Guide Michelin

In der aktuellen Podcast-Folge geht es um die Bedeutung und die Auswirkungen des Guide Michelin auf die Kulinarik und den heimischen Tourismus. Als Interviewpartner stand Alexander Grübling, Chefredakteur der Österreichischen Gastronomie- und Hotel-Zeitung (ÖGZ), zur Verfügung. Alexander erklärt im Interview die vielschichtige Bedeutung des Guide Michelin für Restaurants, den Tourismussektor und die Wirtschaft und betont vor allem die Relevanz des Guides für die internationale Anerkennung und den Einfluss auf die Besucherzahlen in den verschiedenen Regionen.

 

 

Kernaussagen des Interviews

  • Der Guide Michelin ist mehr als nur eine „weitere Restaurantbewertung“ und trägt zur Stärkung ganzer Tourismusdestinationen bei.
  • Der Guide Michelin genießt international großes Vertrauen und Ansehen, was für ausländische Touristen von Bedeutung ist.
  • Die Abwesenheit eines eigenen Guide Michelin in Österreich hat potenziell negative Auswirkungen auf die Tourismusbranche.
  • Die Einführung des Guide Michelin erfordert finanzielle Unterstützung durch staatliche Organisationen.
  • Neben der Gastronomie profitieren auch die Hotellerie und weitere Bereiche des Tourismus von der Präsenz des Guide Michelin.
  • Der Guide Michelin kann maßgeblich dazu beitragen, Spitzenkräfte in der Gastronomie und Hotellerie anzuziehen und zu binden.
  • Die Einführung eines eigenen Hotelbewertungssystems (Schlüssel statt Sterne) im Guide Michelin wird als positiver Schritt für die Branche angesehen.

Der Guide Michelin

Der Guide Michelin ist ein renommiertes Gastronomiebewertungssystem, das ursprünglich in Frankreich eingeführt wurde und mittlerweile international anerkannt ist. Er ist bekannt für die Vergabe von begehrten Michelin-Sternen an Restaurants, die sich durch außergewöhnliche kulinarische Leistungen auszeichnen. Die Bewertungen werden von anonymen Inspektoren vorgenommen, die strenge Kriterien verwenden, um die Qualität der Küche und des Services zu beurteilen. Neben den begehrten Sternen vergibt der Guide Michelin auch weitere Auszeichnungen und Empfehlungen, die für Reisende und Gourmets als vertrauenswürdige Orientierung dienen. Der Guide Michelin hat im Laufe der Jahre eine bedeutende Rolle bei der Förderung der Spitzenkulinarik und der Entwicklung des Tourismus in verschiedenen Ländern weltweit gespielt.

Transkript der Podcast-Folge

Marco: Ich habe dich im Intro als einen Verfechter des Guide Michelin vorgestellt. In der ÖGZ schreibst du, dass der Guide Michelin viel mehr als nur ein rotes Büchlein sei, nämlich ein Ticket zu kulinarischem Weltruhm.   #00:02:02-6#

Alexander: Das mag pathetisch klingen, aber in Wirklichkeit untertreibe ich mit dieser Aussage sogar. Es geht nicht nur um kulinarischen Weltruhm, sondern darum, ganze Tourismusdestinationen zu stärken. Das ist viel mehr als nur die Bewertung von Restaurants. Es geht weit darüber hinaus, und ich möchte an einem Beispiel verdeutlichen, wie wichtig der Guide Michelin ist. Der französische Spitzenkoch Marc Veyrat hat 2019 den Guide Michelin 2019 verklagt, weil er von drei auf zwei Sterne herabgestuft wurde. Jeder Stern bringt Umsatz, und der Verlust von einem Stern kann erhebliche Einbußen mit sich bringen. Drei Sterne sind der Garant dafür, dass man über Monate hinweg ausgebucht ist.   #00:03:20-9#

Wie kam es zu der Herunterstufung von Marc Veyrat? Die Bewerter des Guide Michelin führten ein anonymes Testessen durch und fanden heraus, dass Veyrat den falschen Käse im Soufflé verwendet haben soll, und zwar englischen Cheddar anstelle der in Frankreich üblichen Sorten, was in der Nation des Camembert und speziell beim Guide Michelin eine kulinarische Todsünde ist. Marc Veyrat ist nicht irgendein Koch, sondern er kocht auf einem 3-Sterne-Niveau. Er ist eine lebende Legende. Letztendlich ist Veyrat jedoch vor Gericht gescheitert. Ich bin davon überzeugt, dass Österreich als Tourismusland Schaden entsteht, wenn wir keinen eigenen Guide Michelin haben.  #00:04:20-5#

Marco: Wir haben seit langer Zeit keinen Guide Michelin. Hat uns das wirklich so sehr geschadet?  #00:04:27-5#

Alexander: Das stimmt nicht ganz. Es gibt den Michelin Guide Main Cities, in dem lediglich Wien und Salzburg abgebildet sind. Das bedeutet, dass sämtliche Spitzenrestaurants zwischen Bregenz und dem Burgenland dort nicht gelistet sind. Der Guide Michelin hat sich 2009 zurückgezogen. Damals befanden wir uns in der Weltwirtschaftskrise, und Michelin beschloss, dass es sich in Österreich nicht mehr lohnen würde. Sie haben zu wenige Ausgaben des Guides verkauft und änderten in Folge das gesamte Konzept. Wenn ein Land heute einen Guide Michelin möchte, dann muss es über eine staatliche Organisation etwas einzahlen. Und das ist genau der Punkt, den du ansprichst. Natürlich gibt es Guides in Österreich. Es gibt den Falstaff Guide und den Gault Millau, deren Wichtigkeit niemand bestreitet. Aber sie sind nur für den inländischen Markt relevant. Für Touristen aus USA oder Japan, die ein Land wegen seiner Kulinarik bereisen, ist nur der Guide Michelin ausschlaggebend. Die schauen nicht in den Falstaff und auch nicht in den Gault Millau. Das hängt damit zusammen, dass der Guide Michelin ein gutes Image hat und vertrauenswürdig ist. Der Guide Michelin ist Old School, ein gedrucktes Buch, das sehr wichtig ist. Inzwischen sind wir zum Glück schon einen Schritt weitergekommen. Es gibt ein grundsätzliches Bekenntnis seitens der Politik, dass der Guide Michelin zurückkehren möge. Jetzt müssen wir abwarten, ob das wirklich passieren wird.  #00:06:35-5#

Marco: Das bedeutet, dass es einer öffentlichen Stelle bedarf, die den Guide Michelin unterstützt und finanziert. Es reicht nicht, wenn sich Interessierte zusammenschließen, um darauf hinzuwirken, dass der Guide Michelin wieder nach Österreich kommt.  #00:06:51-8#

Alexander: Der Guide Michelin ist eine unabhängige Organisation. Es ist ausgeschlossen, dass ein Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen Einfluss nehmen kann. Der Guide Michelin erlegt sich sehr strenge Regeln auf. Das finde gut, denn sonst entstände der Eindruck, dass die Bewertungen gekauft sein könnten. Ich finde, wir tun uns nicht Gutes, wenn wir ihn nicht bei uns in Österreich haben. Und wie gesagt, gibt es im Tourismusausschuss ein Bekenntnis zum Guide Michelin für Österreich.  #00:07:38-8#

Es kommen jedoch auch Widerstände von den anderen beiden genannten Guides. Sie scheinen sich nicht grundsätzlich gegen den Guide Michelin zu sperren, sondern es geht um die Tatsache, dass öffentliche Gelder fließen könnten. Das stößt ihnen sauer auf, und das wollen sie nicht.  #00:07:58-9#

Marco: Weiß man, um welche Summen es sich dabei handelt?  #00:08:03-2#

Alexander: Eigentlich darf man nicht darüber sprechen, aber man hört, dass es sich um jährliche Beträge von etwa 800.000,- Euro handelt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das Geld auch wieder ausgegeben wird. Die Tester kommen anonym, sie essen in den Restaurants, gehen wieder und geben ihre Bewertungen ab. Das heißt, dass dieses Geld wieder in die Restaurants zurückfließt. Die Kosten sind nicht so hoch, wie teilweise behauptet wird.  #00:08:50-2#

Marco: Wenn man dir zuhört, merkt man, dass du ein Herzensverfechter des Guide Michelin bist. Ist die Gastronomie tatsächlich ein solch wichtiger und großer touristischer Faktor?  #00:09:08-1#

Alexander: Das ist eine gute Frage, und dazu möchte ich ein bisschen ausholen. Grundsätzlich sind die Sterne lukrativ für ganze Destinationen. Die Gäste essen nicht nur, sondern sie nächtigen auch in den lokalen Hotels. Neben den Sterne-Restaurants besuchen sie Gasthäuser und gehen in ein Café oder in eine Konditorei. Sie besuchen Sehenswürdigkeiten. Das sind zahlungskräftige Gäste, die wir hier in Österreich gerne zu uns holen würden. Wie bereits erwähnt, hängt der Umsatz von den Sternen ab. Das ist eine Tatsache. Es gibt eine Studie aus Dänemark, die rechnerisch belegt hat, dass Restaurants, die einen Stern erhalten, in der Region für steigende Nächtigungszahlen sorgen. In dem dänischen Beispiel geht es um Aarhus. Dort stiegen die Übernachtungen seit der Einführung des Michelin um 16 Prozent. Das ist nicht wenig. Aarhus ist keine große Stadt, aber auch keine sehr kleine. Vergleicht man Linz und seine Region mit Aarhus, dann sind 16 Prozent nicht schlecht. Die Kulinarik ist touristisch wichtig. Das weiß auch die Österreich Werbung. Und ich denke, dass sie zukünftig eine wichtige Rolle dabei spielen wird.  #00:11:07-4#

Marco: Ich möchte noch einen anderen Aspekt ansprechen. Sterneküchen sind generell mit hohen Kosten und mit einem hohem Mitarbeitereinsatz verbunden. Könnte der Guide Michelin auch einen positiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt haben? #00:11:31-9#

Alexander: Ja, absolut. Ich habe sogar ein Beispiel, dass diese These belegt. Der Spitzenkoch Max Natmessnig, Chefkoch im Restaurant „Rote Wand“ von Josef Martin Walch in Lech am Arlberg wechselte nach München, weil er in Vorarlberg keine Sterne erkochen konnte. In München hat er auf Anhieb Sterne erhalten, und mittlerweile kochte er in New York. An diesem Beispiel sieht man, dass die Nicht-Existenz des Michelin dazu führt, dass Spitzenkräfte abwandern. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Guide Michelin Personal anzieht, weil es cool ist, in diesen Lokalen zu arbeiten. Dabei geht es nicht nur um Köche, sondern auch um Servicekräfte, Sommeliers und in weiterer Folge auch um Hotelmitarbeiter.

Ab dem nächsten Jahr will der Guide Michelin außerdem ein eigenes Hotelbewertungssystem einführen. Das wird „the Cherry on the Cake“.  #00:12:39-0#

Marco: Diese Hotels werden nicht mit Sternen, sondern mit Schlüsseln bewertet. Wer drei Sterne und drei Schlüssel hat, ist in beiden Guides Michelin gelistet.  #00:12:57-0#

Alexander: So ist es. Ich sehe nur Vorteile von dieser Neuerung. Der Guide Michelin ist ein Marketing-Tool, ein Mosaikstein in einem großen Ganzen. Es sind jedoch viele verschiedene Maßnahmen notwendig. Ganz allein kann der Guide Michelin nichts umreißen. Aber ich sehe nur Vorteile, wenn wir ihn zurückzuholen. Nach einer gewissen Zeit können wir eine Analyse durchführen, um festzustellen, was es gebracht hat.  #00:13:35-5#

Marco: Die Frage ist, wann man diese Analyse durchführt. Welchen Zeitrahmen würdest du setzen?  #00:13:39-4#

Alexander: Wenn alles schnell geht, wird man frühestens 2024 einen eigenen Guide in Österreich haben. Derzeit ist die Prognose, dass die Analyse 2025 durchgeführt werden kann.  #00:13:53-2#

Marco: Es wird sicher eine Zeitlang dauern, bis die Bewertungen abgeschlossen sind und der Guide aufgesetzt ist.   #00:13:58-4#

Alexander: Ja, es benötigt Zeit. Ich würde sagen, wir probieren es aus, und dann schauen wir weiter.  #00:14:11-3#

Marco: Das Ganze beruht auf der Annahme, dass unsere Kulinarik gut genug ist, um mit Sternen bewertet werden zu können. Sonst würden wir keine internationalen Top-Gäste anziehen. Siehst du das so?  #00:14:21-8#

Alexander: Das sehe ich absolut so. Österreich birgt sehr viel Potenzial, und wir müssen uns nicht verstecken. Bisher sind wir auf der kulinarischen Landkarte nicht so gut vertreten, wie wir es könnten. Die Einführung wird ganz sicher ein Erfolg werden. Darauf schließe ich gerne eine Wette ab. Was hältst du davon, Marco? Wir zwei gehen essen, und ich zahle die Rechnung, wenn ich falsch liege.  #00:15:03-5#

Marco: In einem Drei-Sterne-Restaurant? #00:15:04-7#

Alexander: Sagen wir, in einem Zwei-Sterne-Restaurant.  #00:15:10-6#

Marco: Ich bin sehr gespannt. Das alles will wohl überlegt sein, und wenn alle dahinterstehen, wird der Guide Michelin sicher ein großer Erfolg für Österreich werden. Vorausgesetzt, die Finanzierung wird von öffentlichen Stellen, welcher Art auch immer, aufgestellt. Dann starten wir in das Projekt, und nach zwei, drei Jahren werden wir sehen, ob es sich auszahlt. Aber lediglich für einen Probelauf wäre die Investition zu hoch. Die Entscheidung muss wohlüberlegt gefällt werden.  #00:15:52-3#

Alexander: Ich möchte noch auf ein weiteres Beispiel hinweisen. Auch Slowenien und Kroatien haben eigene Guides, obwohl sie keine kulinarischen Weltmächte sind. Vor Kurzem hat die slowenische Köchin Ana Roš drei Sterne erhalten. Das mediale Echo war enorm, und eigentlich müsste man beziffern, welchen Gegenwert das gebracht hat. Ich glaube, sie war sogar auf der Titelseite der BILD-Zeitung. Wenn man sich zusammenrechnet, was diese Sterne-Verleihung medial an Staub aufgewirbelt hat, dann lässt sich ermessen, was das bedeutet. Es geht nicht nur um die Köchin und ihr Lokal, sondern die Menschen fahren deshalb nach Slowenien. Slowenien ist schön, Österreich ist schön, nutzen wir die Chance und probieren es aus. Das ist meine Message.  #00:16:58-2#

Marco: Lieber Alex, das waren sehr schöne Schlussworte. Ich danke dir herzlich für diese Einblicke. Du bist überzeugt von der Wichtigkeit des Guides, und deine Argumente lassen mich positiv in die Zukunft des Guides Michelin für Österreich blicken. Eine Kulinarik-Auszeichnung mit international anerkannten Sternen kann bei den zu erschließenden Zielgruppen tatsächlich einen Unterschied machen.  #00:17:39-7#

Alexander: Das denke ich auch, und ich habe einen Tipp für dich: Frag beim nächsten Restaurantbesuch einfach den Koch, was er vom Guide Michelin hält.  #00:17:48-8#

Marco: Das werde ich tun und dir berichten.  #00:17:50-5#

Über Alexander Grübling

Alexander Grübling über den Guide Michelin

Alexander Grübling ist Chefredakteur der ÖGZ und hat sich seit mittlerweile über zwei Jahrzehnten dem Journalismus verschrieben. Zunächst bei Tageszeitungen im Print sowie Online tätig – in den Ressorts Chronik, Wirtschaft und Multimedia – leitete er u. a. eine Onlineredaktion und war als Nachrichtenchef bei einer großen Wiener Tageszeitung tätig. 2009 wechselte er in den Magazinjournalismus und war in Folge maßgeblich an der Konzeption zweier neuer Publikumsmagazine beteiligt. Buchprojekte und mehrere CP-Produkte für die Tourismusbranche führten ihn schließlich zum Wirtschaftsverlag.

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