Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung von Naturhotels

In der letzten Podcast-Folge samt Artikel stand der neue Trendreport „Grüner wird’s nicht“ im Fokus.

Eine der Autorinnen und großartige Unterstützerin des Reports, Uta Gruenberger, spricht im Interview über ihre Ansichten zur Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung von Naturhotels und verrät uns Tipps, Tricks und Best Practice-Beispiele rund um die Grüne Hotellerie.

 

 

Kernaussagen

  • Den Begriff der Nachhaltigkeit muss man nicht ausführlich erklären. Es geht darum, ob jeder etwas macht oder nicht.
  • Reisen hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck, allein schon durch den Weg zum Urlaubsort. Dennoch könnte man gerade den Urlaub nutzen, um einen Bezug zur Natur herzustellen.
  • Naturhotels bieten eine wunderbare Gelegenheit, diese Liebe und die Achtsamkeit im Detail zu entdecken und eine Freude an der Natur zu entwickeln.
  • Wenn ich das Regionale unterstütze, dann sollte der Bauer nicht auf Gelder und Vorschriften der EU angewiesen sein, um Bio zu produzieren können.
  • Wir leben in einer Zeit, in der es nötig sein wird, den Preis anzuheben, um dadurch ein Klientel heranzuziehen, denen es wert ist, für Nachhaltigkeit zu bezahlen.

Transkript dieser Podcast-Folge

Marco: Hallo Uta, vielen Dank, dass du Zeit gefunden hast, um Gast in meinem Podcast zu sein. Ich habe im Intro schon erwähnt, um was es heute geht, nämlich um den Trendreport „Grüner wird’s nicht“, den du maßgeblich mitgestaltet hast. Bitte stell dich unseren Hörerinnen und Hörern kurz vor. Wer bist du, und was machst du?  #00:01:06-1#

Uta: Ich bin gebürtige Deutsche, wie man bestimmt gleich hören wird, wenngleich ich schon seit zwanzig Jahren in Österreich lebe. Hier übe ich meinen Beruf aus, und hier hatte ich früher meine Filmproduktion. Nach dem Abitur bin ich in die Kommunikation hineingerutscht, und zwar direkt auf allen Ebenen. Zunächst habe ich den klassischen Journalismus von der Pike auf gelernt, um anschließend in die Werbung zu wechseln. Dort war ich bei Eiler & Riemel BBDO tätig und hatte einen Chef, der mir nicht nur das Texten, sondern auch die Optik beigebracht hat, also das Fotografieren und das Filmen. Er sagte mir, „Uta, deine Texte werden nur gelesen, wenn die Optik sexy ist“. Insofern bin ich von Anfang an sowohl auf der redaktionellen als auch auf der werberischen Ebene unterwegs gewesen. Dazu gehörte das Schreiben, Print, Intellektuelles sowie Konzeption und Bildgestaltung.  #00:02:12-2#

Diese umfassende Ausbildung war sehr generalistisch. Heutzutage ist es eher üblich, sich zu spezialisieren. Projekte wie euer Report machen deshalb besonders viel Spaß, weil man frei arbeiten und eigene Vorschläge zur Umsetzung der Ideen einbringen kann.  #00:02:47-4#

Marco: Dein Bezug Bezug zum Tourismus und die Liebe zu Österreich sind im Anschluss entstanden?  #00:02:54-5#

Uta: Ich bin im Allgäu nahe der österreichischen Grenze aufgewachsen, sprich, Österreich war sowieso nur einen Hupfer entfernt. Die Liebe zu Österreich ist außerdem ganz konkret durch einen Mann entstanden, der mich buchstäblich dorthin entführt hat. Inzwischen lebe ich seit dreißig Jahren hier. Mein touristischer Bezug hat seinen Ursprung bei meinen Großeltern, die ein kleines Hotel in der Nähe des Bodensees führten. Dort habe ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht. Den Trubel um mich herum habe ich immer sehr geliebt. Außerdem habe ich aufgrund meiner beruflichen Tätigkeiten viel Zeit in Hotels verbracht, wo ich oft die „Dachprinzessin“ war.  #00:03:53-2#

Im Hotel lebt man unter Menschen, befindet sich jedoch gleichzeitig in einer Art Zeitlosigkeit. Das Zitat des Dichters Rainer Maria Rilke, „das ist die Sehnsucht: wohnen im Gewoge, und keine Heimat haben in der Zeit“, beschreibt dieses Gefühl sehr treffend. Seit 2015 beschäftige ich mich mit Branding und Corporate Identity-Arbeit für Hotels, insbesondere, weil ich 2010 mit einer therapeutischen Ausbildung begonnen habe. Ganz konkret geht es dabei um Ayurveda, Atemtherapie, Massagen, Yoga und Meditation. Damit kenne ich mich auch aufgrund meiner eigenen medizinischen Historie ziemlich gut aus. Diese Methoden kann ich gut einbringen, wenn es um Hotelprojekte geht, die in alternativ agieren wollen.  #00:04:53-4#

Marco: Das sind beste Voraussetzungen. Texte sind schön und gut, aber die Optik und die Emotionen spielen gerade in der Hotellerie eine wichtige Rolle, denn sie ziehen uns an. Damit möchte ich zu unserem Projekt überleiten, das wir gemeinsam gestaltet haben: Grüner wird’s nicht. Die Nachhaltigkeit und alle Marketingaktivitäten rund um dieses Thema werden immer wichtiger. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?  #00:05:39-6#

Uta: Ich neige dazu, nachhaltig mit „nachhallend“ zu ersetzen, was bedeutet, dass man etwas gestaltet. Das Wort „nachhaltig“ wird so oft gebraucht, dass man es fast schon nicht mehr hören kann. Letztendlich weiß jeder genau, um was es geht und wie leicht es sich in diesem Bereich schummeln lässt. Das führt uns zum Thema Greenwashing. Jeder weiß genau, wo man im persönlichen Alltag ansetzen kann, um die Welt ein wenig achtsamer zu behandeln. Den Begriff der Nachhaltigkeit muss man nicht ausführlich erklären. Es geht darum, ob jeder etwas macht oder nicht.  #00:06:49-0#

Marco: Kein anderes Thema ist in den letzten fünfzehn Monaten so kontrovers und präsent diskutiert worden wie die Nachhaltigkeit und alles rund ums Grüne. Fridays for Future gab es bereits vor Corona, und während der Pandemie fanden wir plötzlich Zeit zum Nachdenken. Die beiden treibenden Kräfte waren die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit. Andererseits bemerken wir, dass unsere Vorsätze schnell in Vergessenheit geraten, sobald wir in Urlaub fahren. Ist das nicht ein Widerspruch? Wir reisen in ferne Länder, und die Hotels, in den wir unterkommen, sind oft alles Andere als nachhaltig. Das heißt, wir agieren anders, als wir es propagieren.  #00:07:47-0#

Uta: Reisen hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck, allein schon durch den Weg zum Urlaubsort. Das ist verrückt. Dennoch könnte man gerade den Urlaub nutzen, um einen Bezug zur Natur herzustellen. Meiner Meinung nach hat der Hotelier hier die absolute Pole Position, um den Menschen, vor allen den Kindern und Jugendlichen, den Bezug zur Natur zugänglich zu machen. Damit sind wir bei den Naturhotels. Wenn nicht draußen im Freien, wo sonst kann ich bewirken, dass Menschen ihre Liebe zur Natur entdecken? Das ist das Mittel, mit dem man persönliche Freude aufbaut und dem Menschen hilft, sich mit etwas zu beschäftigen, was ihm am Herzen liegt. Die Leute ändern ihr Verhalten nicht, bevor es nicht richtig weh tut. Egal in welchem Wirtschaftsbereich, so lange wir ohne Konsequenzen weitermachen können, werden wir es tun. Erst, wenn eine Liebe durch einen ganz persönlichen Bezug hergestellt ist, werden wir uns erheben und etwas ändern.   #00:09:28-9#

Das bringt uns mitten in unser Thema. Naturhotels bieten eine wunderbare Gelegenheit, diese Liebe und die Achtsamkeit im Detail zu entdecken und eine Freude an der Natur zu entwickeln. Den Hotelier sehe ich dabei in der Rolle eines Zirkusdirektors, der Einfluss darauf nehmen kann. Er hat eine wichtige Funktion und kann die notwendige Atmosphäre ganz auf seine eigene Art gestalten.  #00:10:06-2#

Marco: Damit sagst du etwas sehr Wichtiges, und mir gefällt das Bild des Zirkusdirektors sehr gut. Er ist derjenige, der den Stock schwingt, die Manege rüttelt und den Besuchern vermittelt, was ihm selbst wichtig ist. Im Vorfeld der Erstellung des Trendreports hast du mit vielen Betreibern gesprochen, deren Häuser die Speerspitze der heimischen Naturhotels darstellen. Was waren im Zuge deiner Recherche die Schlüsselerlebnisse dieser Best Cases?  #00:10:53-9#

Uta: Das Schlüsselerlebnis war die Erkenntnis, dass es nicht so viele Best Cases gibt, wie wir gerne hätten. Vieles, was unter dem Begriff Naturhotels läuft, scheint eher eine Marketingstrategie als eine ernste Absicht zu sein. Ich wollte Einrichtungen finden, bei denen man die Lust auf Nachhaltigkeit spürt und habe schnell entdeckt, wo tatsächlich ein persönliches Engagement dahintersteckt und wo nicht. Wie gut diese Konzepte schließlich umgesetzt werden, das ist dann die nächste Frage. Bei meiner Recherche war ich nicht immer begeistert davon, was am Markt passiert. Positive Schlüsselerlebnisse hatte ich nur bei wenigen Hotels.  #00:12:03-8#

Das Forsthofgut in Leogang ist ein fantastisches Beispiel, nicht nur von der Architektur her. Dort schließt man sich mit anderen Hoteliers zusammen, um Nachhaltigkeit zu fördern. Es werden Programme und Unterkünfte für die Mitarbeiter geschaffen, und auch ihnen merkt man ihre Freude an der Arbeit und am Konzept der Hotels an. Darum geht es in allen einzelnen Bereichen. Ich bin davon überzeugt, dass große Dinge nur geschehen, wenn die Menschen Eigenantrieb und Initiative entwickeln.  #00:13:02-1#

Ein Augenöffner war auch mein Treffen mit Irene Auer vom Hotel Waldklause. Die Gebäude sind echte Vollholzbauten, was zur Zeit ihrer Entstehung eine echte architektonische Pionierarbeit war. Die Akustik ist eine Herausforderung, und dem Bauprojekt wurden damals viele Steine in den Weg gelegt. Das ist zwar schon zwanzig Jahre her, aber die Methode scheint immer noch in den Kinderschuhen zu stecken. Irene Auer hat mich sehr beeindruckt. Zur Nachhaltigkeit gehört für sie auch, dass sie ihren Mitarbeitern während der Corona-Pandemie eine Psychologin zur Verfügung gestellt hat.  #00:13:47-9#

Marco: Das ist ein ganz wichtiger Faktor, der oft untergeht. Du hast gesagt, dass jeder wüsste, was Nachhaltigkeit bedeutet, aber ich glaube, dass man oft nur an den grünen Effekt denkt, wenn man von Nachhaltigkeit spricht. Auch die soziale Nachhaltigkeit ist sehr wichtig.  #00:14:12-3#

Uta: Da hast du recht, dieser Aspekt wird noch viel zu wenig bedacht. Naturhotel, das bedeutet die Integration von Mensch und Natur, was auch die Mitarbeiter einschließt. Der Fachkräftemangel zieht sich durch den ganzen DACH-Raum. Wer will heute noch in der Gastronomie arbeiten? Dazu gehört auch, dass man sich auf die Gäste konzentriert. Ich muss mir die Gäste so heranziehen, dass sie mit meinen kostbaren Mitarbeitern auf eine Art und Weise umgehen, dass sie in der nächsten Saison noch Lust haben, für mich zu arbeiten. Ich stelle ihnen eine gute Unterkunft und gute Arbeitsbedingungen zur Verfügung, aber auch die Gäste müssen lernen, dass Respekt nicht eingleisig gefahren werden kann.  #00:15:06-4#

In der heutigen Zeit des Narzissmus, der Selfie-Manie und Selbstdarstellung scheint es aus der Mode gekommen zu sein, dem anderen zu dienen und ihm Freude zu machen. Die Angestellten bekommen oft nicht die Wertschätzung, die ihnen zusteht. All das spielt eine Rolle, und du hast recht, dass diese Dinge zu wenig bedacht werden.  #00:15:36-4#

Marco: Das einander Dienen ist in einen anderen Kontext geraten, als er ursprünglich gedacht war. Anderen eine Freude zu bereiten, das sollte das höchste Gut sein. Heute fühlen sich die Menschen abgewertet, wenn sie anderen dienen sollen.  #00:15:51-3#

Uta: Wenn ich mein Lieblingshotel gefunden habe, dann ist doch nichts gemütlicher und freundlicher, als wenn mich der Ober aus dem Vorjahr wiedererkennt, mir entgegenlacht und sogar noch meinen Namen weiß. Das ist das andere Ende der Geschichte, dass sich Gäste sehr freuen, wenn man sich an sie erinnert. Wir befinden uns in einer Art Yin-Yang, und ich sehe es als die Aufgabe des Hoteliers, sowohl die Gäste als auch die Angestellten für diese Problematik zu sensibilisieren. Es gibt genug zu tun. Es gilt nicht nur, auf die rein ökologischen Aspekte einzusteigen, sondern auch auch auf die Gestaltung der Atmosphäre, die verdammt viel mit den Menschen zu tun hat, und zwar auf beiden Seiten.  #00:16:37-9#

Marco: Absolut. Ich möchte noch ein Stichwort aufnehmen, das du vorhin genannt hast. Du hast gesagt, dass sich zwar viele Betriebe „Naturhotel“ nennen, dass sie das Thema aber nicht sehr ernst nehmen oder nicht hinter dem stehen, was der Schein zeigt. Was zeichnet deiner Meinung nach ein Naturhotel aus? Um welche Must-Haves sollte man sich kümmern, bevor man sich als Naturhotel bezeichnet?  #00:17:05-9#

Uta: Natürlich gehört mehr dazu, als ein Gebäude in der Natur zu haben. Es reicht nicht, zu sagen, dass man an die Fernwärme angeschlossen ist. Interessanter wird es, wenn mein Infinity-Pool eine Möglichkeit zur Wärme-Rückgewinnung im Wellnessbereich hat. Sind die Heizungsrohre isoliert, auch in den Zimmern? Mittlerweile gibt es fantastische Techniken. Der andere Aspekt ist die Regionalität, der im Zusammenhang mit Naturhotels oft angepriesen wird. Aber kann ich wirklich beurteilen, ob ich die Bauern in der Region mit meinem Aufenthalt unterstütze? Stellen ihre Lieferungen an das Hotel gute Einnahmen sicher? Oder bekomme ich zum Frühstück doch die Erdbeeren, die Mangos oder Avocados, die das ganze Jahr über in anderen Ländern gezüchtet werden? Das ist natürlich alles andere als ein guter ökologischer Footprint.  #00:18:31-1#

Marco: Vollkommen richtig. Diese Diskussion habe ich auch schon öfter verfolgt. Was ist deiner Meinung nach wichtiger, Bio oder die Regionalität?  #00:18:36-2#

Uta: Ich glaube, dass das Regionale im Moment ganz arg im Vordergrund stehen sollte. Früher war Bio ganz normal, gerade auch in Österreich. Man hatte eine natürliche Fruchtfolge auf den Feldern, und es gab noch keine Monokulturen. Der Bauer hat seine Felder maximal genutzt, ohne sie auszulaugen. Es gab nicht fünfmal pro Jahr eine einzige Pflanze, genährt mit irgendwelchen Düngern, sondern es wurde nur ein- bis zweimal im Jahr geerntet. Weil man ein Bauer war, war alles, was man getan hat, automatisch Bio. Es war keine besondere Auszeichnung.  #00:19:27-9#

Wenn ich das Regionale unterstütze, dann sollte der Bauer nicht auf Gelder und Vorschriften der EU angewiesen sein, um Bio zu produzieren können. Er sollte für den Liter Milch genug Geld erhalten, damit seine Kuh nicht zum Luxusobjekt mutiert. Deswegen glaube ich, dass der Trend zurück in die Regionalität geht. Das wird das neue Bio und gleichzeitig der wichtigste Aspekt beim Footprint eines Naturhotels sein. Diese Art zu wirtschaften macht auch besonders viel Spaß.  #00:20:01-9#

Marco: Das ist eine ausgezeichnete und natürlich Verbindung zwischen Tourismus und Landwirtschaft.  #00:20:08-4#

Uta: Wenn ich meinen Gästen den Bauern von nebenan zeigen kann, dann ist das ein Pluspunkt in der Erlebniswelt des Aufenthalts. Ich kann den Kindern zeigen, wie ein Huhn geschlachtet wird oder wie oft eine Henne ein Ei legt. Wie legt man einen Kräutergarten an? Vielleicht bieten wir an, gemeinsam Beeren zu pflücken und Marmelade zu kochen. Auch Erwachsene haben großen Spaß daran, ihre Brombeermarmelade selbst herzustellen. Das kann eine einfache Aktivität sein, die man den Gästen anbietet. Zu Hause zeigt man das Marmeladenglas oder verschenkt es an seine Lieben und ist stolz wie Bolle, dass man gelernt hat, wie das Einkochen funktioniert. Es gibt viele Möglichkeiten, sowohl die Region als auch die Gäste einzubeziehen. Das wird langfristig lustiger und interessanter sein.  #00:20:55-4#

Marco: Du hast uns einige gute Tipps gegeben. Lass uns auf die Meta-Ebene zurückwechseln und das Gesamtbild betrachten. Für den Trendreport hast du ein Interview mit dem Philosophen Philipp Blom geführt. Ich habe mir sein Buch „Das große Welttheater“ gekauft, das voller bedeutender Gedanken steckt. Was ist sein Bezug zur Zukunft des Tourismus und zur Nachhaltigkeit, und was hat dich beim Interview mit ihm besonders beeindruckt?  #00:21:37-9#

Uta: Ich empfehle zunächst, sich das großartige Interview von Philipp Blom im Schweizer Fernsehen SRF Kultur im Rahmen der Philosophischen Sternstunde anzusehen. Man findet es auf YouTube.  #00:22:03-5#

Marco: Ich werde es in den Show Notes verlinken.  #00:22:03-5#

Uta: Über dieses Interview bin ich damals auf Philipp Blom gestoßen. Mir war vorher nicht bekannt, wie sehr er sich für die Natur und für die Nachhaltigkeit  einsetzt und dass seine Betrachtungen als Historiker der Menschheitsgeschichte in ein unverblümtes Engagement übergegangen ist. Er rüttelt die Leute wach, und ich war stolz, dass ich ein Interview für ein kommerzielles Unternehmen wie Prodinger mit ihm führen konnte. Genau das begeistert mich an Blom, nämlich dass er nicht auf super intellektuell macht, sondern dass er jeden Kanal nutzt, mit dem er Menschen erreichen kann, um seine Gedanken zu äußern.  #00:23:01-3#

Ich hatte die große Ehre, das Interview für den Trendreport bei ihm zu Hause führen zu dürfen. Er wird bestimmt schmunzeln, falls er das hört, aber es war wirklich toll, in seine Räumlichkeiten einzutreten. Er ist nicht nur von der Statur her ein großer Mann, sondern man spürt, dass hier das große Denken gepflegt wird und dass dieses Haus ein Raum des Reflektierens ist. Seine Frau ist übrigens Autorin.  #00:23:43-1#

Während des Interviews musste ich keine Fragen stellen, sondern lediglich kurze Anstupser liefern. Seine Betrachtungen perlten aus ihm heraus, und das in einer besonders schönen Sprache. Bloms Bezug zum Tourismus ist durch seine Liebe zum Wein entstanden, über die er auch ein Buch geschrieben hat. Auch meinen Zugang, dass ich den Hotelier in der Pole Position sehe, fand er spannend. Wir betreiben seit Jahrhunderten Raubbau an der Natur, und wir haben nicht mehr lange Zeit. Wenn wir so weitermachen wie bisher, brauchen wir bald nicht mehr über Nachhaltigkeit sprechen, denn dann wird es nur noch um die Beschränkung von Katastrophen gehen. Und das wird vor allem auch die Naturhotels treffen.  #00:24:53-2#

Philipp Blom formuliert seine Ansichten klar und präzise. Er sagt, dass wir in 50 Jahren nicht mehr von Corona betroffen sein werden, weil wir uns dann mit anderen Relationen beschäftigen. Nichtsdestotrotz ist die Pandemie eine große Chance, um über unseren Umgang mit der Natur nachzudenken. Es entsteht ein Zwang von außen, der uns dazu bringt, unser Verhalten zu ändern. Offensichtlich können wir nicht mehr weitermachen wie bisher. Das ist seine Message.  #00:25:30-6#

Meine Idee ist auch, die Hoteliers zusammenzubringen. Wir könnten Plattformen schaffen, die alle gemeinsam nutzen. In dem Zusammenhang möchte ich die Zuhörerinnen und Zuhörer gerne fragen, ob es ihnen Spaß machen würde, Informationen zu nachhaltig agierenden Unternehmen und Methoden zu erhalten. Man könnte zum Beispiel gemeinsam herausfinden, wie man die Wärmeversorgung oder die Dichtung der Fenster in Hotels verbessert. Wir könnten über neueste Entwicklungen und spannende Innovationen im Bio-Design berichten. Wo gehen die jungen Firmen hin, und was werden wir in zehn Jahren sehen? Wären die Hoteliers an diesen Informationen interessiert, oder sind sie derart vom Tagesgeschäft absorbiert, dass ihnen die Kapazitäten für diese Überlegungen fehlen? Könnten wir, in Zusammenarbeit mit Prodinger, dazu beitragen, dass sich Hoteliers zusammenschließen, um regionale Engagements zu unterstützen? Philipp Blom sagte, dass dies nicht einfach umzusetzen sei und dass es Macher bräuchte, die sich zur Verfügung stellen.  #00:26:44-9#

Marco: Es geht mehr um die intrinsische Motivation als um das kollektive Bewusstsein.  #00:26:51-5#

Uta: Es wird sicher einige geben, die die Initiative ergreifen und ins Tun kommen. Wir haben keine Zeit mehr, um auf alle zu warten. In dieser Denkweise ist Philipp Blom ganz klar. Ich kann jedem nur empfehlen, sich das Interview in der Sternstunde auf YouTube anzuschauen.  #00:27:14-2#

Marco: Bleibt uns dann noch Optimismus?  #00:27:18-7#

Uta: Natürlich.  #00:27:23-0#

Marco: Sehr gut!  #00:27:23-4#

Uta: Damit kommen wir zurück zur Lust. Wir leben in einer Zeit, in der es nötig sein wird, den Preis anzuheben, um dadurch ein Klientel heranzuziehen, denen es wert ist, für Nachhaltigkeit zu bezahlen. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um die Wertschöpfung, und die Hoteliers müssen sich ihrer Rolle als Dienstleister wieder bewusst werden. Philipp Blom hat vorgeschlagen, ganz Österreich zu einem gigantischen Gebiet für Naturhotels zu machen. Dazu ist es nötig, einen Preis zu nennen, um nachhaltig agieren zu können. Wir brauchen keine Schnäppchenjäger und All-inclusive-Gäste mehr, sondern wir wollen Werte schaffen. Diese werden entweder bezahlt, oder wir reduzieren die Zimmer und empfangen nur noch einen kleinen Kreis an Gästen, die dieses Angebot wertschätzen.  #00:28:36-2#

Lieber weniger Urlaub und nicht öfter mal wegfliegen, sondern gepflegte zwei bis drei Wochen in einem Hotel verbringen, in dem ich nicht nur perfekt aufgehoben bin, sondern wo es um etwas geht, was uns allen guttut.  #00:28:48-5#

Marco: Qualität vor Quantität. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob es etwas bringt, wenn sich einige wenige Leuchttürme dieses Etikett anheften und nicht zumindest ein Großteil der Betriebe mitzieht. Einige erste Schritte müsste wahrscheinlich jeder machen.  #00:29:11-3#

Uta: Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie man überhaupt noch auskommt. Ich verlege mein Büro jeden Sommer nach Griechenland auf eine Insel, die ein großes Wasserproblem hat. Dort wird das Trinkwasser noch mit dem Schiff angeliefert, und es ist ein absolutes No-Go, das Toilettenpapier über das WC zu entsorgen. Wenn man das zwei Monate lang gemacht hat und nach Österreich zurückkommt, dann erkennt man, dass wir in Österreich zwar noch viel Wasser haben, aber eigentlich achtsamer damit umgehen sollten.  #00:29:42-5#

Das Gleiche gilt für die Mengen an Müll, den wir produzieren. Es gibt Möglichkeiten und Wege, mit denen jeder für sich einen Beitrag leisten kann. Ich frage mich, wie man diese Thematik heute noch verdrängen kann. Jeder halbwegs intelligente Mensch muss eine Verantwortung für sein Handeln tragen. Und wenn jeder bei sich selbst im Kleinen beginnt, dann entsteht eine Freude am Erreichten, weil man sieht, dass auch die Anderen etwas machen. Wenn jeder etwas dazu beiträgt, haben alles das Gefühl, einen Nutzen zu stiften. Diesen Traum möchte ich nicht aufgeben, auch wenn er sich naiv anhört.  #00:30:36-7#

Marco: Auch ich bin ein Optimist und denke oft an das Sinnbild des Schmetterlingseffekts, der beschreibt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auf der anderen Seite der Erde auslösen kann. Kleine Veränderungen des Systems können sich langfristig auf seine Entwicklung auswirken. So lange es Menschen gibt, die etwas zur Veränderung beitragen wollen, besteht Hoffnung auf eine gute Zukunft. Vor allem im Tourismus, denn dort wollen wir etwas bewegen.  #00:31:02-2#

Damit sind wir am Ende unseres Gesprächs angelangt. Hast du noch etwas, was du loswerden willst, oder gibt es noch einige Tipps und Tricks für Hotelbetriebe, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wollen?  #00:31:16-5#

Uta: Ich möchte den Hotelier gerne nochmal bestärken, den Wandel in Angriff zu nehmen. Die erste Aufgabe besteht darin zu prüfen, wo man selbst anfangen kann, sich für die Zukunft zu rüsten. Sei es, dass ich neue Technologien einbaue oder mich bemühe, meinen Verbrauch an CO2 zu reduzieren. Es gilt, einen Blick dafür zu entwickeln, wo Investitionen sinnvoll sind. Mittlerweile weiß man, dass sich solche Anlagen bereits nach wenigen Jahren rechnen. Es sind keine Spinner, die in die neue Technologien investieren.  #00:32:12-3#

Im zweiten Schritt würde ich mich freuen, wenn ich die Hotelbetreiber dazu motivieren könnte, auf ihre regionale Herkunft zu vertrauen. Unterstreicht euer Ambiente und betont die Vorteile, die ihr bieten könnt. Legt Wert auf euren ganz persönlichen Style, auf die Ausstrahlung, auf das Familiäre. Das ist wertvoller, als in einen allgemeinen Konformismus hineinzugeraten, der lediglich andere Methoden kopiert. Verstellt euch nicht, sondern zeigt, was euch besonders macht. Klar, ein Zirkusdirektor kann eine Show abziehen, auch gut! Aber dann ist es die eigene Show, und dann passt es. Das ist praktizierte Authentizität. Traut euch, bleibt bei euch und zeigt eure Qualitäten. Und seid dabei ehrlich zu euch selbst.  #00:33:29-7#

Marco: Man sollte sich überlegen, wofür man steht und welche Werte einem wichtig sind. Das sollte man repräsentieren.  #00:33:37-4#

Uta: Ja, absolut.  #00:33:41-6#

Marco: Vielen Dank für das Interview, liebe Uta. Du hast uns sehr spannende Gedanken vermittelt. Bis bald.  #00:33:49-1#

Uta: Ich danke dir. Es hat mir viel Spaß gemacht.  #00:33:55-9#

Weiterführende Informationen

Uta Gruenberger ist seit 1985 freie Journalistin und war für die Magazine STERN, SPORTS, FORBES, QVEST, MAX, HARPERS BAZAAR, PARK AVENUE etc. auf Portraits von interessanten Persönlichkeiten spezialisiert. Zuletzt für DIE WELT eine Reportage zur künstlichen Intelligenz „Robot Sophia“ sowie Hotel- und Reiseberichte.

Sie beschäftigt sich seit 2009 intensiv mit dem menschlichen Bewusstsein und hat die Hoffnung auf eine positive, grüne Zukunft noch nicht aufgegeben.

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