Was Familienhotels im Tourismus jetzt wissen müssen
Nachhaltigkeit ist längst kein bloßes „nice to have“ mehr – sie ist zum Buchungsargument und einem zentralen Wettbewerbsfaktor geworden. Gäste achten zunehmend auf glaubwürdige, transparente Umweltkommunikation (sogenannte Green Claims). Gleichzeitig wächst der rechtliche Druck: Ab 2026 gelten in der EU neue, schärfere Regelungen zur Bewerbung von Umweltleistungen. Was bedeutet das für familiengeführte Hotels und Tourismusbetriebe in Österreich?
Der 6. TICT-Talk des Travel Industry Club Tourismus griff dieses brennende Thema am 4. Juli 2025 auf – mit dem Titel „Green Claims vs. Greenwashing“. Die Expert:innen Sabrina Hofmeister, Martin Prohaska-Marchried und Emma Kluger beleuchteten die neuen Regulatorien, Herausforderungen in der Praxis und gaben konkrete Handlungstipps für Hotellerie und Tourismus.
In diesem Beitrag fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammen – praxisnah und verständlich für alle, die nachhaltige Kommunikation nicht dem Zufall überlassen wollen.
Greenwashing – was es ist, und warum es riskant ist
„Greenwashing“ bezeichnet den Versuch, sich ein nachhaltiges Image zu geben, ohne dafür echte, nachvollziehbare Leistungen zu erbringen. Das kann unbewusst geschehen – oder gezielt durch schwammige Aussagen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „nachhaltig produziert“.
Der Leitfaden „Green Claims im Tourismus“ der Österreich Werbung zeigt klar: Derartige Aussagen müssen durch Fakten belegt und eindeutig erklärt sein. Sonst drohen rechtliche Konsequenzen: Irreführende Werbung kann zu Abmahnungen, Klagen oder Reputationsverlust führen – ein Desaster für jedes Tourismusunternehmen, das auf Vertrauen angewiesen ist.
Exkurs: Die Green Claims Directive und die Omnibus-Richtlinie
Zwei zentrale Regulierungsansätze der EU beschäftigen sich aktuell mit Umweltaussagen:
1. Green Claims Directive (Entwurf)
Diese geplante Richtlinie will spezifische Anforderungen an freiwillige Umweltaussagen stellen. Ziel: Transparenz schaffen und Verbraucher:innen vor irreführenden Informationen schützen. Sie soll u.a. verlangen, dass Green Claims auf wissenschaftlich fundierten Belegen beruhen, überprüfbar, zeitlich aktuell und verhältnismäßig sind. Aktuell ist der Entwurf politisch ins Stocken geraten.
2. Empowering Consumers Directive (verabschiedet, Umsetzung bis 2026)
Diese Richtlinie tritt fix in Kraft: Ab 27. September 2026 gelten neue Verbote für vage Umweltwerbung. Unter anderem wird:
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die Verwendung allgemeiner Umweltaussagen wie „nachhaltig“, „umweltfreundlich“ oder „CO₂-neutral“ untersagt, sofern keine Spezifizierung am selben Medium erfolgt,
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die Bewerbung mit zukünftigen Umweltzielen (z. B. „klimaneutral bis 2030“) an überprüfbare Strategien und Fortschritte gebunden,
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eigene Umweltlabel und Siegel verboten, wenn sie nicht auf akkreditierten Zertifizierungssystemen beruhen.
Das Ziel ist klar: Verbraucherschutz stärken und Greenwashing verhindern.
Der ÖW-Leitfaden: Orientierung für Tourismusbetriebe
Die Österreich Werbung hat mit dem Leitfaden „Green Claims im Tourismus“ ein praxisorientiertes Dokument geschaffen, das Betrieben hilft, rechtssicher und glaubwürdig über Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Zentrale Empfehlungen:
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Wahrheit vor Illusion: Nur Aussagen treffen, die auch belegbar sind.
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Klarheit statt Fachjargon: Keine vagen Begriffe wie „ökologisch“ ohne Erläuterung.
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Keine Selbstverständlichkeiten hervorheben: Was gesetzlich vorgeschrieben ist, darf nicht als besonderes Merkmal beworben werden.
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Ziele transparent machen: Künftige Umweltziele müssen mit Maßnahmen und Zeitplänen untermauert sein.
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Label richtig verwenden: Nur geprüfte Siegel verwenden – und genau angeben, worauf sie sich beziehen.
Zentrale Erkenntnisse aus dem TICT-Talk
Die Impulse des TICT-Talks machten eines deutlich: Die Spielregeln in der Umweltkommunikation ändern sich grundlegend. Hier die wichtigsten Aussagen der Expert:innen:
Praxisperspektiven
Emma Kluger stellte plakative Greenwashing-Beispiele vor – etwa die Werbung für „klimafreundliches Fliegen“, die suggeriert, CO₂-Emissionen ließen sich einfach kompensieren. Ihr Fazit: Viele Aussagen bleiben vage, missverständlich oder lenken vom eigentlichen Problem ab. Besonders kritisch: Kompensationsprojekte, deren Wirkung wissenschaftlich nicht haltbar ist (z. B. durch Bäume als langfristige CO₂-Speicher).
Anforderungen aus Nachhaltigkeitspraxis
Hofmeister betonte, dass Green Claims heute genau dokumentiert und begründet werden müssen. Wer etwa behauptet, klimaneutral zu wirtschaften, muss den vollständigen Scope kennen – also direkte und indirekte Emissionen, eingesetzte Kompensationen und klare Strategien. „Nur wenn Kommunikation und Realität übereinstimmen, entsteht Glaubwürdigkeit“, so Hofmeister.
Rechtlicher Rahmen
Prohaska machte die juristischen Stolperfallen klar: Wer heute ein Umweltlabel nutzt, das nicht unabhängig zertifiziert ist, läuft Gefahr, abgemahnt zu werden. Auch Aussagen wie „Nachhaltigstes Hotel der Region“ sind nur zulässig, wenn sie objektiv belegbar sind. Besonders heikel: Begriffe wie „klimaneutral“, da sie meist Kompensation meinen – die ab 2026 für Produkte und Dienstleistungen verboten ist, wenn sie nicht präzise erklärt wird.
Fazit: Nachhaltigkeit muss ehrlich, konkret und überprüfbar sein
Für Hoteliers und Tourismusbetriebe heißt das: Wer nachhaltig wirtschaftet, soll und darf das auch kommunizieren – aber richtig.
- Verzichte auf leere Floskeln.
- Nutze geprüfte Zertifikate.
- Dokumentiere deine Umweltleistungen nachvollziehbar.
- Vermeide Übertreibungen und Superlative.
Die neue Regulatorik ist keine Hürde, sondern eine Chance: Sie schützt Unternehmen, die sich ehrlich engagieren – und entlarvt jene, die auf Greenwashing setzen. Familiengeführte Betriebe, die seit Jahren auf Regionalität, Ressourcenschonung und echtes Engagement setzen, können nun mit klaren Aussagen punkten.
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