Herausforderungen in der Hotelküche

Das Thema der Woche betrifft die Herausforderungen in der Hotelküche. In vergangenen Podcastfolgen haben wir uns bereits mit der Digitalisierung der Warenwirtschaft, des Einkaufs und der Abläufe im Lager beschäftigt, also mit allem, was zur Vorbereitung einer Hotelküche wichtig ist. Heute stehen die Abläufe in der Küche, die Mitarbeiter und die gastronomische Gestaltung der Speisekarte im Vordergrund. Und auch dafür wurde ein absoluter Spezialist der Materie zum Interview gebeten.

Stefan Oberdacher ist gelernter Koch und war später langjährige IT-Führungskraft. Heute ist er Unternehmensberater und Inhaber von SO Optimal Consulting. Er beschäftigt sich im täglichen Geschägt hauptsächlich damit, wie man die Abläufe in Großküchen optimieren kann. Für die aktuelle Podcast-Folge hat er spannende Insights mitgebracht und erklärt uns, wie man die Organisation der Hotelküche verbessern kann und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt.

 

 

 

Kernaussagen des Interviews

  • Das Produkt muss stimmen, und die Gäste von heute sind exklusiver geworden. Auch die Erwartungen sind gestiegen.
  • Das gastronomische Hotelangebot hat sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert. Die Hotels sind moderner und regelrechte Trendsetter geworden, was Ausstattung und Personal betrifft.
  • Man kann das beste Equipment in der Küche einsetzen, aber wenn ich keine Häuptlinge und Indianer in der Küche habe, die es anwenden können, dann wird auch die neueste Technologie nichts bringen.
  • Qualität ist das A und O, denn nur mit guten Produkten kann ich gute Ergebnisse erzielen.
  • Die Herausforderung besteht darin, die Prozesse so zu gestalten, dass ich mit weniger Personaleinsatz das Gleiche produzieren kann.
  • Die Küche muss so geplant werden, dass man unnötige Wege vermeidet. Der Koch wird bezahlt, weil er viele Stunden im Betrieb verbringt und nicht, weil er viele Meter läuft.
  • Wenn man den Beruf marketingtechnisch und auch von der Politikseite attraktiver machen könnte, dann würde man wieder mehr Interessenten für die Ausbildung finden.

Transkript der Podcast-Folge

Marco: Ist es in großen Hotels Standard, dass man die Gerätschaften „intelligent“ miteinander verknüpfen kann?    #00:03:35-2#

Stefan: Die Erfahrung zeigt, dass immer mehr Küchen auf diesen Zug aufspringen, weil man Prozesse optimieren kann. In den Küchen ist es ein großes Thema, verschiedene Abläufe miteinander zu verknüpfen. Einerseits arbeitet man digital, aber andererseits müssen auch manuelle Rezeptvorgaben bearbeitet werden, um die Wirtschaftlichkeit der Küche auf einem hohen Niveau zu halten. Wenn Speisen immer wieder nach dem gleichen Rezept gekocht werden, dann lohnt es sich, sie zu automatisieren. Dafür sind IT-Landschaften da. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die ganzen Maschinen, die in der Großküche verwendet werden, mittlerweile sehr intelligent sind und den Köchen helfen, die vielen Herausforderungen zu meistern.    #00:04:50-8#

Marco: Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass alle die gleichen Rezepturen verwenden und der Gast immer denselben Standard erhält. Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? Wird die Rezeptur digital angezeigt oder werden die Bestandteile von den Maschinen automatisch abgewogen und zusammengesetzt? Wo ist Handwerk gefragt, und wo greift die Maschine ein?    #00:05:34-2#

Stefan: Es gibt jede Menge Software der verschiedensten Global Player, die man einsetzen kann. Zunächst geht es darum, die Rezeptur festzulegen und anschließend die Prozesse zu definieren. Wie wird etwas zubereitet, und welche Stufen muss man einsetzen, um das Endprodukt herzustellen? Das fängt mit der Bestellung und mit den passenden Lieferanten an. Dabei werden Preise und Aktionen berücksichtigt. Danach erfolgt die Warenanlieferung und die Qualitätskontrolle. Anschließend geht die Ware in die Kühlhäuser. Dann gibt es die Rezepturen, die dem Mitarbeiter vorgeben, was er zu tun hat. Die Zubereitung, das Putzen des Gemüses, das Fleisch und den Fisch herrichten, das sind definierte Abläufe, die sowohl die Qualität der Produkte als auch die Einhaltung des Rezeptes sicherstellen. Der Gast merkt nicht, welcher Koch im Einsatz war.    #00:06:58-4#

Früher habe ich erlebt, dass ein Gast die Kellnerin gefragt hat, wer heute in der Küche arbeitet, und wenn sie den falschen Namen genannt hat, dann sagte der Gast, „gut, dann komme ich morgen wieder“. Die Softwareunterstützung im Hintergrund stellt sicher, dass so etwas nicht passiert. Wenn die Rezepturen gleich geschaltet sind, wenn jedes Gewürz abgewogen wird, dann schmeckt das Endprodukt immer gleich, egal, von wem es gekocht wird.    #00:07:29-2#

Marco: Werden dadurch die heiß umworbenen Starköche obsolet?    #00:07:34-2#

Stefan: Das glaube ich nicht. Die Starköche, wie man sie immer im Fernsehen sieht, haben ihre Berechtigung, weil sie Vorreiter für neue Produkte sind. Die Fernsehköche probieren sehr viel aus und geben neue Anregungen. Man kann ein neues Gericht zur Probe kochen, und wenn alles passt, wird es rezeptiert, in die Software eingegeben und kann von allen genutzt werden.    #00:08:10-5#

Marco: Das heißt, idealerweise kommt der Gast wegen der Küche in den Betrieb und nicht wegen des Kochs.    #00:08:17-9#

Stefan: Absolut richtig. Das Produkt muss stimmen, und die Gäste von heute sind exklusiver geworden. Viele Hobbyköche kennen sich sehr gut aus und kochen zu Hause selbst auf einem hohen Niveau. In den Sozialen Medien sieht man oft, welch tolle Gerichte gezaubert werden. Und natürlich, wenn sie in Urlaub fahren, dann wollen die Besucher im Hotel oder im Gasthaus hochwertiger essen als sie es von zu Hause gewohnt sind.    #00:08:54-5#

Marco: Das führt mich zu meiner nächsten Frage. Alles muss gut aussehen und gut schmecken, und viele zeigen ihre Werke in den Sozialen Medien. Man hat das Gefühl, dass einige der Hobbyköche besser sind als die Profis. Wie hat sich das gastronomische Angebot diesen Herausforderungen angepasst? Es gibt zum Beispiel den Trend zum Ende der Halbpension. Muss ich mich in Zukunft darauf einstellen, dem Gast ein individuelles Speisenangebot zu machen?    #00:09:39-0#

Stefan: Das gastronomische Hotelangebot hat sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert. Die Hotels sind moderner und regelrechte Trendsetter geworden, was Ausstattung und Personal betrifft. Auch die Erwartungen der Gäste sind gewachsen. Der moderne Gast ist weit gereist und hat in fernen Ländern außergewöhnliche Hotels kennengelernt. Die Hotellerie in Österreich hat Gas gegeben und wunderschöne Hotels eröffnet. Und wenn man ein schönes Gebäude hat, dann möchte man auch eine perfekte Küche haben. Auch bei den Speisekarten hat eine Trendwende stattgefunden. Es wird vermehrt vegetarisch oder vegan gegessen, und das ist eine große Herausforderungen für jeden Koch. #00:11:00-8#

Als ich meine Ausbildung gemacht habe, war vegetarisch oder gar vegan ein Nebenprodukt. Wir hatten nur wenige Gäste, die diesen Ernährungsstil nachgefragt haben. Heute ist es ganz normal, dass man auf der Speisekarte vegetarische und vegane Gerichte anbietet. Auf deine Frage zurückzukommen, ob die Halbpension heute noch zeitgemäß ist, ich denke, dass sie sehr wohl noch zeitgemäß ist. Viele Gäste genießen es, sich abends nach einem Wellness-, Ski- oder Wandertag auf ein schönes Menü zu freuen. Heute ist das Angebot viel größer, und die Halbpensionsmenüs sind vielfältiger geworden. Man kann zwischen verschiedensten Vorspeisen, Hauptspeisen und Desserts auswählen. Deswegen bin ich der Meinung, dass die Halbpension sehr wohl noch ihre Berechtigung hat.    #00:12:10-6#

Aber natürlich darf man nicht vergessen, dass es Gäste gibt, die à la carte essen wollen, aber trotzdem nur Halbpension bezahlen. Viele Gäste entscheiden sich gegen eine Halbpension, weil sie befürchten, sie würden immer das Teuerste auswählen. Aber das stimmt nicht. Das machen sie vielleicht am ersten Tag, aber am zweiten, dritten oder vierten Tag suchen sie sich womöglich nur einen Salat aus. Und dann ist man mit dem Wareneinsatz wieder sehr gut bedient. Tatsache ist, dass die Speisekarten auch für den Halbpensionsbereich sehr vielfältig sein müssen.    #00:12:55-8#

Marco: Die Halbpension gibt es weiterhin, aber sie wird neu interpretiert, vielleicht sogar in Verbindung mit à la carte, wie du gerade erklärt hast. Das ist ein spannender Ansatz, aber eigentlich hört sich das nach einer Menge zusätzlicher Arbeit an. Das Restaurant muss einen größeren Warenbestand auf Lager haben und hat einen hohen administrativen und organisatorischen Aufwand. Wenn ich nur eine kleine Halbpensionskarte habe, kann ich einfacher kalkulieren und muss weniger Waren vorrätig halten.    #00:13:33-2#

Stefan: Man muss natürlich differenzieren zwischen der Ferienhotellerie und der Stadthotellerie. Bei Städtereisenden habe ich kürzere Aufenthaltszeiten. Wenn ein Gast im Winter zum Skifahren zu mir kommt und eine Woche bleibt, dann ist das auf jeden Fall einfacher als in einem Stadthotel, in dem der Gast nur ein bis zwei Tage übernachtet. Da kann ein à la carte-Essen zum Halbpensionspreis nach hinten losgehen. Aber prinzipiell kann man das sehr wohl verknüpfen. Heutzutage muss man dem Gast einiges mehr bieten als früher, weil er, wie gesagt, weit gereist ist und viele verschiedene verschiedene Arten von Gastronomie erlebt hat. Es ist immer schön, wenn man etwas Neues bieten kann, und da ist es angesagt, den Gehirnschmalz zu aktivieren und neue Möglichkeiten auszuprobieren.    #00:14:28-7#

Marco: Was sind deiner Meinung nach aktuell die größten Herausforderungen in der Küche?    #00:14:47-3#

Stefan: Die größte Herausforderung sind die Mitarbeiter. Man kann das beste Equipment in der Küche einsetzen, aber wenn ich keine Häuptlinge und Indianer in der Küche habe, die es anwenden können, dann wird auch die neueste Technologie nichts bringen. Diese ganzen Gerätschaften sind zwar sehr intelligent, meist jedoch auch einfach zu erlernen. Wenn ich mir die Software der großen Gerätehersteller anschaue, wo zu 60 Prozent alle Gerichte bereits vorprogrammiert sind, dann brauche ich als Koch im Prinzip nicht viel über den Garprozess wissen. Ich muss lediglich in der Lage sein, den Startknopf zu drücken.    #00:15:39-0#

Die Herausforderung für die Hotelküche ist, die Vorbereitung zu optimieren. Und genau da schwingt das große Damoklesschwert über der Küche. Ich habe weniger Mitarbeiter, muss aber genauso viel produzieren wie früher, vielleicht sogar mehr. Die Herausforderung besteht darin, die Prozesse so zu gestalten, dass ich mit weniger Personaleinsatz das Gleiche produzieren kann. Dabei helfen neue Erkenntnisse, zum Beispiel aus dem Bereich der Verpackung, weil man gewisse Sachen vorproduzieren kann. Man kann übrigens auch selbst hergestellte Ware im Hotelshop verkaufen. Ein Beispiel wäre, eine Gewürzmischung zu kreieren, die ich für meine Currygerichte im Restaurant verwende und gleichzeitig im Hotelshop verkaufe. Das sind neue Ansätze und neue Ertragsmöglichkeiten. Allerdings müssen die Abläufe in der Küche so gestaltet werden, dass die Produktion auf einfache Art und Weise möglich ist. Wenn drei von fünf Leuten frei haben, dann kann ich wahrscheinlich nicht viel vorbereiten, weil ich mit dem täglichen Geschäft genug zu tun habe. Habe ich jedoch einen Wochenplan für die Küchenmitarbeiter, dann muss ich von vorneherein Tage festlegen, an denen ich voll besetzt bin und an denen vorproduziert werden kann.    #00:17:24-9#

Marco: Ich muss die richtigen Gerätschaften im Einsatz haben, um die Effizienz zu steigern. Dann kann ich mit weniger Mitarbeitern das Gleiche oder sogar mehr produzieren.    #00:17:38-1#

Stefan: Ganz genauso ist es.    #00:17:42-0#

Marco: Bleiben wir bei den Mitarbeitern, die nicht nur in der Küche, sondern generell im Tourismus Mangelware sind. Warum bekommen wir nur so wenig gut ausgebildete Köche?    #00:17:57-0#

Stefan: Das ist die Gretchenfrage. Wenn ich eine Lösung für dieses Problem hätte, wäre ich Multimillionär. In Österreich gibt es mehr als genug gelernte Köche. In der Vergangenheit war es so, dass man nicht immer gut mit seinen Köchen umgegangen ist. Oft haben die sich dann entschieden, auf Saisonarbeit umzusteigen oder woanders hinzugehen, wo sie mehr verdienen können und bessere Arbeitsbedingungen haben. Warum bekommt man heute kaum noch gut ausgebildeten Köche? Das liegt auch an der Politik. Man hat den Menschen in Österreich erklärt, nur ein studierter Schüler ist ein guter Schüler. Dabei hat man vergessen, dass es auch sehr gute Lehrberufe wie den des Kochs gibt, die man forcieren muss. Man hat auf die Schnelle versucht, eine Lehre mit Matura zu machen, aber das greift im Prinzip nicht. Wenn jemand einen Lehrberuf durchlaufen will, dann wird er nicht studieren. Vielleicht später auf dem Zweiten Bildungsweg, aber das ist sowieso immer möglich.    #00:19:14-7#

Das Problem ist auch, dass das Arbeiten in der Küche ein schlechtes Image hat. Das muss man auch ganz deutlich sagen. Als Hoteldirektor habe ich früher sehr viele Bewerbungen für die Küche erhalten, und da hat sich oft herausgestellt, dass es die Eltern waren, die Bedenken hatten. Die haben ihre Kinder gefragt, warum sie Koch lernen wollten und ihnen erklärt, dass sie am Wochenende, an Feiertagen und immer bis spät abends arbeiten müssten. Aber wenn wir ehrlich sind, es gibt Hunderte von Berufen, wo ebenfalls spät abends, am Wochenende und am Feiertag gearbeitet werden muss. Über diese Berufe wird nicht schlecht geredet, aber in der Küche und im Service hört man die Menschen jammern. Es gibt de facto keinen Grund, warum jemand nicht den Beruf des Kochs ergreifen soll, denn es ist einer der schönsten und kreativsten Berufe, die es gibt. Und es gibt keinen Fleck dieser Erde, wo man nicht als Koch arbeiten kann. Tourismus, Hotels und Gastronomie gibt es auf der ganzen Welt. Wenn sich jemand dafür interessiert, dann kann er viel aus diesem Beruf machen. Und wenn man heute die Löhne der Köche und Küchenchefs anschaut, dann muss man in einem anderen Beruf schon sehr viel arbeiten, um gleich zu verdienen. Aber natürlich muss man als Koch auch hart arbeiten. #00:21:01-5#

Ich habe einen guten Freund in einer Berufsschule in Tirol. Dort haben sie generell auch sehr wenig Schüler. Deswegen wäre es wichtig, dass von Seiten der Politik eine Aktion gestartet wird, dass man wieder frischen Wind in den Berufszweig hineinbringt und dass der Beruf so dargestellt wird, wie er wirklich ist, nämlich als einen kreativen Beruf, mit dem man ein Handwerk lernt. Das muss man den Schülerinnen und Schülern näherbringen. Ich bin bei zwei Kindern bei Gesprächen in den Schulen dabei gewesen, wo die Begleitlehrer tatsächlich von einer Kochlehre abgeraten haben. Auf meine Frage an die Lehrer, ob sie selbst Koch gewesen sind, habe ich ein Nein erhalten. Hier gibt es noch viel zu tun.    #00:22:08-6#

Und natürlich muss auch wieder wertgeschätzt werden, was ein Koch leistet. Wenn man den Beruf marketingtechnisch und auch von der Politikseite attraktiver machen könnte, dann würde man wieder mehr Interessenten für die Ausbildung finden. Ein guter Freund von mir ist seit 30 Jahren Koch und reist in der ganzen Welt herum. Ich bekomme immer wieder Postkarten von ihm, zuletzt aus Toronto und Shanghai. Ich habe ihn gefragt, wie er diese Jobs findet, und er sagt, es sei ganz einfach, er würde in seine Bewerbung hineinschreiben, dass er in Tirol gelernt hätte, und dieses Argument würde alle potenziellen Arbeitgeber sofort überzeugen. Das bedeutet, dass wir in Österreich eine Gastronomie haben, die weltweit anerkannt ist. Der fliegt zu keinem einzigen Bewerbungsgespräch. Sobald sie lesen, dass er seine Ausbildung zum Koch in Österreich absolviert hat, wird er eingestellt.    #00:23:00-0#

Marco: Das ist ein wichtiges Argument. Wir haben weltweit ein gutes Image, nur in Österreich selbst nicht. Ich glaube, ich muss deine Erzählung der vergangen drei Minuten noch einmal extra aus dem Podcast herausschneiden und an einige Stakeholder schicken, weil das die beste Werbung ist, die man für die Köche machen kann.    #00:23:26-7#

Stefan: Absolut, da hast du recht.    #00:23:29-0#

Marco: Image ist ein Thema, das eine wichtige Rolle spielt. Eigentlich ist es fatal, dass bereits die Lehrer von dieser Berufswahl abraten, obwohl sie selbst keine Berührungspunkte mit der Tätigkeit haben.    #00:23:54-8#

Stefan: Ich war selbst sehr überrascht darüber und habe dann auch ein eindringliches Gespräch mit diesem Begleitlehrer geführt, weil ich ihm die Vorteile unseres wunderbaren Berufs erklären wollte. Und er hat es dann auch eingesehen und gesagt, dass es eben die landläufige Meinung sei, die er vertreten hat. Man kann natürlich eine Meinung haben, aber wenn man keine Ahnung davon hat, dann ist es gescheiter, ich sage nichts dazu.    #00:24:18-7#

Marco: Gehen wir davon aus, wir sind in der glücklichen Lage, in dem Betrieb, in dem wir gerade arbeiten, genug Küchenpersonal zur Verfügung zu haben. Du beschäftigst dich sehr stark mit Prozessoptimierungen. Wo sollte man in einer klassischen Hotelküche ansetzen? Wie sollte eine Statusanalyse eines Betriebes aussehen? Was schaust du dir als Erstes an?    #00:24:54-6#

Stefan: Ich schaue mir zunächst die Abläufe in der Küche an, um mir einen Überblick zu verschaffen, mache also eine ganz normale Analyse der Ist-Situation. Wie wird was gemacht, und was wird vorbereitet? Wie organisiert sind die Köche? Wie schaut das Lager aus? Wird dort ein Lagerbuch geführt, und wird das richtige Sortiment zur Verfügung gestellt? Dann geht es zum zweiten Step und überprüft, was gekocht wird. Man schaut sich die Speisekarte an, und dann wird grundsätzlich über das Ganze drüber geschaut und Optimierungspotenzial herausgesaugt. Wenn ich sowohl à la carte als auch Halbpension anbiete, dann sollte ich Produkte vorrätig haben, die für beiden Karten genutzt werden können. Dadurch spare ich mir unnötige Arbeitsschritte.    #00:26:06-8#

Zu diesem Schritt gehört eine klare Definition der Prozesse. Wann mache ich was, und kann ich bestimmte Produkte schon am Vortag zubereiten? Dann wird ein Plan erstellt, auch für den Einsatz der Mitarbeiter. Bei der Dienstplanerstellung wird darauf geachtet, dass keine Engpässe entstehen. Im Hotel hat man sieben Tage lang Gäste im Haus, die Hunger haben. In einem normalen Unternehmen ist nach fünf Tagen Schluss, das heißt, am Freitagabend ist die Firma geschlossen, und die Mitarbeiter bleiben am Wochenende zu Hause. Im Hotel muss man die Zeit nutzen, wenn die Köche im Einsatz sind. An den Tagen, wo weniger Personal vor Ort ist, können die Abläufe mit Hilfe der Software dann ordnungsgemäß umgesetzt werden.    #00:27:13-6#

Marco: Man muss sehr viel beobachten und dann Schritt für Schritt an den Verbesserungen arbeiten. Du hast gesagt, dass man die Software anwenden muss, insofern es eine gibt. Es ist demnach wichtig zu prüfen, wo man digital unterstützen kann und wo es Investitionen braucht.    #00:27:35-7#

Stefan: Ich habe Betriebe gesehen, die digital schon auf einem guten Weg sind, auch solche, von denen man es nicht erwartet hätte. Ein Unternehmen, das ich besucht habe, hat bereits einen großen Monitor in der Küche, wo die ganzen Bestellungen der Halbpension aufgelistet werden und wo der Koch bestätigt, was rausgegangen ist. Das ist der Anfang einer ordentlichen digitalen Arbeit. Wenn man dann noch an einigen Kleinigkeiten im Hintergrund schraubt, ergibt sich eine runde Sache.    #00:28:09-5#

Die Anschaffung von Software kosten keine Unmengen Geld, denn es gibt sehr günstige Lösungen, mit denen man sich die Arbeit erleichtert. Man muss sich immer den individuellen Betrieb anschauen. Es macht einen Unterschied, ob ich täglich 40 Halbpensionsmenüs mit zusätzlichen à la carte-Menüs habe oder ob ich eine Großküche leite, die 10.000 Essen pro Tag produziert.    #00:28:33-1#

Marco: Ich hätte noch eine Frage, die sehr wichtig für den Gast ist. Können digitale System dazu beitragen, Qualität und Frische zu garantieren?    #00:29:02-9#

Stefan: Qualität und Frische sind sehr wichtige Aspekte. Ich würde sie sogar noch um das Thema Regionalität erweitern. Qualität ist das A und O, denn nur mit guten Produkten kann ich gute Ergebnisse erzielen. Dazu gehört, dass man nur Ware kauft, die wirklich frisch ist. Wir alle wissen, dass eine Banane nicht in Österreich wächst und auch keine Avocado. Das sind Lebensmittel, die man eventuell vom Speiseplan streichen kann. Ich bin ein großer Freund von Regionalität, denn je kürzer die Transportwege sind, desto frischer und desto besser ist die Qualität, die ich bieten kann. Da schließt sich der Kreis von der Qualität und der Regionalität. Wenn ich den Bauern um die Ecke habe, der mir seine selbst gezüchteten Schweine liefert, dann ist das Produkt frischer und auf einem hochwertigerem Niveau, weil die Tiere mit besserem Futter versorgt werden als in anderen Teilen der Welt. Wir haben in Österreich sehr gute Lieferanten im Bereich Fleisch und Gemüse. Gerade wir in Tirol sind dahingehend sehr begnadet, weil wir große Anbauflächen haben. Dadurch kann Qualität und Frische gewährleistet werden.    #00:30:41-3#

Sehr wichtig ist auch die manuelle Kontrolle durch den Koch, der die Ware entgegennimmt. Qualitätskontrollen müssen von der Küche übernommen werden. Aber auch hier gibt es einige Hilfestellungen, einerseits durch Software und andererseits mit Hilfe der persönlichen Erfahrung. Jeder Betrieb muss entscheiden, welche Standards er einführt, damit die Ware immer die gleiche Qualität hat. Ich wurde oft von Lieferanten gefragt, wie produkttreu mein Betrieb ist, und ich antwortete, dass wir natürlich sehr produkttreu sind. Wenn die Ware nicht verfügbar ist, dann kann es sein, dass der Lieferant versucht, mir etwas unterzujubeln. Es ist ein Unterschied, ob ich das Produkt A oder das Produkt B habe. Erstens ist meine Rezeptur auf Produkt A angelegt und nicht auf Produkt B, und zweitens gibt es natürlich auch dort Unterschiede. Da muss man ziemlich rigoros sein und auch einmal eine Warenlieferung ablehnen, wenn die Qualität oder die Frische nicht passt. Es obliegt dem Koch, dies festzustellen.    #00:31:53-9#

Es gibt beispielsweise ganz klassische Merkmale, wie man frischen Fisch erkennt, nämlich an den Augen, an der Schuppung und an der Schleimschicht. Solche Merkmale gibt es natürlich auch für alle anderen Produkte. Ich weiß von großen Betrieben, die bei der Anlieferung sehr strenge Qualitätskontrollen durchführen. Teilweise schicken sie ganze LKW wieder weg, wenn die Ware nicht in Ordnung ist. Und da muss man einen gewissen Selbststolz haben, schließlich will man gute Produkte anbieten. Ich weiß, dass es schwierig ist, Waren abzulehnen, denn man benötigt sie für die Arbeit. Aber heutzutage gibt es fast immer tägliche Lieferungen, und dann muss man dem Lieferanten eine Chance einräumen, nachzuliefern. Beim nächsten Mal schaut man dann noch genauer hin. Es ist deshalb wichtig, bereits für die Warenannahme Qualitätsstandards festzulegen.    #00:33:00-5#

Marco: Es klingt banal, aber es ist immens wichtig, Standards niederzuschreiben, die für die einzelnen Produktgruppen gelten. Und wenn die nicht eingehalten werden, dann nehme ich das Produkt nicht an. Und fertig.    #00:33:17-0#

Stefan: Ganz genau.    #00:33:17-9#

Marco: Dadurch schaffe ich ein objektives Bewertungssystem, einen Standard, den nicht nur der Küchenchef kontrollieren kann, sondern auch seine Vertretung, wenn er selbst nicht da ist.    #00:33:33-8#

Stefan: Beim Rindfleisch ist es sehr wichtig, dass man den PH-Wert misst, denn er gibt Auskunft darüber, wie lange das Tier abgehangen wurde. Und wenn es zu kurz abgehangen wurde, dann ist die Qualität nicht gut genug. Jeder hat seine eigenen Qualitätsvorstellungen, aber sie müssen definiert, niedergeschrieben und kontrolliert werden. Dann hat man mit der Güte und mit der Frische nie ein Problem.    #00:34:05-9#

Marco: Standards sind gut, aber man muss sie auch einhalten. Stefan, wir haben schon viel über Prozessoptimierung, Qualitätssicherung, Mitarbeiterproblematiken und das Imagethema gesprochen. Wenn du dir die ideale Hotelküche der Zukunft vorstellst, wo würdest du dich am wohlsten fühlen, als Gast, als Küchenchef und als Prozessbegleiter?    #00:34:47-3#

Stefan: Ich gehe jetzt mehr auf die Hotelküche ein als auf den Gast. Die Hotelküche muss einerseits modern ausgestattet sein, denn dort sind Menschen, die gerne mit guten Geräten arbeiten. Das ist in jedem Unternehmen so, sei es in einem Metallbetrieb oder in einer anderen Branche. Wenn es tolle Geräte gibt, hat der Mitarbeiter Freude an der Arbeit. Die Küche muss so geplant werden, dass man unnötige Wege vermeidet. Ich bin in vielen Küchen gewesen, die man mit kleinen Veränderungen bereits hätte sehr viel effektiver gestalten können. Der Koch wird bezahlt, weil er viele Stunden im Betrieb verbringt und nicht, weil er viele Meter läuft. Deswegen ist Planung ganz wichtig. Und natürlich ist es auch wichtig, dass in der Hotelküche 2.0 die Digitalisierung Einzug hält. Viele Prozesse müssen verankert sein, die Arbeit muss einfach auszuführen sein, und der Mitarbeiter muss ganz genau wissen, was er zu tun hat. Er sollte nicht erst irgendjemanden fragen müssen, sondern die Arbeitsschritte müssen definiert sein. Wenn man das hinbekommt, dann hat man zufriedene Mitarbeiter. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man mit seiner Arbeit beginnt und nicht weiß, was auf einen zukommt. Man kommt am Morgen in die Küche, und der Küchenchef erklärt einem eine halbe Stunde lang, was zu tun ist.    #00:36:37-2#

Marco: Das sorgt bereits am Morgen für Frust.    #00:36:38-2#

Stefan: Ganz genau. Dann braucht man erst mal einen zweiten Kaffee und vielleicht einen Schnaps, bevor man loslegen kann. In modernen Küchen werden die Mitarbeiter dadurch bei Laune gehalten, dass man ihnen eine Struktur vorgibt. Die Arbeit wird leichter, wenn man weiß, was man zu tun hat und nicht ständig nachfragen muss. Und wenn der Chef nicht da ist, dann rennt man von A nach B, und der eine Sous Chef sagt etwas Anderes als der andere Sous Chef. Wenn die Arbeit gut organisiert ist, dann läuft die Küche sehr ruhig ab.    #00:37:13-2#

Marco: Eine gute Struktur, keine unnötigen Wege, möglichst digitalisiert und eine moderne Ausstattung, das zeichnet den idealen Arbeitsplatz in der Küche aus. Wenn ich dann noch ein vollständiges und lässiges Team habe, dann macht es Spaß, in einer Hotelküche zu arbeiten. Dieses Bild müssen wir nach außen transportieren.      #00:37:39-8#

Stefan: Genauso ist es. Für mich gibt es keinen schöneren Job als den des Kochs, weil man so viele verschiedene Sachen machen kann. Von meiner Frau habe ich zum Geburtstag eine Videoreihe geschenkt bekommen, die erklärt, wie man Sushi macht. Mit solchen Ideen kann man einem Koch eine Riesenfreude machen. Auch bei der Personalsuche könnte man einfließen lassen, dass man gewisse Dinge zur Verfügung stellt und den Mitarbeiter aufwertet, indem man ihm Kleinigkeiten als Präsent übergibt. Man muss nicht immer alles mit Geld ausgleichen, sondern man kann auch mit anderen Arten von Zuwendung Freude bereiten und Wertschätzung zeigen.    #00:38:42-7#

Marco: Es zeigt dem Mitarbeiter, dass ich mich für sein Handwerk interessiere. Stefan, wir sind am Ende unseres Gesprächs angelangt. Gibt es noch etwas Wichtiges, das du loswerden möchtest, zum Beispiel ein Schlussplädoyer für die Hotelküche?    #00:38:59-2#

Stefan: Das Schlussplädoyer lautet, ich freue mich immer, wenn ich in Betriebe komme, die erkannt haben, dass es viel zu tun gibt. Man muss nicht alles selbst wissen, sondern man kann sich Spezialisten ins Haus holen, die einen begleiten. Oft ist es besser, wenn eine externe Person auf die Abläufe schaut, weil man im Laufe der Zeit betriebsblind wird. Ein Außenstehender erkennt Potenzial und Verbesserungsmöglichkeiten.    #00:39:45-7#

Über Stefan Oberdacher

Stefan ist Gründer und Geschäftsführer von SO OPTIMAL CONSULTING und berät unter anderem im Bereich Küchenorganisation und Optimierung.

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