Bereits seit Dezember 2020 gibt es jeden Sonntag eine neue Podcast-Folge rund um die wichtigsten Themen des Hotelmanagements. Nach knapp zwei Jahren ist es nun soweit: Die 100. Podcast-Folge wurde aufgenommen. Zu diesem Anlass wurde niemand geringerer als Daniel Nutz, seines Zeichens Chefredakteur der Österreichischen Gastronomie- und Hotelzeitung (ÖGZ), vor das Mikro gebeten. Die Themenwahl lag diesmal beim Interviewpartner und so wurde im Zwiegespräch viel über Nachhaltigkeit, Massenkonsum und die Zukunft des Reisens diskutiert.
Kernaussagen des Interviews
- Wenn man sich die Endlichkeit der Ressourcen ansieht, dann ist Nachhaltigkeit ist die einzige wirtschaftliche Perspektive.
- Bewusstsein und Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit steigt seit Jahren an, dennoch herrscht eine starke Divergenz zwischen Einstellung und Taten (Value-Action-Gap)
- Echt Veränderung kommt erst durch Einfluss von Außen, wie den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula van der Leyen 2019 ausgerufenen „European Green Deal“
- Verkehr und Mobilität sind immer noch die größten Herausforderungen für einen nachhaltigen Tourismus.
- Unternehmen können als „early Adopter“ in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit von den sich ändernden Rahmenbedingungen profitieren.
Angaben in % | Basis: deutschsprachige Bevölkerung 14+ Jahre
Quelle: Deutsche Reiseanalyse 2012-2022
Transkript der Podcast-Folge
Marco: Hallo Daniel, herzlich willkommen bei Smart Hotel Key. Ich freue mich sehr, dich heute als Gast begrüßen zu dürfen. Im Intro habe ich bereits angekündigt, worüber wir heute in der 100. Folge sprechen werden. Im Tourismus bist du vielen ein Begriff, aber sei doch bitte so nett und stell dich unseren Hörerinnen und Hörern kurz vor. Wer bist du, und womit beschäftigst du dich? #00:02:02-7#
Daniel: Hallo Marco. Ich bin Daniel Nutz, Chefredakteur der ÖGZ, der Österreichischen Gastronomie- und Hotelzeitung, dem ältesten Branchenmedium im Tourismus. Es existiert seit 1946. Wir informieren über Neuigkeiten aus der Branche und vermitteln anwendbares Wissen. Dazu gehören Trends, denn sie bilden die Basis für wirtschaftliches Handeln und für Investments in die Zukunft. Es freut mich, bei dir zu sein. #00:02:39-1#
Marco: Du hast selbst ein eigenes Podcast-Projekt. Worum geht es dabei? #00:02:49-8#
Daniel: Es freut mich, dass du dieses Projekt ansprichst. Ich sende einen Podcast, der von meinen privaten Interessen inspiriert ist. Er trägt den Namen „Kunst in Wien“. Ich bin kein Kunstexperte, genauso wenig wie meine Partnerin Julia Malle, aber wir haben uns das Ziel gesetzt, alle ein bis zwei Monate eine Kulturveranstaltung durchzuführen, auf der wir eine Künstlerin, einen Künstler oder eine Institution vorstellen, deren Werke in Wien zu sehen sind. Darüber berichten wir und möchten Lust auf Kunst und Kultur machen. #00:03:31-6#
Marco: Gerade für Wien ist Kunst ein wichtiger Tourismusmagnet. Ihr habt erst kürzlich über das Volkstheater gesprochen. #00:03:40-6#
Daniel: Ja, das ist ein sehr unterschätztes Theater, das definitiv mehr Besuch von Touristen verdient hätte. #00:03:45-8#
Marco: Absolut. Gerne werde ich diese Informationen in den Show Notes verlinken. Heute steht ein ganz wichtiges touristisches Thema im Vordergrund, eines, das mich persönlich sehr beschäftigt. Auch mit dir habe ich mich schon einige Male darüber ausgetauscht. Es geht um Nachhaltigkeit in allen Aspekten. Gehen wir gleich in medias res. Die Nachhaltigkeit ist in aller Munde, und zwar nicht erst seit Corona. Lange Zeit ist lediglich über die ökologische Nachhaltigkeit gesprochen worden, aber inzwischen geht es immer mehr auch um die soziale Nachhaltigkeit. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich? #00:04:29-8#
Daniel: Das berüchtigte Kyoto-Protokoll hat mich auf diesen Begriff gebracht. Das war 1997. Die Klimakonferenz in Kyoto war keine Veranstaltung von Umweltaktivisten, sondern die große Mehrheit der Staatslenker hat sich dort auf Anraten der Wissenschaftler dazu entschlossen, die Treibhausgase zu reduzieren. Ich bin erst ein, zwei Jahre später in das Thema eingestiegen. Mir wurde bewusst, dass der Klimaschutz die einzige wirtschaftliche Perspektive ist, um Wohlstand und Wachstum zu sichern. Seitdem beschäftigt mich die Thematik in unterschiedlicher Art und Weise. Sie ist ein integraler Teil auch meines beruflichen Schaffens geworden. #00:05:45-0#
Marco: Seit 1997 beschäftigt dich die Nachhaltigkeit. Hast du das Gefühl, dass in diesen 25 Jahren irgendetwas weitergegangen ist? Bemerkst du in der Tourismusbranche ein Umdenken? #00:06:04-5#
Daniel: Ja, natürlich hat es ein Umdenken gegeben. Es fängt damit an, dass das Thema heute in aller Munde ist. Und das ist gut so. Auch das politische Regime hat sich dahingehend geändert, dass wir nachhaltiges Wirtschaften und Handeln belohnen. Kyoto ist 25 Jahre her, aber die Entwicklung ist sehr langsam vorangegangen. Wir stehen jetzt vor einer Situation, die sehr brenzlig ist. Das Ziel der Erderwärmung wurde in Paris auf 1,5 Grad festgelegt, und wir steuern im Moment auf etwas mehr als 2 Grad zu. Das wird zu extremen Verwerfungen führen, die uns Wohlstand kosten wird, wenn wir nichts dagegen machen. #00:07:01-7#
Marco: Gerade wir Österreicher sind eine grüne Nation und eine Alpenrepublik. Müssen wir uns um den Tourismus in Österreich angesichts der Klimakrise Sorgen machen? #00:07:22-0#
Daniel: Ja, selbstverständlich, denn das Problem nimmt eine große Dimension ein. So grün, wie es scheint, sind wir übrigens nicht. Ich habe mich daran versucht, meinen CO2-Fußabdruck auszurechnen, und das ist gar nicht so einfach. Der Durchschnittsösterreicher hat einen doppelt so hohen CO2-Fußabdruck wie der Durchschnittsbürger der gesamten Erde. So viel zum grünen Lebensstil in Österreich. Das größte Problem im Tourismus ist die Mobilität, also die An- und Abreise. Die Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler hat kürzlich eine Energiebilanz des Tourismussektors präsentiert, die eigentlich sehr gut ausschaut. Unternehmer agieren bereits positiv. Die Investitionen laufen in die richtige Richtung, und der Energieeinsatz konnte reduziert werden. Allerdings ist die Mobilität das größere Problem. Da fällt mir der so genannte „Plan T“ ein, den die frühere Tourismusministerin Elisabeth Köstinger vor einigen Jahren präsentiert hat. Auf den ersten Seiten des Papiers plädierte sie dafür, dass Österreich die nachhaltigste Destination werden sollte, aber auf den nächsten Seiten ihres Plans war zu lesen, dass es wichtig sei, Fernmärkte wie China und Indien anzusteuern. Beides geht nicht! #00:08:58-0#
Marco: Einerseits kann ein Betrieb nachhaltig arbeiten, indem er energieeffizient wird, auf regionale Lebensmittel achtet und die Temperatur des Pools reguliert, andererseits jedoch wird befürwortet, dass der Gast über den halben Erdball geflogen kommt. Das ist ein großer Widerspruch. Brauchen wir die Fernmärkte für unseren Tourismus? #00:09:31-5#
Daniel: Das ist das große Problem auch meiner eigenen Klimabilanz. Natürlich versuche ich, mich nachhaltig zu verhalten. Ich habe kein Auto, aber jede Fernreise, die ich tätige, ist klimatechnisch eine kleine Katastrophe. Es geht nicht darum, das ganze System abzuschaffen. Wir müssen versuchen, an einigen Stellschrauben zu drehen, um das System zum Besseren zu ändern. Wir müssen weniger Ressourcen verbrauchen und weniger zur Erderwärmung beitragen. Es gibt bereits gute Konzepte für nachhaltiges Reisen, zum Beispiel, dass man die Aufenthalte verlängert. Das wäre auch für die Herbergen eine super Sache. #00:10:38-8#
Marco: Ein ganz wichtiges Thema. Die Reisefreiheit ist eines der am höchsten gehandelten Güter. Jeder kann, soll und darf fast überall hinreisen, natürlich mit kleinen Ausnahmen wie zum Beispiel in Krisenherde. In unserer globalisierten Gesellschaft können wir uns nicht zurückziehen und nur noch im eigenen Land Urlaub machen. Damit würden wir uns vom Weltmarkt abkapseln. Aber wie können wir die CO2-Bilanz nachhaltig verbessern? Das ist ein spannendes Thema. Die Globalisierung fördert nicht nur die Reisefreiheit, sondern gleichzeitig die maßlose Konsumgesellschaft. Die können wir uns heute nicht mehr leisten, und deshalb müssen wir reduzieren. Reduktion und die Besinnung auf das Wesentliche, sind das Trends, oder geschehen sie aus der Not heraus? Wie siehst du das? #00:11:48-2#
Daniel: Vielleicht ist es beides. Es gibt eine Studie der deutschen Bertelsmann Stiftung, die relativ gut aufzeigt, dass alle Güter knapper werden. Wir haben weniger Energie, weniger Lebensmittel und Mikrochips. Eine Autorin der Zeitung Die Welt hat diesen Zustand als großen Abgesang auf die deutsche Wohlstandsgesellschaft interpretiert. Aber ist das tatsächlich ein Problem? Wir kaufen uns Industriegüter wie beispielsweise Handys, die so billig sind, dass wir sie ein Jahr später wegschmeißen. Uns wurde anerzogen, dass Konsum gut ist, weil er Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sichert. Hinsichtlich der ökologischen Krise ist das ein Denkfehler gewesen, und das sehen wir heute besonders deutlich. Diese Problematik lässt sich auf den Tourismus übertragen. Auch hier gibt es maßlosen Konsum, zum Beispiel, indem man auf einen Kaffee nach Mailand reist. Für das Gemeinwohl oder für die psychische Gesundheit sind solche Trips nicht wichtig. Diese Reisen können durch etwas Anderes ersetzt werden. #00:13:38-6#
Marco: Also eher langsamer und bewusster reisen. #00:13:40-7#
Daniel: Das machen bereits viele. #00:13:44-9#
Marco: Weil es während Corona nicht anders möglich war. Urlaub im eigenen Land kann auch bedeuten, dass ich etwas Neues kennenlerne, dass in meiner Nähe liegt. Während der Pandemie hat man sich zurückgezogen und mehr mit der Familie unternommen, aber irgendwann hat man es in den eigenen vier Wänden nicht mehr ausgehalten. #00:13:58-6#
Daniel: Ja, das ist ein Phänomen der Pandemie, die uns zu nachhaltigeren Konsumenten gemacht hat. #00:14:09-2#
Marco: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich der Grund ist. Nach der Öffnung gab es riesige Nachholeffekte. Die Menschen haben konsumiert, sind gereist und haben wieder Geld ausgegeben. Wie viel von dem, was wir uns zu Beginn der Corona-Krise vorgenommen haben, wurde tatsächlich beibehalten? Hat es ein Umdenken wirklich gegeben? Ich habe eher das Gefühl, dass jetzt erst recht Urlaub gemacht wird und dass konsumiert wird, als ob nie etwas gewesen wäre. #00:14:51-6#
Daniel: Diesen Vorwurf möchte ich den Konsumenten und Konsumentinnen nicht machen. Es ist ein Problem unserer Zeit, dass die ganze Verantwortung auf die Individuen abgeschoben wird. Ich kann mich an die ehemalige Tourismusministerin erinnern, die gesagt hat, dass die Nachhaltigkeit deshalb einziehen wird, weil die Gäste sie verlangen. Daran glaube ich allerdings nicht, und das kann man auch nicht von ihnen verlangen. #00:15:27-1#
Marco: Ich erkenne traditionsbehaftetes Denken und nehme wahr, dass sich Menschen frühere Zeiten zurückwünschen, in denen vermeintlich alles besser war. Ein großes Vorausdenken erkenne ich noch nicht. #00:15:59-7#
Daniel: Ich denke, dass hier die Angst eine Rolle spielt. Wer sich die schöne heile Welt von früher zurückwünscht, fürchtet sich womöglich vor der Zukunft, und das sogar verständlich. Aber es bringt die Entwicklung natürlich nicht voran, wenn wir immerzu nach früheren Zuständen streben. #00:16:26-8#
Marco: Wer muss die Zügel in die Hand nehmen oder die richtigen Hebel umlegen? Wenn die Änderungen nicht auf die Gesellschaft ausgelagert werden können, muss mit politischem und wirtschaftlichen Druck gearbeitet werden. #00:16:44-5#
Daniel: In Europa haben wir bereits einen großen Schritt getan. Ursula von der Leyen und die Europäische Kommission haben den European Green Deal ausgerufen. Es wird sehr viel Kapital in die Hand genommen, um das Wirtschaftssystem zu transformieren. Als Unternehmer muss man diese Richtung erkennen und die entsprechenden Entscheidungen fällen. Es gibt kein Zurück mehr. Die Zukunft muss nachhaltig sein, um das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, aufzuhalten. Klimawandel bedeutet nicht den Weltuntergang, aber er verschlechtert die Lebensbedingungen der acht Milliarden Menschen auf der Welt. Das ist der Punkt. Wir haben das Regelwerk, das die Transformation einer emissionsfreien Wirtschaft vorantreibt. Die innovativen Unternehmer werden die Gewinner sein, denn auch das Geld wird in diese Richtung fließen. #00:18:20-1#
Marco: Keiner kann sich dem Klimaschutz entziehen, und es ist höchste Zeit, dass die Tourismusbetriebe die richtigen Schritte setzen. Entsprechende Kriterien sind in Arbeit, Stichwort „ESG“. Darunter versteht man die Berücksichtigung von Umwelt, Sozialem und verantwortungsvollem Unternehmertum gleichermaßen. #00:19:04-6#
Unsere größte Gästegruppe findet sich auf dem deutschen Zielmarkt, von dem jährlich Erhebungen erstellt werden. Es stellt sich heraus, dass dieser Gruppe das ressourcenschonende Reisen durchaus wichtig ist. Fragt man gezielt danach, ob der eigene Urlaub nachhaltig oder sozial verträglich sein muss, dann antworten zwei Drittel aller Gäste mit „ja“. Aber woran erkennt der Gast, ob sein Urlaub sozialverträglich ist? #00:19:53-6#
Daniel: Ich habe den Verdacht, dass sich die Österreich-Werbung das Geld für die Studie hätte sparen können. Wenn du mich anrufst und fragst, ob ich es gut finden würde, nachhaltig zu reisen, dann würde ich mich nicht trauen, „nein“ zu sagen. Hier spielt die soziale Kontrolle eine große Rolle. In der Wissenschaft gibt es den Begriff des so genannten Value Action Gap. Leute geben sozial erwünschte Antworten, weil sie soziale Wesen sind. Man will nicht den Eindruck erwecken, asozial zu sein. Das scheint mir die Grundlage dieser Untersuchungen zu sein, die ergeben hat, dass alle Konsumenten Nachhaltigkeit unterstützen. Das glaube ich nicht, und ich denke, dass auch du eine andere Erfahrung gemacht hast. Es gibt eine Avantgarde der Nachhaltigkeit, die sich stark über das Thema definiert. Diese Zielgruppe ist einerseits sehr kaufkräftig, achtet aber andererseits auf Konsumverzicht. Es kann sehr interessant sein, dieser Gruppe entsprechende Angebote zu machen. #00:21:15-5#
Marco: Der Lebensmittelmarkt Billa hat eine vegane Filiale eröffnet, weil er erkannt hat, dass es einen Markt für diese teureren Produkte gibt. Das repräsentiert jedoch nicht der Großteil der Gesamtgesellschaft. #00:21:41-3#
Daniel: Diese Avantgarde übt durch ihr Verhalten Druck auf die anderen aus und bestimmt damit die Entwicklung. Vielleicht kennst du die Markt- und Trendforschungen aus dem Tourismus, die zeigen, dass sich Konsumenten in zwei Gruppen aufteilen werden. Die einen verfügen über sehr viel Kapital und können sich den Luxus der Nachhaltigkeit leisten. Die anderen befinden sich in einer ökonomischen Abstiegsspirale und müssen sehr stark auf den Preis schauen. Das gilt besonders bei Tourismuserlebnissen. Leider ist diese Gruppe, die Angebote sehr stark über den Preis definieren muss, in der Mehrheit. #00:22:38-7#
Marco: Es stellt sich auch die Frage, wie nachhaltig ich meine Angebote überhaupt gestalten kann. Müssten sie aufgrund der notwendigen Investitionen nicht sogar teurer werden? Wie bringe ich das zusammen, wenn meine Zielgruppe gleichzeitig über ein schrumpfendes Einkommen verfügt? #00:22:53-5#
Daniel: Ja, das stimmt. Ich glaube, dass es sogar in eine andere Richtung gehen wird. Man wird in einigen Jahren keine Bank mehr finden, die einem Hotel eine Ölheizung finanziert. Oder der Kredit wird so teuer werden, dass es sich nicht lohnt. Und das ist für mich ein Beweis, dass der Wandeln nicht mehr aufzuhalten ist. Und das ist gut so. Alles andere ist Add-on. Aus dieser einkommensschwächeren Zielgruppe kann man durchaus ein Geschäftsfeld machen. #00:23:38-1#
Marco: Ja, da bin ich bei dir. Es wird sicher nicht möglich sein, alles auf hundertprozentige Nachhaltigkeit umzustellen. Es gibt verschiedene Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, aber es muss eine Basis vorhanden sein, damit der Tourismusmarkt nachhaltig agieren kann. Wenn eine Ölheizung nicht mehr finanziert wird, weil man gewisse nachhaltige Kriterien erfüllen muss, dann spricht das für einen Systemwandel, der von außen herbeigeführt wird. Er kommt nicht von innen. Es wird definitiv noch lange dauern, bis sich aus den verschiedenen Aktionsfeldern ein nachhaltiges Geschäft entwickelt. Sollte man eher noch abwarten, was sich in nächster Zeit tut, oder sollte man so schnell wie möglich investieren? An was kann ich meine Entscheidung festmachen? Die Reisebranche steht derzeit vielen ungelösten Fragen gegenüber. #00:25:17-5#
Daniel: Meine Vermutung ist, dass die öffentliche Hand nachhaltige Investitionen in Zukunft mehr fördern muss. Womöglich sollte man die eigenen Investitionspläne zurückhalten, bis die neuen Förderrichtlinien veröffentlicht sind. Aber das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. #00:25:59-1#
Marco: Es gibt die so genannten SDGs, die Sustainable Development Goals, denen sich viele Wirtschaftsbereiche unterworfen haben. Auch die Österreich Werbung adressiert 11 der 17 SDGs. Die wenigsten von uns kennen alle 17 Sustainable Development Goals. Es geht darum, dass für verschiedene Bereiche festgelegt wurde, wie agiert werden muss, um als nachhaltig zu gelten. Das betrifft zum Beispiel die Bereiche Gesundheit, Leben auf dem Land, Klimaschutz, Partnerschaften, geschlechtliche Gleichstellung und so weiter. Hast du das Gefühl, dass die SDGs oder auch andere Umweltziele bei den Betrieben und Gästen ankommen? Bringt das überhaupt etwas? #00:27:01-2#
Daniel: Du hast einige genannt, aber ich merke, dass auch du sie von einem Blatt abgelesen hast (lacht). #00:27:06-4#
Marco: Ja, absolut. #00:27:07-6#
Daniel: Auch ich kann sie nicht alle aufzählen, und ich glaube eher nicht, dass sie ankommen. Vielleicht müssen sie das auch nicht. Die SDGs sind Indikatoren und Messgrößen, zum Beispiel für Förderungen. Und natürlich sind die 17 SDGs erstrebenswerte Entwicklungsziele. Sie kommen auch bei mir nicht an, weil ich immer nachlesen muss, um was es eigentlich genau geht. Sie sind zudem sehr allgemein gehalten. #00:27:54-6#
Marco: Ich frage mich, ob sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit benötigen würden, wenn sogar wir beide, die wir uns intensiv mit den Thematiken auseinandersetzen, sie auch nicht präsent haben. #00:28:09-2#
Daniel: Man müsste sie besser kommunizieren und vor allem erklären, wie der Umstieg funktionieren kann. Es muss ein Wandel und kein Wechsel des Systems werden. Wenn der Erdölkonzern OMV von einem Tag auf den anderen sein Geschäft einstellen würde und damit Tausende von Arbeitsplätzen wegfielen, dann wäre auch nichts gewonnen. Aber langfristig gesehen kann das Unternehmen sein Geschäftsfeld auf saubere Energiequellen umstellen. Genau das Gleiche gilt für den Tourismus. Ich hoffe nicht, dass es zu einem Crash kommen wird, sondern das System muss sich, wie du bereits gesagt hast, von innen heraus ändern. Die äußeren Anreize sind vorhanden. Als Unternehmer muss man diese Zeichen der Zeit erkennen. #00:29:11-9#
Da fällt mir Michaela Reitterer ein, die ehemalige Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung. Sie hat ihr Hotel vor einigen Jahren klimaneutral und energieautark umgerüstet. Damals ist sie belächelt worden, aber als gute Geschäftsfrau hat sie die Zeichen der Zeit erkannt. #00:29:40-3#
Marco: Und heute profitiert sie von ihren Entscheidungen. Ich habe Michaela Reitterer vor zwei Wochen auf einer Veranstaltung gesehen, auf der sie zur Energiekrise befragt wurde. Sie sagte, dass sie die Energiepreise nicht mehr tangieren würden. #00:29:56-2#
Daniel: Für sie sind es die gleichen Preise wie vor einem Jahr. #00:30:00-2#
Marco: Vorausschauendes Denken wird belohnt, und man kann nicht früh genug damit anfangen, einen Wandel auch für den eigenen Betrieb herbeizuführen. Wer weiß, was die nächste Krise bringt, die wir erleben werden. #00:30:25-2#
Daniel: Leider ist zu befürchten, dass es weitere Krisen geben wird. Michaela Reiterer ist ein gutes Beispiel für nachhaltiges Handeln, aber ich bin der Meinung, dass man den Hoteliers nicht vorschreiben sollte, wie sie zu handeln haben. Stattdessen muss man ihnen helfen. Man kann nicht erwarten, dass ein Betrieb in der Lage ist, 15 Jahre im Voraus zu planen und zu investieren. Es ist wichtig, eine effektive Förderpolitik zu etablieren. #00:30:57-3#
Marco: Entsprechende Rahmenbedingungen werden Unternehmen in die Lage versetzen, die richtigen Schritte zu unternehmen. Lieber Daniel, wir heute über die touristische Nachhaltigkeit besprochen und wie der Schritt in die Zukunft gestaltet werden muss. Schaust du persönlich positiv in die nach vorne? #00:31:26-2#
Daniel: Prinzipiell schaue ich immer positiv in die Zukunft. Wir stehen vielen Herausforderungen gegenüber, die dazu da sind, gelöst zu werden. Wie siehst du das, Marco? #00:31:50-2#
Marco: Mir geht es genauso. Ich bin ein grenzenloser Optimist, was oft zu Diskussionen führt. Man muss die Chancen erkennen und den Blick auf das Positive erhalten. Auch, wenn manchmal die Enttäuschungen überwiegen, müssen wir gesamtgesellschaftlich nach vorne schauen. Im politischen Diskurs habe ich das Gefühl, dass nur darüber geredet wird, was alles schlecht läuft, und auf das wird draufgehauen. #00:32:32-8#
Daniel: Ja, das geht mir auch so. Es fehlt die Orientierung am Konsens. Der Philosoph Jürgen Habermas vertritt die Theorie des kommunikativen Handelns. Auch er sagt, dass zu viel auf die Fehler gezeigt wird, anstatt konstruktiv zusammenzuarbeiten. Jeder macht Fehler. #00:33:05-3#
Marco: Der Grund ist meiner Meinung nach, dass Fehler und Probleme mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen und viele Klicks und Einnahmen generieren. Wenn die Menschen sich mehr für das interessieren, was schlecht läuft, dann ist das eher ein gesellschaftliches Problem. #00:33:23-3#
Daniel: Ja, das stimmt. Es scheint, als konsumierten wir die Medien nicht nachhaltig. Wir interessieren uns mehr für den Skandal selbst als für das, was ihn ausgelöst hat. #00:33:37-0#
Marco: Vielleicht sollten wir eine Sonderfolge zu philosophischen Zukunftsgedanken aufnehmen und uns der Frage widmen, wie die Medien den Tourismus und auch uns als Gesellschaft beeinflussen. Lieber Daniel, ich danke dir herzlich für deine Ein- und Ausblicke zum heutigen Thema der 100. Folge. Es war kein Zufall, dass ich dich zu diesem Jubiläum eingeladen habe, denn wir haben uns ein kleines Special überlegt, mit dem wir demnächst starten wollen. Und zwar werden wir die ÖGZ und Smart Hotel Key vernetzen. Möchtest du einige Worte dazu sagen? #00:34:17-6#
Daniel: Eine hervorragende Idee! Ich bin ein alter Stammhörer von Smart Hotel Key. #00:34:27-4#
Marco: Das freut mich sehr. #00:34:28-1#
Daniel: Als Journalist und Chefredakteur ist man immer auf der Suche nach der sich selbst schreibenden Geschichte. Und so kam mir die Idee, Marco Riederer als Experten anzuzapfen, denn du, Marco, lieferst viermal wöchentlich eine Top-Story beziehungsweise bereitest sie für uns auf. Um unsere Kooperation zu vertiefen, wollen wir in Zukunft einmal pro Monat eine gemeinsame Sendung gestalten, deren Thema auch in der ÖGZ auf schriftliche Art und Weise in einer Zusammenfassung dargestellt wird. Darauf freue ich mich schon sehr. Mein Nachfolger Alexander Grübling wird das Thema mit dir umsetzen. #00:35:36-9#
Marco: Ich freue mich auch schon sehr auf diese Zusammenarbeit. Alle Hörerinnen und Hörer, die bereits eine Zeitlang mit dabei sind, dürfen sich auf eine monatliche Sonderfolge freuen. Es wird also nicht nur eine wöchentliche Ausgabe von Smart Hotel Key geben, sondern zusätzlich einmal pro Monat ein Gespräch mit Tiefgang, in dem wir ein Thema intensivieren werden. Wenn euch, liebe Hörerinnen und Hörer, ein spezieller Bereich ganz besonders interessiert, dann meldet euch gerne bei mir. Zwar gehen uns die Themen nicht aus, aber wir freuen uns über Input von außen. Lieber Daniel, wir bleiben auf Sendung. Vielen Dank, dass du mein Gast warst. Die Schlussworte der heutigen Folge gehören dir. #00:36:19-0#
Daniel: Ich habe mich sehr darüber gefreut, bei der heutigen Jubiläumsfolge dein Gast sein zu dürfen. Die Nachhaltigkeit ist mein Herzensthema, und sie ist gleichzeitig ein Bereich, mit dem sich jeder Unternehmer betriebswirtschaftlich auseinandersetzen soll und muss. Der wirkungsvolle Umgang mit den Ressourcen wird unsere Zukunft bestimmen. Ich blicke optimistisch nach vorne und denke, dass wir es schaffen können, und sei es mit einer großen Kraftanstrengung. #00:36:58-6#
Über Daniel Nutz
Mag. Daniel Nutz ist Chefredakteur der Österreichischen Gastronomie- und Hotelzeitung (ÖGZ) und für das Webportal gast.at verantwortlich. Er arbeitete für mehrere Magazine und Wochenzeitungen, bevor er in den Fachjournalismus wechselte. Seine Schwerpunkte lagen davor im Wirtschaftsjournalismus. Eines seiner zentralen Themen ist die Transformation des Wirtschaftssystems und des Tourismus um Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele.
- „Kunst in Wien“ – Podcast von Daniel Nutz und Julia Malle
Nachgefragt
Nach 100 regulären Podcast-Folgen ist es Zeit für eine Weiterentwicklung. Und ich freue mich daher sehr, dass es ab sofort einmal im Monat eine Sonderfolge Smart Hotel Key geben wird. Die Sonderfolge steht unter dem Motto „Nachgefragt“ und erscheint in Kooperation mit der ÖGZ immer am letzten Mittwoch im Monat und erstmalig am 30. November 2022. Die Sonderfolge wird immer ein Thema aus der Vergangenheit von Smart Hotel Key vertiefen. Begleitet wird die Sonderfolge von einem Artikel in der ÖGZ, um somit auch die drei Bereiche Print, Digital und Audio perfekt zu verknüpfen.