderen Gruppen nehmen. Spielen sie reisetechnisch in der Zukunft überhaupt noch eine Rolle in einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Reisen nicht mehr zusammenzupassen scheint?  #00:20:03-0#

Alexandra: Die spielen auf jeden Fall eine Rolle, denn zur Grundorientierung der Progressiven Realisten gehört eine große Portion Neugier auf die Welt, kombiniert mit einem hohen Anspruch an Umweltschutz, Klimaschutz und Diversität. Diese Werte verknüpfen sie sehr pragmatisch nach dem Motto „Party und Protest“. Sie sind überdurchschnittlich an Urlauben interessiert, aber derzeit fehlen ihnen noch die finanziellen Ressourcen. Viele von ihnen befinden sich in der Berufsausbildung. Außerdem fragen sie danach, ob eine Fernreise wirklich nötig ist. Das ist die gute Nachricht für den österreichischen Tourismus, denn das macht diese Gruppe besonders attraktiv. Innerhalb von Österreich muss man nicht mit dem Flugzeug reisen. Diese Interessensgruppe wird bei ihrer Reiseplanung das Thema Umweltfreundlichkeit zunehmend berücksichtigen. Sie sind eine wichtige Zielgruppe für den Tourismussektor.  #00:21:35-1#

Bertram: Es ist auch eine Gruppe, die prägend ist für das Reisen der Zukunft. Man kann im Moment die Klimakrise noch sehr gut beiseiteschieben, aber auf Dauer kann man das Problem nicht ignorieren. Nachhaltigkeit wird in den kommenden Jahren mehr und mehr thematisiert werden müssen, vor allem von der Tourismusbranche.  #00:22:18-2#

Alexandra hat gerade erklärt, wie man das bereits heute an den Progressiven Realisten beobachten kann. Ein starkes Reisebedürfnis geht einher mit dem Fokus auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Diese Erwartung an eine Kompromissbildung wird wegbereitend für die Zukunft sein.  #00:22:39-3#

Marco: Die Progressiven Realisten hinterfragen, wenn sie auf Reisen sind, die Dinge stärker als alle anderen Milieus. Das führt uns zu einem Thema, das wir vor zwei Jahren mit dem Trendreport „Grüner wirds nicht“ untersucht haben. Es ging darum, wie über Nachhaltigkeit gesprochen wird im Vergleich dazu, was authentische Nachhaltigkeit tatsächlich bedeutet. Das ist gerade für dieses Milieu extrem relevant.  #00:23:09-8#

Alexandra: Innerhalb der jungen Milieus sind das auf jeden Fall die Progressiven Realisten, und im gesamten Hotelbereich gibt es natürlich noch die Postmateriellen, die ebenfalls eine Rolle spielen. Unter den Jungen sind es die Progressiven Realisten, die hier wegbereitend sind. Sie wollen Themen neu denken und gleichzeitig pragmatisch und konsequent sein.  #00:23:35-5#

Marco: Vielen Dank. Ganz allgemein gefragt, wie können Tourismusunternehmen die Vielfalt der Jugendmilieus in ihrer Marketingstrategie abbilden? Oder ist es doch nötig, sich wieder auf die einzelnen Milieus fokussieren?  #00:23:51-4#

Alexandra: Es ist so wie bei allen Zielgruppen: Man kann nicht alle gleichermaßen bedienen, denn „wer alle anspricht, spricht niemanden an“. Das gilt genauso für die junge Generation. Zielgruppenarbeit, egal für welches Alter, bedeutet für das Unternehmen immer, sich zu fokussieren. Daran kommt man auch bei den Jungen nicht vorbei.  #00:24:23-5#

Marco: Schön, dass du das bestätigst. Ich bin kein Freund davon, lediglich eine einzige Gruppe wie die GenZ anzusprechen. Aber ich kann versuchen, die Adaptiv-Pragmatischen und die Digitalen Individualisten oder die Performer aus der GenZ anzusprechen, entweder mit einer generellen Ausrichtung auf die Jugend oder generationsübergreifend diejenigen, die in ähnlichen Milieus behaftet ist.  #00:24:52-6#

Alexandra: Unsere Kollegin Silke Borgstedt vom Sinus Institut Berlin hat einmal gesagt: Generationen sind keine Zielgruppen. Eine Zielgruppe muss man sich aussuchen, auch wenn man sich nur an die Jungen wenden möchte. Am besten fokussiert man ein bis drei Zielgruppen, lernt sie kennen und versteht, was sie bewegt. Anschließend kann ich meine Angebote und meine Kommunikation daran ausrichten, um entsprechende Angebote für die Gäste-Experience zu schaffen. Es gibt ganz starke Akzentuierungen. Wenn ein Performer in der Ansprache einen langweiligen Fließtext liest, dann steigt er aus. Die Information muss auf der ersten Ebene transportiert werden, am besten mit einem guten, vielsagenden Bild.  #00:25:53-9#

Die Kommunikation mit den Kosmopolitischen Individualisten muss pfiffig sein und ein gewisses Extra enthalten, das ihre Lifestyle-Ambitionen und die Art und Weise, wie sie die Welt sehen, berücksichtigt. Eine „fade Bullet-Point-Liste“ reicht nicht aus. Von daher muss sich sicher sein, welches Milieu man ansprechen möchte, und man muss wissen, wie die Zielgruppe tickt. Das Gute an Zielgruppen ist, dass man sie sich aussuchen kann.  #00:26:29-0#

Marco: Jetzt muss ich ein „Ja, aber!“ einwerfen. Natürlich kann ich mir die Zielgruppe aussuchen, aber sie muss sowohl zur Ansprache als auch zu meiner Infrastruktur und zu den Angeboten vor Ort passen. Das kann ich nicht ändern, und deswegen muss ich mir bewusst werden, welche Zielgruppe auf mein Angebot anspricht.  #00:26:51-0#

Alexandra: Das stimmt, denn natürlich muss der Kontext zur Authentizität des Betriebes passen. Die Botschaft lautet, dass man sich mit Zielgruppen auseinandersetzen muss.  #00:27:13-0#

Marco: Das wird sich auch bei der Jugend nicht ändern. Wer die GenZ anspricht, spricht niemanden an, denn wir müssen innerhalb der Zielgruppen differenzieren.  #00:27:30-2#

Werfen wir noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Wir haben über die GenZ gesprochen. Mittlerweile ist jedoch medial bereits die GenAlpha präsent. Werden sich die Tendenzen mit einem hohen Anteil an Progressiven Realisten und Kosmopolitische Individualisten in Zukunft fortsetzen? Wird die Nachhaltigkeit weiterhin das Leitthema sein?  #00:27:51-0#

Bertram: Wir sehen bei den jungen Menschen ein zunehmendes Selbstbewusstsein. Sie sind sowohl als Kunden als auch auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Die Situation ist ganz anders als bei den Babyboomern, die es schwer hatten, einen Job zu finden, weil es so viele von ihnen gab. Heutzutage sind junge Menschen, die eine Ausbildung absolviert haben, sehr gefragt. Sie verdienen bereits als Berufseinsteiger mehr als ihre Vorgängergenerationen. Das geht einher mit einem größeren Selbstbewusstsein und steigendem Wohlstand, was sich auch auf das Reiseverhalten auswirkt.  #00:28:55-9#

In der Milieudifferenzierung sehen wir die beiden Zukunftsmilieus, die Kosmopolitischen Individualisten und die Progressiven Realisten immer stärker und wichtiger werden. Die Kosmopolitischen Individualisten sind die zukünftigen Manager in den Unternehmen, und auch die Progressiven Realisten werden wichtige Positionen in der Gesellschaft einnehmen. Das heißt, wir sehen hier eine gewisse Polarität. Auf der einen Seite ein Bemühen um eine verantwortungsvolle Weiterentwicklung der Gesellschaft durch die Progressiven Realisten, auf der anderen Seite die Kosmopolitischen Individualisten, die vor allem darauf konzentriert sind, sich selbst zu verbessern. Diese Tendenzen werden in ihrer Polarität wachsen. Beide Gruppen müssen wir im Tourismus abbilden, denn sie wirken sich stark auf die Zukunft der Reisebranche aus. #00:29:59-4#

Marco: Wenn ich mein touristisches Angebot auf längere Sicht plane, dann muss ich mich intensiv mit diesen zwei Milieus beschäftigen.  #00:30:12-4#

Bertram: Auf jeden Fall mit diesen beiden Interessengruppen, aber insgesamt mit der Differenziertheit der Jugendlichen. Wenn man in die Breite geht, kommt man an den Adaptiv Pragmatischen nicht vorbei.  #00:30:28-1#

Marco: Wir sind fast am Ende angelangt. Gibt es noch etwas Wichtiges, das ihr rund um Jugend und Milieus loswerden wollt? Gibt es ein Fazit oder Tipps für Hoteliers? Die letzten Momente des Podcasts gehören euch.  #00:30:43-8#

Alexandra: Vielen Dank. Über die GenZ liest man täglich medial in den unterschiedlichsten Aspekten. Mir ist es sehr wichtig zu betonen, nicht in die Falle zu tappen und zu glauben, dass alle gleich sind. In den Durchschnittswerten verlieren sich wichtige Akzentuierungen. Die Jugend ist viel heterogener, als sie scheint. Das ist nicht nur bei den medial stark repräsentierten Milieus der Kosmopolitischen Individualisten und Progressiven Realisten der Fall. Es gibt auch andere wichtige Gruppen, die medial eher unsichtbar sind, zum Beispiel die Konservativen, die nostalgisch denken. Die darf man nicht vergessen. Die Botschaft lautet: Die Jugend ist nicht homogen, und es gibt viele unterschiedliche Lebenswelten, die sie mit anderen Generationen verbinden. Wie bei jedem Unternehmen, das sich mit seiner Zielgruppe auseinandersetzt, gilt es, die potenziellen Kunden kennenzulernen und diese Erkenntnisse anzuwenden. Man streckt die Hand aus und macht ein Angebot, das marktgerecht gestaltet ist. Ein wichtiges Werkzeug dafür sind die Sinus-Jugendmilieus.  #00:32:24-5#

Marco: Ich danke euch herzlich für eure heutige Expertise. Alles Wissenswerte wie den Trendreport und die Infos zu Integral und den Sinus-Milieus werde ich im Blogbeitrag verlinken. Ich freue mich schon darauf, wenn wir uns spätestens in einem Jahr zu einem Update-Thema wiederhören. Liebe Alex, lieber Bertram, vielen Dank für das Gespräch.  #00:32:48-0#

Weiterführende Informationen

Integral versteht Marktforschung als einen ganzheitlichen Prozess, der bei der Erhebung der Daten beginnt, welche erst durch ihre Übersetzung in Information Mehrwert bieten. Integral steht für ein motiviertes Team mit langjähriger und umfassender Marktforschungserfahrung.

Im August 2009 übernahm INTEGRAL die Anteilsmehrheit des Heidelberger SINUS-Instituts. Sinus-Milieus® sind Zielgruppen, die es wirklich gibt – ein Modell, das Menschen nach ihrer Grundhaltung und Lebensweise gruppiert. Die Sinus-Milieus® betrachten die realen Lebenswelten der Menschen

 

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