LGBTQIA+ Tourismus vor den Vorhang

Österreich hat erst verhältnismäßig spät begonnen, an der Gleichstellung der homosexuellen Bevölkerung zu arbeiten. Nicht zuletzt aufgrund der sich doch verbessernden gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Etablierung von über die Landesgrenzen hinaus bekannten Events nimmt auch der LGBTQIA+ Tourismus mittlerweile einen wichtigen Stellenwert ein.

Es haben sich in Folge viele Events, vor allem schwule Clubbings, etabliert, die Hotellerie hat sich mit speziellen Angeboten und einem vermehrten Bekenntnis zur „gay-friendliness“ zu positionieren versucht und der Wien Tourismus hat den schwulen und lesbischen Tourismus stark thematisiert.

Die LGBTQIA+ Community splittet sich bei genauer Betrachtung noch in viele Subkulturen auf, die gerne unter sich sind und sich durch den Begriff LGBTQIA+ auch oft nicht gemeinsam vertreten fühlen. Werbetechnisch können sie trotzdem gemeinsam angesprochen werden. Vergessen wird bei Betrachtung der zahlungskräftigen schwulen Zielgruppe oft, dass es Schwule und Lesben in allen Gesellschaftsschichten gibt.

Speziell Wien wird im Allgemeinen als sehr weltoffene Stadt wahrgenommen, in der Vereine einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Eventszene leisten. In der Hotellerie wird oft versucht, die Bedürfnisse der Zielgruppe mit der Definition „gay-friendly“ zu befriedigen, ohne im Detail darüber nachzudenken, was aus unternehmerischer Sicht dafür getan werden muss.

Aus diesem Grund habe ich mich 2017 und 2018 auch vertieft mit der Materie beschäftigt und meine Masterarbeit dem touristischen Einfluss von homosexuellen Events (vor allem in Wien) gewidmet. Wobei Homosexualität ja nur einen kleinen Teil der Diversität widerspiegelt, die unter dem Begriff LGBTQIA+ verstanden wird.

Was ist LGBTQIA+ Tourismus?

Während im Allgemeinen zumeist nur zwischen Hetero- und Homosexualität unterschieden wird, muss man bei der Spezifizierung einen Schritt weiter gehen. Mit der Unterteilung der Community in Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual.  wird aufgezeigt, dass die Unterscheidungsmerkmale zwischen Mann und Frau oft verschwindend gering sein können. Als LGBTQIA+ Community versteht man somit jenen Personenkreis, der sich selbst als lesbisch (Lesbian), schwul (Gay), bisexuell, transgender/transsexual, intersexuell, asexuell oder queer bezeichnet.

Die durch Studien erhobenen Erkenntnisse über die angenommene, höhere Kaufkraft der willkommenen Zielgruppe lassen zu dem Schluss kommen, dass der LGBTQIA+ Markt, rein wirtschaftlich gesehen, eine Fülle an Absatzmöglichkeiten und potentiellen Neukunden und Neukundinnen bzw. neuen Gästen bietet.

Welche Erkenntnisse konnten in der Masterarbeit gewonnen werden?

Von besonderer Bedeutung scheint die politische Entwicklung zu sein, die alle Interviewpartner gleichermaßen als besorgniserregend ansehen. Mehr Rechte für Schwule und Lesben waren geschichtlich zwar essentiell für die Entwicklung der Eventbranche, aber es besteht die akute Befürchtung vor politisch motivierter negativer Veränderung.

Die Untersuchung liefert mit der Erkenntnis, dass Wien im internationalen Vergleich noch viel Aufholbedarf hat, ein unerwartetes Ergebnis. Veranstaltungen wie der Life Ball oder die Regenbogenparade prägen zwar die öffentliche Wahrnehmung Wiens, doch dürfte die Gleichstellung im gesellschaftlichen Denkwesen noch lange nicht angekommen sein. In Metropolen wie Berlin, Barcelona, London und vor allem Tel Aviv sei die schwule und lesbische Szene bereits viel verbreiteter und in die Gesellschaft integriert.

Nach Auswertung der Interviews und Interpretation der Ergebnisse stellte ich folgende Hypothesen auf:

  • Die politische Stimmung hat einen Einfluss auf die Nächtigungen durch LGBTQIA+.
  • Gezieltes und authentisches LGBTQIA+ Marketing hat einen positiven Einfluss auf die Nächtigungen eines Hotels.
  • Die mediale Berichterstattung trägt zu einem verfälschten Bewusstsein der Gesellschaft über Schwule und Lesben bei.
  • Der Anteil an heterosexuellen Gästen auf LGBTQIA+ Events nimmt stetig zu (Die Zielgruppen vermischen sich).

Fazit und Empfehlungen

Aus den bisher vorliegenden Daten können bereits folgende Handlungsempfehlungen für die spezifische Ansprache der LGBTQIA+ Community abgeleitet werden:

  • Kommunikation auf Augenhöhe und professionelle Betreuung wie bei jedem Gast.
  • Wissen über Events, Bars und Insider-Tipps vermitteln.
  • Auf Kleinigkeiten wie zusammengeschobene Betten achten.
  • Werbeeinschaltungen in einschlägigen Führern.
  • Nutzung von eindeutigen Icons in der Kommunikation.
  • Beschäftigung mit Suchmaschinen-Optimierung, um von der LGBTQIA+ Community auch gefunden zu werden.

Exkurs zur gesetzlichen Entwicklung

Wie eingangs angesprochen hat Österreich erst ziemlich spät mit der gesetzlichen Gleichstellung begonnen. Deutlich wird dies bei einem Blick auf das österreichische Strafrecht, wo das seit 1852 bestehende Gesetz, das Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts mit bis zu 5 Jahren schwerem Kerker bestraft hat, erst 1971 abgeschafft wurde. Die darauffolgenden vier Ersatzparagrafen sollten das davor existente Totalverbot der Homosexualität auflockern. 2004 wurde schließlich eine EU-Richtlinie im Gleichbehandlungsgesetz zum Schutz vor Diskriminierung im Arbeitsleben aufgrund der sexuellen Orientierung umgesetzt. 2010 folgte die Einführung des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes (EPG). Seit 2013 ist es möglich, dass gleichgeschlechtliche Paare Stiefkinder adoptieren und seit 2015 ist die medizinisch unterstützte Fortpflanzung für lesbische Paare erlaubt.

Die neueste, gesetzliche Änderung im Kampf um Gleichstellung trat mit 1. Jänner 2016 in Kraft und besagt, dass auch gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam Kinder adoptieren dürfen und es hier keinerlei Unterschiede mehr zwischen gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren gibt. Mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2017 hat der Verfassungsgerichtshof zudem die unterschiedlichen Regelungen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare mit Ablauf des 31. Dezembers 2018 aufgehoben. Somit können seitdem auch gleichgeschlechtliche Paare in Österreich heiraten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diesen Artikel teilen:

We are social

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Du hast Fragen zu den Schlüsselthemen der Hotellerie?

Neugierig?

Hier findest du noch weitere spannende Artikel

Resonanztourismus
Strategie & Marke

Resonanztourismus

Resonanztourismus: Eine neue Ära der Gastfreundschaft und Sinnfindung In der heutigen Sinngesellschaft, geprägt durch einen unstillbaren Wissensdurst und den Wandel von materialistischen zu wertorientierten Lebensansätzen,

WEITERLESEN »
Leadership Ferienhotel
Betrieb & Organisation

Leadership in der gehobenen Ferienhotellerie

Im dynamischen Umfeld der gehobenen Ferienhotellerie stehen Führungskräfte vor vielfältigen Herausforderungen. Die Entwicklungen der Digitalisierung, ein markanter Wertewandel unter den Mitarbeitern, und die zunehmende Integration

WEITERLESEN »
Preis & Vertrieb

Benchmarking für die Gastronomie

In einer Zeit, in der die Gastronomiebranche vor zahlreichen Herausforderungen steht, von der Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie bis hin zur Notwendigkeit einer nachhaltigen Transformation,

WEITERLESEN »