Die heimische Hotelbranche steckt in einer Zwickmühle. Einerseits gibt es erfreuliche Zuwachsraten, andererseits sind die Betriebsergebnisse trotz der Buchungslage, die nach Corona wieder angestiegen ist, sehr unter Druck geraten. Das hat auch mit den steigenden Kosten und den bekannten Rahmenbedingungen zu tun.
Was bedeuten steigende Zinsen und eine volatile Kostenentwicklung für Neu- und Umbauprojekte beziehungsweise für Qualitätsoptimierung und für die Investitionstätigkeiten generell? Der Leitzins beträgt aktuell 4 Prozent. Das ist bereits die 8. Zinserhöhung in Folge, seitdem die EZB im vergangenen Juli die Nullzinsphase nach sechs Jahren in der Eurozone beendet hat. Kredite werden immer teurer, und es wird zunehmend schwerer, sie zu erhalten. Wie die Einschätzung der Experten ist, werden wir uns in der aktuellen Podcast-Folge zum Thema Hotelfinanzierung ansehen.
Als Interviewpartner zu Gast waren Matthias Matzer (Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank) und Thomas Reisenzahn (Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung).
Kernaussagen des Interviews
- Hoteliers haben eine erfolgreiche Saison hinter sich und blicken zuversichtlich in die Zukunft.
- Kredite sind noch zu bekommen. Sie sind sogar noch relativ zinsgünstig, vor allem, wenn man in den Westen des Landes schaut.
- In Tirol, Vorarlberg und Salzburg ist das Kreditzinsniveau bisher nicht angestiegen. Im Osten Österreichs sind die Margen und Aufschläge deutlich höher.
- Wenn die Raten im Winter nicht nach oben gezogen worden sind, dann haben einige Betriebe bereits Liquiditätsprobleme. Das wirkt sich auch auf die Finanzierungen aus.
- Es ist klar ersichtlich, dass die Unternehmen zögerlich sind und erst einmal abwarten. Sie könnten investieren, müssen es aber nicht. Das Jahr 2023 wird ein eher ruhiges Investitionsjahr werden. 2024 muss wieder frischen Wind bringen.
- Ganz wesentlich ist, dass die Regulatoren, also die Nationalbank, FMA und die EZB ebenfalls mit der ESG-Brille auf die Qualität der Kredite schauen, weil sie sich die Frage stellen, wie es im Tourismus ausschaut.
- ESG bietet viele Chancen und Möglichkeiten, aber gleichzeitig muss man aufpassen, dass die Kriterien zukünftig erfüllt werden und dass man auf der Welle mitschwimmt und im Trend bleibt.
Transkript der Podcast-Folge
Marco: Hallo Matthias, hallo Thomas, herzlich willkommen bei Smart Hotel Key. Ich freue mich, dass ihr heute im Podcast zu Gast seid. Im Intro habe ich kurz erzählt, worum es heute gehen wird, wer meine Gesprächspartner sind, und dass wir heute die höchste Expertise an Bord haben, die wir uns vorstellen können. Lieber Matthias, wie siehst du die aktuelle Situation? Welches Stimmungsbild zeichnet sich in der Branche ab? Und das Wichtigste, was wahrscheinlich die meisten interessiert: Ist es überhaupt noch möglich, Kredite zu bekommen? #00:01:52-0#
Matthias: Hallo Thomas, danke für die Einladung, und hallo natürlich auch an Marco. Die Situation und das Stimmungsbild sind im Moment noch gut. Die Hoteliers haben eine erfolgreiche Saison hinter sich und blicken zuversichtlich in die Zukunft. Ja, Kredite sind noch zu bekommen. Sie sind sogar noch relativ zinsgünstig, vor allem, wenn man in den Westen des Landes schaut. In den Gegenden Tirol, Vorarlberg und Salzburg ist das Kreditzinsniveau bisher nicht angestiegen. Im Osten Österreichs sind die Margen und Aufschläge deutlich höher. Aber ich habe bisher noch nicht davon gehört, dass es zu einem Engpass oder zu einer echten Verknappung gekommen wäre. Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Ratings der Kunden, speziell im Tourismus, im letzten Jahr gut entwickelt haben und einen positiven Trend aufzeigen. #00:02:57-5#
Langsam aber sicher sieht man allerdings Wolken, die am Horizont auftauchen. Dabei geht es speziell um die Frage einer nachhaltigen Ertragskraft des Betriebes. Wie gut können Unternehmen ihre Preise noch durchsetzen, wenn wir die vielen COFAG-Förderungen ausblenden? Sollte die Ertragskraft sinken, wird sich der Risk Manager der Bank natürlich fragen, wie viel Risiko die Tourismusbranche noch tragen kann. Dann kann es relativ rasch zu einer Kreditverknappung kommen. Zumal es wahrscheinlich in den nächsten zwei, drei Jahren zu einer verstärkten Investitions- und Finanzierungsnachfrage seitens der Hoteliers kommen wird. #00:03:48-1#
Marco: Es muss regelmäßig investiert werden. Wir reden in der Hotellerie von rund einer Milliarde, die nötig ist, um internationale Marktanteile aufrechtzuerhalten. Du hast erwähnt, dass es derzeit noch problemlos möglich ist, Kredite zu erhalten. Natürlich muss auch die Ertragskraft stimmen. Die Teuerungen betreffen fast alle Sektoren, und der Zinsanstieg ist lediglich ein weiterer Punkt, der hinzukommt. Das gleiche gilt für die Immobilienpreisentwicklungen. Bei den Finanzierungen nehmen wir wahr, dass die Eigenkapitalquote ein immer wichtigerer Faktor wird. Thomas, wie siehst du die aktuelle Entwicklung, und welche Folgen haben diese Rahmenbedingungen? #00:04:27-1#
Thomas: Zunächst auch von meiner Seite ein herzliches Hallo. Matthias hat es bereits gesagt: Die erste Nagelprobe war der vergangene Winter. Betriebe konnten ihre Raten glücklicherweise nach oben setzen und somit alle Kosten decken. Die Auswertung der Wintersaison, bei der wir über 200 Ferienhotels einbezogen haben, hat gezeigt, dass sich viele Kostenfaktoren erhöht haben. Die Gesamtumsätze pro Zimmer sind um 15 Prozent gestiegen. Das ist sehr beängstigend. Die Energiequote hat sich mittlerweile um 77 Prozent erhöht. Und weil dem Arbeitsmarkt immer weniger Mitarbeiter zur Verfügung stehen, stiegen auch die Personalkosten, nämlich um rund 11 Prozent. Dabei sind die KV-Erhöhungen, die im Sommer aufschlagen werden, noch gar nicht berücksichtigt. #00:05:50-2#
Die Unternehmenszahlen sind angespannt. Wenn die Raten im Winter nicht nach oben gezogen worden sind, dann haben einige Betriebe bereits Liquiditätsprobleme. Das wirkt sich auch auf die Finanzierungen aus. Matthias, hast du bei deinen Recherchen im Westen Österreichs Aufschläge unter 2 Prozent gesehen? #00:06:32-6#
Matthias: Ja, derzeit liegen sie deutlich unter 2 Prozent. #00:06:37-4#
Thomas: Das ist spannend, denn es bedeutet, dass es nicht so sehr auf die Laufzeit ankommt. Die Hausbanken sind preislich relativ unsensibel, egal, ob die Bindungsfrist 12, 15 oder 20 Jahre beträgt. Man sieht, dass der Markt aggressiv ist, und man befürchtet, dass man sich aus dem Markt herausschießt, wenn man 2 Prozent überschreitet. #00:07:06-5#
Matthias: Uns liegen aber auch Angebote über 2 Prozent vor, die aus dem Westen kommen. Natürlich hängt das vom Projekt und von der Gesamtsituation ab beziehungsweise von der Einschätzung der Banken. #00:07:21-0#
Marco: Der Zinsanstieg ist nur eine von mehreren Komponenten. Einerseits sehen wir Baupreisentwicklungen und Investitionen, die in die Höhe schnellen. Auf der anderen Seite erleben wir, dass Investitionen aufgrund der unterschiedlichen Fördermöglichkeiten vorgezogen werden. Matthias, die Abwicklung der vielen Förderanträge sind für euch ein guter Indikator für die Investitionsfreudigkeit. Sehen wir einen starken Rückgang? #00:07:58-8#
Matthias: Die Zahlen der Anträge und Bewilligungen der ÖHT zeigen, dass es einen erheblichen Rückgang gibt. 2019 ist aus meiner Sicht eine relativ vernünftige Benchmark, denn die darauffolgenden Jahre waren von Covid sowie von Sonderförderungen geprägt. Wenn wir vom Benchmark 2019 ausgehen, dann hatten wir einen Einbruch von 100 Prozent, aber derzeit liegen wir bei den Krediten bei 60 Prozent. Interessant ist der Bereich der Zuschüsse, der nach wie vor auf einem relativ stabilen, hohen Niveau liegt, nur marginal unter dem von 2019. Der Grund dafür ist, dass das 1. Quartal zum letzten Jahr gehört, in dem es noch einen Stand-alone-Zuschuss nach der alten Richtlinie gegeben hat. Außerdem sehen wir einen recht interessanten Anstieg bei den Haftungen. Man merkt, dass sich die Risikomanager nicht mehr allein über das Projekt drüber trauen. Der für uns signifikanteste Indikator ist der Kredit, und da liegen wir 40 Prozent unter der Antragszahl von 2019. #00:09:12-6#
Bei den Bewilligungen zeichnet sich ein deutlich schlimmeres Bild ab. Vom Antrag eines Unternehmens bis zur Entscheidung dauert es sehr lange, weil für die Prüfung viele Dokumente vorzulegen sind. Im ersten Quartal 2019 hatten wir knapp 200 Anträge, und jetzt, im ersten Quartal 2023, sind es circa 100. Das ist ein signifikanter Rückgang. Verglichen mit 2022, dem ersten Jahr in der Post-Covid-Normalität, liegen wir dieses Jahr sowohl bei den Anträgen als auch bei den Bewilligungen relativ gut, teilweise sogar über dem Jahr 2022. Die Unternehmen hatten gerade Covid verdaut, da kam die Energiekrise. Dazu kommt der Mangel an Handwerkern. Die Krise wird zum Dauerzustand. Es ist klar ersichtlich, dass die Unternehmen zögerlich sind und erst einmal abwarten. Sie könnten investieren, müssen es aber nicht. Das Jahr 2023 wird ein eher ruhiges Investitionsjahr werden. Ich hoffe, dass 2024 wieder frischen Wind bringt. #00:10:52-7#
Marco: Aufgrund der allgemeinen Verunsicherung und der Rahmenbedingungen herrscht die Meinung vor, dass nicht investiert wird, wenn es nicht sein muss. Es gibt Betriebe, die es sich aussuchen können, und es gibt andere, bei denen die Investitionen generell schwierig geworden sind. Da stellt sich die Frage an dich, Thomas, wenn wir den Markt anschauen, in welchen Bereichen wird denn überhaupt noch investiert? #00:11:22-4#
Thomas: Viele Immobilienentwickler haben in den vergangenen Jahren die Hotelbranche für ihre Investments entdeckt. Büro- und Gewerbeimmobilien sowie Wohnimmobilien haben bereits in der Hochkonjunktur geschwächelt. Viele sind deshalb in Richtung Tourismus ausgewichen. Aufgrund der steigenden Zinsentwicklung und der damit einhergehenden geringeren Renditen sind sie jedoch weggefallen. In diesem schwierigen Jahr 2023 sehen wir noch Investitionen im Bereich Qualitätsverbesserung und Betriebsoptimierung, aber keinesfalls bei Neubauten auf der grünen Wiese. Der dritte und wichtigste Punkt ist das Thema Sparen und Nachhaltigkeit. In diesem Bereich werden viele Investitionen gefordert. #00:12:43-7#
Marco: Baupreisentwicklung, Eigenkapitalquote und die Zinsanstiege, weniger Investitionstätigkeit allgemein, Verunsicherung am Markt, Arbeitskräfte werden weniger und kosten mehr, und zu alledem kommen noch die ESG-Richtlinien auf uns zu. Neubauprojekte werden natürlich viele Auflagen erfüllen müssen. Auch die Bodenversiegelung ist ein Thema. Das bedeutet, dass Neubauprojekte nicht immer erwünscht sind und es eher in Richtung Umbau und Qualitätsoffensive geht. Matthias, was bedeutet das für die Förderrichtlinien? Wie wirken sich die ESG-Richtlinien aus? #00:13:26-9#
Matthias: ESG, also Environmental Social Governance, hat sowohl positive Seiten als auch eine einschränkende Thematik. Es umfasst die rechtlichen Aspekte für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung im Unternehmen. Dazu gehören alle Maßnahmen, die bisher nicht zur klassischen Analyse eines Projekts beigetragen haben, jetzt aber verstärkt in den Fokus rücken. Der Richtliniengeber, unser Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, hat mit ESG einen eindeutigen Schwerpunkt gesetzt. Das Positive ist, dass es einen Nachhaltigkeitsbonus in Höhe bis zu 350.000,- Euro gibt. Den erhält man für besondere Bemühungen bei der Energieeffizienz, beispielsweise bei der Reduzierung der Abfallmengen oder bei der Verbesserung des Energieausweises von Immobilien. Gleichzeitig gibt es strengere Vorgaben bei der Bodenversiegelung. Das bedeutet, dass es auf der Tourismusseite so gut wie keine Förderungen mehr gibt, wenn man keinen Energieausweis vorlegen kann. Für die Projekte heißt es, dass Kreditnehmer nach ihren diversen ESG-KPIs gefragt werden. Was ist der Primärenergiebedarf der Immobilie? Wie wird geheizt, und welchen Verbrauch habe ich bei Strom und Wasser? #00:15:10-2#
Es gibt mehrere Seiten, die zu beachten sind. Ganz wesentlich ist, dass die Regulatoren, also die Nationalbank, FMA und die EZB ebenfalls mit der ESG-Brille auf die Qualität der Kredite schauen, weil sie sich die Frage stellen, wie es im Tourismus ausschaut. Die Laufzeiten für diese Kredite sind lang, 15 bis 20 Jahre sind durchaus üblich bei diesen Investitionen. Die zuständigen Stellen überprüfen auch die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells des Kreditnehmers. Mit diesen Fragen müssen sich in erster Linie die Banken herumschlagen, die diese Aufgabe an die Kreditnehmer weitergeben. Dementsprechend muss jeder investierende Touristiker sicherstellen, dass einerseits eine nachhaltige Ertragskraft im Unternehmen dargestellt werden kann und andererseits die Immobilie instandgehalten wird, so dass sich das Projekt nicht zu einem „stranded Asset“ entwickelt, zu einer Immobilie, die nicht mehr verkauft werden kann, weil sie eine schlechte Energiebilanz hat. Um es kurz zu machen: ESG bietet viele Chancen und Möglichkeiten, aber gleichzeitig muss man aufpassen, dass die Kriterien zukünftig erfüllt werden und dass man auf der Welle mitschwimmt und im Trend bleibt. #00:16:37-5#
Marco: Bei den ESG-Richtlinien geht es nicht nur um die Berichtspflichten für große Unternehmen, sondern es müsste sich jeder Unternehmer künftig mit den Richtlinien für Investitionen und Förderungen befassen, allein schon deshalb, weil sie für die Banken zu einem wichtigen Rating-Instrument geworden sind. #00:17:05-0#
Zukunft geht nicht mehr ohne Nachhaltigkeit, wenn ich eine gute Investition tätigen und Förderungen erhalten möchte. Das betrifft sowohl neue Hotelprojekte als auch den Zubau, Umbau oder die Qualitätsverbesserung. Seht ihr das genauso? #00:17:24-6#
Thomas: Die EU hat das ganz geschickt eingefädelt, indem sie die Verantwortung für die Regularien auf die Banken übertragen hat. Die sind angehalten, ihre Geldflüsse in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken. Und natürlich schlägt die ESG-Thematik in Branchen mit Investitionen im kapitalintensiven Bereich besonders stark durch. #00:18:14-4#
Außerdem, und das hat Matthias bereits angesprochen, wird alles, was mit Nachhaltigkeit zu tun hat, auch von der Gästeseite positiv gesehen. Wir erleben einen Paradigmenwechsel, eine Entwicklung hin zu einer Sinngesellschaft. Viele Gäste legen Wert darauf, dass das Hotel, in dem sie ihren Urlaub verbringen, nachhaltig wirtschaftet. Das ist ein Aspekt, den man als Betrieb positiv einsetzen kann. #00:18:37-9#
Marco: Nachhaltigkeit hat sich zu einem gesellschaftlichen Thema entwickelt. Der Anteil derer, die darauf Wert legen, wird immer größer. Davon bin auch ich überzeugt. Matthias, wie siehst du das? Was muss ein Unternehmer beachten, wenn er investieren und einen Antrag auf Förderung stellen will? In den meisten Fällen wird er wahrscheinlich nicht alle Kriterien erfüllen. Was sind die zwei, drei wichtigsten Topics? #00:19:16-8#
Matthias: Das Wichtigste ist, gut vorbereitet zu sein. Man sollte sich mit ein bis zwei realistischen Planungsszenarien auseinandersetzen. Die Planrechnung sollte zumindest drei, besser fünf Jahre in die Zukunft gehen. Dabei soll klar ersichtlich sein, welche der Maßnahmen einen Umwelt- beziehungsweise Nachhaltigkeitsaspekt haben. So etwas lässt sich nicht nur gut verkaufen, sondern zeigt auch uns als Bankpartnern, dass sich der Kunde mit dem Thema bereits intensiv auseinandergesetzt hat. #00:19:56-2#
Es ist klug, Fragen zu antizipieren, um für ein Gespräch mit uns oder mit der Hausbank gewappnet zu sein. Ein klassisches Thema ist der Umgang mit Kostenüberschreitungen. Wie stellen sich die Finanzierungen dar, und welche Puffer sind eingeplant? Man sollte in der Lage sein, fünf Gründe zu nennen, die dafür verantwortlich sein könnten, das Projekt abzuschießen. Damit ist man auf das Gespräch mit der Bank sehr gut vorbereitet. #00:20:25-1#
Marco: Du hast die Frage angesprochen, welche Maßnahmen einen Nachhaltigkeitseffekt haben. Geht es darum, die Auswirkungen von nachhaltigen Investitionen genau zu kennen? #00:20:40-9#
Matthias: Nein, nicht unbedingt. Nachhaltigkeit ist für die meisten von uns Neuland. Wir müssen uns mit Dokumenten wie dem Energieausweis auseinandersetzen, und das kann ich dem Kunden nicht zumuten. Es ist unsere Aufgabe, den Unternehmer dahingehend zu beraten. Wir schulen unsere Techniker und Energieberater laufend, so dass sie unsere Kunden gut unterstützen können. #00:21:16-3#
In den Gesprächen geht es im Wesentlichen darum zu erfahren, welche Maßnahmen geplant sind und welche Motive dahinterstehen. Manchmal gibt es aber auch gute Gründe gegen eine nachhaltige Aufwertung, zum Beispiel, wenn die Ölheizung derzeit die einzige Alternative ist, weil es kein Fernwärmmöglichkeit gibt oder weil sich eine Hackschnitzelanlage nicht rechnet. Mit diesen Argumenten müssen wir umgehen, aber es ist mir wichtig, dass wir mit dem Kunden intensiv über ESG sprechen und auch verstehen, wo die Engpässe und Schwierigkeiten des Kunden sind. Damit bringen wir einerseits die Awareness nach oben, unterstützen unsere Kunden aber gleichzeitig dabei, Lösungen umzusetzen. #00:22:00-8#
Marco: Ihr seht euch nicht nur als Überprüfer, sondern sehr stark als beratendes Instrument für den Antragsteller. #00:22:11-0#
Matthias: Ja, unbedingt. Das ist eine unserer wesentlichen Rollen. Ansonsten hätten die Menschen das Gefühl, mit dem Thema alleingelassen zu werden. Wir sollten daher als Abwicklungsstelle für die Bundesförderung des gewerblichen Tourismus eine stark unterstützende Rolle einnehmen. #00:22:31-2#
Marco: In Österreich oder generell in Mitteleuropa sind unsere Projekte von der klassischen Bankenfinanzierung geprägt. Thomas, gibt es noch andere Finanzierungsmöglichkeiten, und wie verbreitet sind sie? #00:22:49-4#
Thomas: In Mitteleuropa sind wir mit klassischer Bankfinanzierung aufgewachsen, aber es gibt noch andere Speerspitzen wie etwa das Crowdinvestment beziehungsweise Crowdfunding. Bei den Produktentwicklungen höre ich öfter von Owner-Club-Systemen mit einer Eigenkapitalbeteiligung und gewissen Modifikationen. Darüber hinaus gibt es Investorenmodelle, Anlageprodukte und Buy-to-let, bei denen die wachsenden Zinsen jedoch auch zu schwierigen Situationen führen können. #00:23:47-2#
In der Schweiz sind so genannte Hotelresidenzen oder Condo-Hotel-Konzeptionen verbreitet, bei denen einige Bereiche eines Hotels als Freizeitwohnsitz oder Zweitwohnsitz genutzt werden. Mit diesem Konzept finanziert das Hotel seine Investitionen. Wir bei Prodinger befürworten solche Modelle der „kalten Betten“ nicht. Was man außerdem nicht vergessen darf sind Leasing-Varianten beziehungsweise Privatinvestoren, die sich mit Darlehen oder Stillen Beteiligungen einbringen. #00:24:46-0#
Marco: Macht es die Finanzierung schwieriger, wenn Investoren mit im Boot sind, weil die Renditeerwartungen steigen oder weil sich die Renditen nicht mehr darstellen lassen? #00:25:02-0#
Thomas: Klassische Hotelrenditen liegen meist zwischen 3 und 6 Prozent. Wenn man gleichzeitig das Zinsniveau inklusive der Aufschläge berücksichtigt, ist das natürlich schwieriger darzustellen gegenüber den Investoren. Operative Ergebnisse, die unter Zugzwang kommen, sind Gift für Privatinvestoren im Tourismus. #00:25:34-7#
Marco: Matthias, du hast erwähnt, dass ihr euch als Partner der Hotellerie seht. Wie funktioniert deiner Erfahrung nach die Zusammenarbeit mit den Hausbanken? Ist sie überhaupt notwendig, und falls ja, in welcher Form? Ist die Erwartungshaltung anders als bei euch als abwickelnde Förderbank? #00:25:55-4#
Matthias: Nein, grundsätzlich gibt es wenig Überraschungen. Wir werden insbesondere für die Plausibilisierung von Businessplänen am Markt geschätzt. Das entspricht einer Auswertung oder einem Vergleich mit Benchmarks, die wir bei Investitionen in der Region haben. Wir verfügen über ein enormes Zahlenmaterial von über 2.000 Kunden. Mit unseren Haftungsinstrumenten bieten wir die Möglichkeit, die Strukturen von Finanzierungen zu beeinflussen. Das Risiko der Hausbank kann dadurch abgefedert werden. Gleichzeitig setzen wir Impulse, um ein Projekt überhaupt erst möglich zu machen. #00:26:49-3#
Wichtig ist, dass der Antrag vor Projektbeginn gestellt wird. Es zahlt sich aus, im Vorfeld Kontakt zu unseren Betreuern aufzunehmen und gemeinsam über die Investition zu diskutieren. Anschließend kann der Antrag gestellt werden, und die Fristwahrung ist gesichert. Danach versuchen wir, so weit wie möglich die Unterstützung zu liefern, vielleicht auch die Hausbank zu überzeugen, mit an Bord zu kommen, auch wenn sie das Projekt bisher kritisch gesehen hat. Das ist das größte Asset unserer Rolle und Funktion. Ohne die Hausbank funktioniert eine Finanzierung nicht. Manchmal sind wir in der glücklichen Lage, ein Projekt in die positive Richtung zu stoßen. #00:27:43-5#
Marco: Projekte in eine positive Richtung stoßen, das kann, gerade in unsicheren Zeiten, ausschlaggebend für eine Investition sein. Thomas, wie machst du den Hoteliers Mut? #00:28:13-6#
Thomas: Indem ich sie davon überzeuge, sich zu spezialisieren und sich von den Mitbewerbern abheben. Wenn wir Finanzierungen besprechen und uns die jeweilige Performance anschauen, dann sehen wir immer wieder, dass Hoteliers, die sich individualisieren und für ein klares Produkt stehen, höhere Preise durchsetzen können. Für diese Betriebe ist es einfacher, eine Finanzierung zu erhalten. Mein Appell an die Hotellerie lautet, auch einmal etwas von der Speerspitze in der Destination abzugeben, um den Fokus auf ein anderes Produkt oder auf eine Spezialisierung zu legen. #00:29:04-8#
Marco: Spezialisierung ist ein sehr wichtiges Thema. Danke, Thomas. Matthias, nach mehr als einem Dreivierteljahrhundert ÖHT-Partnerschaft mit der Hotellerie: Mit welchem positiven Stimmungsbild gehst du ins nächste Dreivierteljahrhundert? #00:29:18-4#
Matthias: Wir haben Covid geschafft, das heißt, dass wir auch alle kommenden Herausforderungen meistern werden. Vor der Krise ist nach der Krise, darauf müssen wir uns einstellen. Mit einer guten Zusammenarbeit und einer vertrauensvollen Kooperation lässt sich fast jedes Problem lösen. Wichtig ist, dass Herausforderungen frühzeitig angesprochen werden, damit sich Kunde, Hausbank und Berater zusammensetzen können. Nicht verzagen, sondern mit Optimismus in die Zukunft schauen. Es wird schon! #00:30:03-6#
Über Matthias Matzer
Matthias Matzer ist seit 2022 Geschäftsführer Markt bei der OeHT (Österr Hotel- und Tourismusbank). Die OeHT ist Abwicklungsstelle des BMAW für die gewerbliche Tourismusförderung für KMUs in der Tourismus- & Freizeitwirtschaft.
Zuvor verantwortete er das Geschäftsfeld internationale Förderungen bei der Raiffeisen Bank International AG. Sein Fokus liegt seit jeher auf der Finanzierung von nachhaltigen Projekten. Insofern freut es ihn sehr, dass die OeHT nun die Möglichkeit hat den Tourismus nachhaltig, gemeinsam zu gestalten.