Revenue Management mit KI

Künstliche Intelligenz (KI) ist längst kein Zukunftskonzept mehr, sondern entscheidet heute schon darüber, wer am hart umkämpften Hotelmarkt die Nase vorn hat. Im Smart-Hotel-Key-Podcast habe ich mit Maximilian Schmid, Head of Product & Revenue bei Revenue Concierge Service, darüber gesprochen, wie KI Revenue-Management auf das nächste Level hebt – und warum du als Hotelier spätestens jetzt aufspringen solltest.

Kernaussagen des Interviews:

  • Dynamik schlägt Bauchgefühl
    KI erkennt Nachfrage-Muster in Echtzeit und passt Preise automatisch an – minutengenau, statt einmal pro Saison.

  • Datenqualität ist King
    Ein sauberes PMS ist die Basis. Garbage in, Garbage out gilt auch (oder gerade) für hochmoderne KI-Systeme.

  • Kosten rücken wieder in den Fokus
    Preisstrategien orientieren sich künftig stärker an variablen und fixen Kosten, nicht nur an Mitbewerberraten.

  • Der Revenue Manager wird zum Data-Scientist
    Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand. Analytische Kompetenz und Strategie-Know-how bleiben unverzichtbar.

  • Jetzt starten spart später Nerven
    Wer KI-gestütztes Pricing heute testet, sammelt Erfahrungsvorsprung und vermeidet riesige Aufholjagden in zwei Jahren.

 

Maximilian Schmid ist Head of Revenue & Product bei der Revenue Concierge Service. Maximilian hat mehr als 10 Jahren Erfahrung im Bereich Revenue Management und Revenue Mangement Software für Individual und Brand/Kettenhotels jeglicher Größe.

Revenue Concierge ist eine Full Service Agentur im Bereich Revenue Management und Anbieter einer modernen Revenue Management Software, gestützt durch eine starke KI, sowie Dienstleistungen im Bereich des Revenue Management, bis hin zur kompletten Outsourced Dienstleistung (externer Revenue Manager).

Transkript der Podcast-Folge

Marco: Ja, hallo Maximilian und herzlich willkommen bei Smart Hotel Key. Ich habe im Intro schon kurz erklärt, worum es heute geht und wer mein Gesprächspartner ist. Für alle, die dich noch nicht kennen: Wer bist du, was machst du, womit vertreibst du dir die Zeit?

Maximilian: Servus Marco, grüß dich! Ich bin Maximilian Schmid, Head of Product and Revenue und Geschäftsführer der Revenue Concierge Service. Was machen wir? Wir sind ein Full-Service-Anbieter für eine KI-getriebene Revenue-Management-Software. Darüber hinaus bieten wir verschiedene Dienstleistungen an – wie ausgelagertes Revenue Management und unseren Concierge-Service, bei dem wir Hotels betreuen und kontinuierlich beraten. Vielen Dank für die Einladung heute – freut uns wirklich sehr!

Marco: Du bist jetzt Geschäftsführer einer Revenue-Management-Software. Wir haben hier im Podcast schon oft über Pricing, Revenue- und Vertriebsmanagement gesprochen. Wie bist du selbst zum Revenue Management gekommen, was ist deine Geschichte?

Maximilian: Das ist mittlerweile zehn Jahre her – fast auf den Tag genau. Ich habe ursprünglich im Vertrieb begonnen, also im Sales, und mir dort meine ersten Sporen verdient. Ich habe gelernt, wie man mit Corporate-Kunden umgeht, wie man lokale Firmen betreut, RFPs ausarbeitet usw. 2016 kam dann jemand auf mich zu und meinte: „Du kannst gut mit Zahlen, Daten und Fakten umgehen – wie sieht’s mit Revenue Management aus?“ Zu diesem Zeitpunkt wurde Revenue ohnehin immer dynamischer, und ich fand das sehr spannend. Also dachte ich mir: Probier’s einfach mal aus. Und ja – jetzt bin ich seit zehn Jahren im Revenue Management tätig.

Marco: Ihr habt mit Revenue Concierge eine Firma gegründet, die sich auf die Kombination von Revenue Management, KI und automatisierter, flexibler Preisgestaltung konzentriert. Grundsätzlich ist das ja nichts Neues – Revenue Management beschäftigt sich schon lange mit Automatisierung. Ich sage ja immer: Jeder Hotelier betreibt in irgendeiner Form Revenue Management, allein schon wenn er über Saisonen hinweg unterschiedliche Preise macht. Aber das ist natürlich nicht das, was man heute unter Dynamic Pricing versteht. Im Kern geht’s ja darum, das Maximum aus meinen verfügbaren Zimmern herauszuholen. Und seit etwa zwei bis drei Jahren gibt es diesen Hype rund um künstliche Intelligenz. Welche Rolle spielt KI heute im Revenue Management?

Maximilian: Da würde ich ganz kurz einen Exkurs machen: Wo kommt Revenue Management eigentlich her? Wenn wir ganz weit zurückgehen – auch wenn der Begriff damals noch nicht verwendet wurde –, dann beginnt das Ganze fast zur Zeit Jesu. Jeder, der auf Pilgerreise war, suchte eine Unterkunft und bezahlte entweder mit Geld oder mit einer Dienstleistung. Das Prinzip ist also nicht neu. Es hat sich nur weiterentwickelt. Mit der KI eröffnen sich nun neue Möglichkeiten, Daten in kürzester Zeit zu aggregieren und Themen anders zu betrachten. Diese neuen Ansätze ermöglichen nicht nur eine breitere Betrachtung – also mehr Aspekte gleichzeitig –, sondern auch mehr Tiefe. Wir können Sales, Marketing und E-Commerce viel enger mit dem Revenue Management verknüpfen als früher. Und das eröffnet viele neue Chancen – bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Ich nenne sie bewusst Herausforderungen und nicht Probleme, weil es in erster Linie um Chancen geht, die man aktiv angehen sollte.

Marco: Mhm. Und was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen?

Maximilian: Wenn man sich anschaut, was wir gerade im Markt beobachten – wir betreuen ja viele Kunden, sowohl über die Software als auch mit unseren Dienstleistungen im externen Bereich – dann sehen wir mehrere Faktoren. Der erste ist die Dynamik. Viele Hoteliers, vor allem im Individualbereich, schaffen es gar nicht mehr, auf die tägliche Dynamik zu reagieren. Ich vergleiche das oft mit dem Sales-Bereich: Die Planung eines Corporate-Vertrags ist vielleicht 2–3 % des Tagesgeschäfts. Ähnlich sieht es bei Hoteliers heute aus. Sie müssen sich ums Personal kümmern, um Weiterbildung, um Kosten – gerade seit Corona ein großes Thema, insbesondere was Food & Beverage betrifft. Webseitenpräsenz, Gästebindung, Portalmanagement (Stichwort Booking.com) – das sind so viele Themen, mit denen sich ein Hotelier gleichzeitig auseinandersetzen muss. Und mittendrin soll dann noch Revenue Management stattfinden – inklusive KI und Systemeinführung.

Marco: Mhm.

Maximilian: Dazu kommen existenzielle Herausforderungen – Stichwort steigende Kosten. Auch die Diskussion rund um die Mehrwertsteuer ist hier zu nennen. All das führt dazu, dass sich viele gar nicht erst auf neue Themen wie KI einlassen können. Gleichzeitig sprechen wir aber auch über Wettbewerbsthemen: Wer steht neben mir am Markt? Die Preisentscheidung des Gasts hängt nicht nur vom Preis ab, sondern auch von Bewertungen, vom eigenen Anspruch, von der Reiseart – dienstlich oder privat. Auch die Buchungszeitfenster sind deutlich kürzer geworden.

Marco: Mhm.

Maximilian: 2019 – das letzte starke Jahr vor Corona – lagen viele Buchungen noch 2, 3, 4 oder 5 Monate im Voraus. Kurzfristbuchungen lagen vielleicht bei 10 %, Ausnahmen natürlich ausgenommen. Heute ist es genau umgekehrt. Ein Beispiel: Wir betreuen ein schönes Wellness- und Spa-Hotel im Harz. Sieben Tage vor Pfingsten waren noch über 40 Zimmer frei – rund 35 % des Hauses. Man war schon fast dabei, Pfingsten abzuschreiben. Und innerhalb dieser sieben Tage war das Haus komplett ausverkauft. Wir mussten Gäste ausquartieren.

Marco: Mhm.

Maximilian: Das sind Themen, die Hoteliers zusätzlich belasten – mental und operativ. Und aus dieser Überforderung heraus entstehen manchmal Fehlentscheidungen: Es wird ein Schnellschuss gemacht, ein Angebot gelauncht, die Preise gesenkt – ohne zu wissen, was eigentlich im Markt passiert.

Marco: Ja, absolut.

Maximilian: Das sind nur einige Beispiele. Natürlich gibt es noch viele weitere Herausforderungen. Aber genau dafür sind wir ja da: um den Kunden die Zeit zu verschaffen, sich auf solche Themen zu konzentrieren – oder sie im Idealfall ganz für sie zu übernehmen.

Marco: Ja, absolut. Das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen und mit unseren Kunden. Die Planungssicherheit, die man vielleicht vor ein paar Jahren noch hatte – oder geglaubt hatte zu haben –, die ist in großen Teilen weg. Es wird immer volatiler. Und menschlich verständlich ist es natürlich auch, dass man dann dazu neigt, die Preise zu senken, um kurzfristig noch Auslastung zu generieren. Aber genau das ist ja eigentlich das Gegenteil von dem, was Revenue Management ausmachen sollte. Denn am Ende des Tages geht es idealerweise um eine progressive Preisgestaltung – je näher zur Anreise, je höher die Auslastung, desto höher der Preis. Das versteht auch jeder, der sich zumindest ein bisschen mit Revenue Management beschäftigt hat. Du hast vorhin ein weiteres Buzzword angesprochen: Künstliche Intelligenz. Wenn ich jetzt an Revenue-Management-Software denke, die es schon länger am Markt gibt – dort fließen ja schon viele Daten ein: Auslastung, Mitbewerberpreise, Buchungsvorlauf, vielleicht auch unterschiedliche Gäste-Segmente, da diese ja unterschiedliche Zahlungsbereitschaften haben. Das alles wird verarbeitet, um Preisvorschläge zu machen oder diese automatisiert zu übernehmen – je nach System. Jetzt könnte man sich doch fragen: War das nicht schon immer eine Form von KI?

Maximilian: Spannende Frage. Wenn ich darf, würde ich da gerne ergänzen – und ein bisschen erklären, was künstliche Intelligenz (KI) überhaupt ist. Im Englischen spricht man von „Artificial Intelligence“. Und oft verschwimmen die Begriffe, obwohl sie im Kern das Gleiche meinen. Es gibt vier generelle Stufen der KI – das kann man auch überall nachlesen.

Maximilian: Stufe 1 ist die sogenannte reaktive KI. Sie reagiert auf Eingaben des Users – also zum Beispiel: ich gebe etwas ein, und das System reagiert darauf. Das war auch das, was in den ersten Jahren bei Revenue-Systemen passiert ist.

Marco: Mhm.

Maximilian: Dann kommt die nächste Stufe – da geht es um Mustererkennung. Die KI erkennt Strukturen in Daten und leitet daraus Vorschläge ab. Aber – wichtig – das ist noch keine „selbstdenkende“ KI. Sie lernt innerhalb eines vorgegebenen Rahmens. Die nächste Stufe – Stufe 3 – wäre dann die sogenannte „Theory of Mind“: also die Fähigkeit einer KI, Gedanken, Gefühle und Absichten zu erkennen und daraus zu lernen. Da sind wir aber noch nicht. Und Stufe 4 – das wäre eine KI mit echter Selbsterkenntnis. Ehrlich gesagt: Ich habe das noch von keinem Anbieter gesehen.

Marco: Mhm.

Maximilian: Ich kenne natürlich nicht alle Systeme auf der Welt – aber in den letzten zehn Jahren habe ich schon viel gesehen. Wir entwickeln unsere eigene Software laufend weiter, mit einem eigenen IT-Team. Aber das, was man heute am Markt sieht, ist eben keine KI mit Selbsterkenntnis. Das wäre dann wirklich Science-Fiction. Wer den Film I, Robot mit Will Smith kennt – da geht es genau darum: Eine KI, die selbst erkennt, was ihr Platz ist. So weit sind wir aber noch nicht.

Marco: Mhm.

Maximilian: Es gibt viele andere Beispiele. Und du hast recht – die Frage ist: Wollen wir überhaupt, dass es so weit kommt?

Marco: Ja, genau.

Maximilian: Dann landen wir wieder bei dieser Diskussion: Die KI übernimmt irgendwann die Kontrolle – das ist so ein bisschen das Horrorszenario. Ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Stand heute bewegen wir uns auf Stufe 2 – mit Ausblick auf 3.

Marco: Mhm.

Maximilian: Und hier geht es dann auch um Begriffe wie Machine Learning. Das ist ein Teilprozess: Die KI erkennt Muster aus Daten und lernt daraus. Noch einen Schritt weiter geht das sogenannte Deep Learning – da geht es um neuronale Netze, also um eine Struktur, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist.

Marco: Mhm.

Maximilian: In Ansätzen sind wir da teilweise auch schon. Was kann so eine KI also heute leisten? Sie kann Muster erkennen und daraus Vorschläge ableiten. Sie kann bestimmte Entwicklungen aufzeigen – aber alles innerhalb eines begrenzten Rahmens und abhängig davon, was wir ihr an Daten geben.

Marco: Okay, das heißt, du würdest sagen: Der Großteil der Systeme am Markt bewegt sich heute in Stufe 1 bis 2?

Maximilian: Ich würde sagen, Stufe 2 – mit einem kleinen Plus. Wie gesagt: Wir kennen viele Anbieter, auch uns selbst. Wir würden uns bei Stufe 2+ einordnen. Aber – und das ist wichtig – es hängt immer noch stark vom Input ab, den man liefert. Dieses klassische Prinzip gilt auch hier: Garbage in, garbage out. Wenn ich schlechte oder unvollständige Daten eingebe, kann das System keine guten Ergebnisse liefern.

Marco: Stufe 2 – mhm, ja, definitiv. Und ja – die Datenqualität ist entscheidend. Das wäre wahrscheinlich ein ganz eigener Themenblock. Aber was sind denn für euch die wichtigsten Datenquellen?

Maximilian: Gute Frage. Ich hatte gerade noch einen Gedanken dazu – passt also perfekt. Aus unserer Sicht ist das PMS, also das Property Management System, die wichtigste Datenquelle.

Marco: Mhm.

Maximilian: Es gibt da natürlich Diskussionen – manche argumentieren, das zentrale Reservierungssystem (CRS) sei entscheidender, insbesondere bei Ketten. Aber nehmen wir mal das PMS als gegebenen Faktor. Warum ist das so wichtig? Weil dort alle Informationen zusammenlaufen, die an der Rezeption erfasst werden. Und die Zusammenarbeit mit dem Rezeptions-Team ist daher auch so wichtig für ein funktionierendes Revenue Management.

Marco: Mhm.

Maximilian: Je akkurater die Daten im PMS sind – sei es bei Gästesegmenten, Raten-Codes oder anderen Stammdaten – desto besser ist der Output. Wenn ich also weiß, wer mein Gast ist, kann ich gezielt Maßnahmen ableiten. Und um diese Daten zu erfassen und zu strukturieren, ist das PMS die wichtigste Quelle. Von dort aus können wir die Daten in Silos gliedern, analysieren und daraus konkrete Ableitungen treffen.

Marco: Mhm. Und wie du vorhin schon gesagt hast – je besser die Daten eingegeben sind, desto bessere Ergebnisse werde ich erzielen. Du hattest vorhin noch gesagt, du wolltest etwas ergänzen – was war das?

Maximilian: Ja, genau. Wenn wir jetzt in Richtung Weiterentwicklung blicken – also was sich aktuell am Markt tut – dann ist das wirklich spannend. Einige Systeme, ohne jetzt Namen zu nennen, gehen hier schon erste Schritte. Wir selbst starten im Oktober mit einem Entwicklungssprint, bei dem es um eine komplett neue Strukturierung der KI geht. Ob das dann schon Stufe 3 sein wird – mit der Fähigkeit, Absichten oder Gefühle zu erkennen – weiß ich nicht. Vermutlich nicht ganz. Denn dafür braucht es auch das entsprechende Personal – und da sind spezialisierte Forscher gefragt, etwa aus Universitäten. Gerade in den USA gibt es da starke Entwicklungen, aber auch in Deutschland entstehen sehr gute KI-Zentren.

Marco: Mhm.

Maximilian: Ich denke, wir werden bei Stufe 2++ landen. Ziel ist es, aus der Mustererkennung heraus noch eigenständigere Ableitungen zu ermöglichen – das machen wir teilweise schon heute. Aber künftig soll das noch präziser und dynamischer funktionieren. Zum Beispiel nicht nur auf Basis der vergangenen drei Dienstage, sondern auch unter Berücksichtigung kommender Veränderungen. Und wie gesagt: Wir entwickeln unsere aktuelle Logik weiter und bringen parallel neue Features.

Marco: Jetzt muss ich vielleicht trotzdem noch eine weitere Anschlussfrage stellen. Revenue Management ist ja in der Regel mehr als nur – und „nur“ ist eh schon viel – die reine Preisgestaltung. Du hast auch schon die unterschiedlichen Segmente angesprochen. Es geht ja oft auch darum: Von welchen Segmenten erwarte ich mir überhaupt noch Potenzial? Macht es Sinn, gewisse Restriktionen zu setzen – etwa Mindestaufenthaltsdauern oder bestimmte Vertriebskanäle zu sperren? Viele Hoteliers machen das aktuell noch sehr manuell. Wie automatisiert sind diese „Nebengeräusche“, sage ich mal, neben dem reinen Preismanagement heute schon?

Maximilian: In Teilen sehr weit. Ich werfe da mal den Begriff „Commercial“ in den Raum – das meint die enge Verzahnung der Bereiche Revenue, E-Commerce, Sales und Marketing. In mittelständischen oder großen Hotelgruppen findet das schon statt. In kleineren Betrieben ist es meist noch so, dass eine Person vieles parallel abdeckt oder sich nur teilweise damit beschäftigt.

Marco: Mhm.

Maximilian: Wenn wir uns klassisches Revenue Management ansehen – früher gab es starre Saisonkalender, eine BAR-Rate für das ganze Jahr. Wenn man den Heribert von nebenan kannte, der nächste Woche wiederkommt, hat man ihm halt einen besseren Preis gegeben. Das war dann mehr Bauchgefühl als Strategie – heute würde man es vielleicht „Early Booker“ nennen.

Marco: Mhm.

Maximilian: Das war der Ursprung. Und viel davon stammt ja ursprünglich aus der Airline-Branche – dort hat Revenue Management mit dem Deregulation Act 1978 begonnen. Von dort kam das ganze Know-how auch in die Hotellerie. Heute ist Revenue Management aber sehr viel mehr: Preisstrategie, Vertriebswege, Portale, Marketing – alles muss zusammenspielen. Und dafür muss ich wissen, wer mein Gast überhaupt ist. Also brauche ich klare Marktsegmente. Ich kann natürlich einfach alle Gäste unter „Gast“ führen – oder ich gehe wirklich in die Tiefe und cluster nach Anreisegründen. Das ist alles nicht neu, aber viele Hotels setzen es noch nicht um.

Marco: Mhm.

Maximilian: Wir müssen viel mehr ganzheitlich denken. Die großen Ketten machen das natürlich schon länger, weil sie auch die Strukturen dafür haben. Aber auch kleinere Betriebe müssen verstehen, dass das kein Rocket Science ist. Es geht nicht nur um Schnittstellen und Systeme – das sind vielleicht 5 % der Gesamtarbeit. Die wahre Herausforderung ist, strategisch ganzheitlich zu denken: Was passiert, wenn mein Forecast nicht aufgeht? Was kann ich mit dem Marketing tun? Ist es ein Newsletter? Eine Anzeige in der Zeitung – die übrigens oft noch wirkt, auch wenn sie teuer ist? Wie führe ich Gäste durch meine Website? Arbeite ich mit Pop-ups, Buchungscodes, Google Ads?

Marco: Absolut. Du sprichst mir da wirklich aus der Seele. Ich sage immer: Das beste Revenue-Management bringt nichts ohne eine passende Vertriebsstrategie – und umgekehrt genauso. Du kannst das beste Marketing und die besten Kooperationen haben – mit falscher Preisstrategie wirst du nicht erfolgreich sein. Diese Bereiche müssen Hand in Hand gehen. Jetzt haben wir viele Buzzwords angesprochen: KI, Deep Learning, Machine Learning, verschiedene KI-Stufen. Schreckt das manche Hoteliers nicht auch ab, wenn du auf sie zugehst?

Maximilian: In Teilen, ja. Ich habe ein aktuelles Beispiel: Wir waren vor drei Wochen auf einer Veranstaltung. Unsere Zielgruppe sind ja ganz klar Individualhotels – dort sehen wir unseren Fokus. Und da kam ein Hotelier zu unserem Stand. Wir hatten einen auffälligen Banner mit etwas grelleren Farben, und er sagte: „Ich hab keine Ahnung, was ihr macht.“

Marco: Mhm.

Maximilian: Er schaute mich an und fragte: „Was macht ihr denn eigentlich genau?“ Und da rutsche ich natürlich leicht ins Fachchinesisch ab – KI, Mustererkennung, Automatisierung. Er blickte mich an, dann zu meiner Frau, die übrigens auch mit am Stand war. Sie hat es ihm dann ein wenig „übersetzt“ – nicht weil er es nicht verstanden hätte, sondern weil die Berührungspunkte mit diesen Themen so gering sind. Er war gelernter Koch, führt ein tolles Hotel, erzielt gute Ergebnisse – aber er hatte sich mit dem Thema KI einfach noch nie auseinandergesetzt. Und viele haben einfach keine Zeit, sich damit zu beschäftigen.

Marco: Naja, klar.

Maximilian: Das beginnt ja schon im Alltag – welches Smartphone nutze ich, wie gehe ich mit Technik um? Bin ich zu Hause smart vernetzt oder nicht? Das alles beeinflusst auch, wie offen man solchen Themen gegenübersteht. Es ist nicht so, dass die Hoteliers abgeneigt wären – aber sie begegnen dem Thema mit Zurückhaltung. Oft resultiert das in einer Ablehnung: „Ich schau mir das mal an, aber vielleicht geht’s ja auch ohne mich vorbei.“

Marco: Ich glaube tatsächlich, dass es oft eine gewisse Abschreckung gibt – nicht wegen der Technik an sich, sondern eher, weil man das Gefühl hat: „Was kommt da jetzt alles auf mich zu?“ Vielleicht auch: „Wieviel Arbeit bedeutet das?“ Da hilft es, wenn man – wie deine Frau – das Ganze in anderen Worten noch mal verpackt.

Maximilian: Absolut. Wir sind auch demnächst bei genau diesem Hotelier vor Ort. Und wir gehen das ganz strategisch an. Das Problem – oder besser gesagt, der Grund für die Zurückhaltung – ist oft: Die Leute glauben, sie müssten das alles selbst machen. Und an diesem Punkt möchte ich wirklich betonen: Unser Ansatz ist es nicht, nur eine Software zu liefern und zu sagen: „Viel Spaß, bis in einem Jahr zur Vertragsverlängerung!“

Marco: Ja.

Maximilian: Sondern wir bieten einen ganzheitlichen Ansatz in zwei verschiedenen Servicelevels an. Denn wenn wir etwas Neues einführen, dann müssen wir die Leute auch begleiten – wie bei einer Ausbildung. Manche brauchen mehr Begleitung, manche weniger – aber diese Unterstützung ist entscheidend. Und wenn man diesen Weg gemeinsam geht, dann sind die Hoteliers auch offen für neue Ansätze. Sie müssen nicht alles im Detail verstehen – es reicht, wenn sie die Vorteile und die Zeitersparnis erkennen.

Marco: Absolut. Bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Hotelier. Was sind denn – ganz konkret – die nächsten Schritte, wenn ein Hotelier mit euch starten möchte? Was braucht es, um loszulegen und KI im Revenue Management einzusetzen?

Maximilian: Die erste Frage, die oft kommt, ist: „Könnt ihr mit unserem System überhaupt arbeiten?“ Und wir fragen dann natürlich zurück: „Welches System nutzt ihr denn?“ Grundsätzlich: Mit Revenue Management kannst du immer arbeiten – aber wenn eine Schnittstelle vorhanden ist, wird es natürlich einfacher.

Marco: Ja.

Maximilian: Vielleicht kurz zur Erklärung: Es gibt Einweg- und Zweiweg-Schnittstellen. Eine Einweg-Schnittstelle bedeutet, wir bekommen Daten aus dem System. Bei einer Zweiweg-Schnittstelle können wir zusätzlich auch Preise, Restriktionen und andere Einstellungen direkt zurück ins PMS spielen. Das ist natürlich ideal.

Marco: Mhm.

Maximilian: Im Erstgespräch klären wir daher immer, welches System-Setup das Hotel nutzt: Was für ein PMS? Welcher Channel Manager? Welche Buchungsmaschine? Und in diesem Zuge kommt man oft schon auf das Thema Transformation. Viele Hotels arbeiten noch mit sehr einfachen Systemen, die kaum Schnittstellen haben – das hat oft mit Budgetgründen zu tun. Wenn das bestehende System zu den Anforderungen passt, ist das super. Wenn nicht, geben wir Empfehlungen ab – unabhängig davon, ob wir direkt mit dem System arbeiten oder nicht.

Marco: Mhm.

Maximilian: Wenn es eine passende Schnittstelle gibt, dann geht’s weiter mit einem Hotel-Audit. Wir analysieren, wie das Hotel aktuell aufgestellt ist, und richten dann gemeinsam mit dem Anbieter die Schnittstelle ein. Anschließend definieren wir gemeinsam mit dem Hotelier eine passende Strategie. Wenn das Hotel das Revenue Management an uns auslagert, besprechen wir: Was war bisher die Strategie? Was hat funktioniert, was nicht? Das Ziel ist, aus der bisherigen Praxis eine zukunftsorientierte Transformation abzuleiten. Und damit meine ich nicht nur technische, sondern auch operative Transformation.

Marco: Okay, das heißt, ihr seid kein reiner Software-Anbieter, sondern erarbeitet gemeinsam mit dem Hotelier auch die Preisstrategie – was ja ein sehr sinnvoller und praxisnaher Ansatz ist. Jetzt vielleicht noch ein Blick in die Zukunft. Du hast vorhin das Bild der Stufe 4 KI gezeichnet – die ich hoffentlich noch in weiter Ferne sehe. Aber Spaß beiseite: Wie sieht die Preisgestaltung in den nächsten ein bis drei Jahren aus? Und braucht es dann überhaupt noch Revenue Manager in den Hotels?

Maximilian: Spannende Frage! Ich gehe sie gerne in zwei Teilen an. Zuerst zur Zukunft der Preisgestaltung. Ich will mir keine zu kühne Prognose anmaßen – sonst müsste ich Lotto spielen – aber ich sehe klare Tendenzen. In den nächsten ein bis zwei Jahren wird die Dynamik noch wichtiger. Preisgestaltung wird wieder stärker mit den tatsächlichen Kosten verknüpft: Was kostet mich das Zimmer, die Reinigung, das Personal?

Maximilian: Es geht also mehr in Richtung variabler und fixer Kosten – auch diese verändern sich dynamisch, Stichwort Energiepreise oder Systemkosten. Das alles muss in die Preisgestaltung einfließen. Früher – sagen wir 2019 – war das einfacher. Da war die Nachfrage so hoch, dass man quasi nur das Netz auswerfen musste und der Umsatz kam fast von selbst. Seit Corona und mit den geopolitischen Veränderungen ist das nicht mehr so.

Marco: Mhm.

Maximilian: Preisgestaltung wird also nicht mehr nur auf Saisonzeiten beruhen. Wir stellen aktuell schon fest, dass sich innerhalb klassischer „Need Periods“ – also vermeintlich schwacher Zeiträume – starke Korridore bilden. Die können durch Aktionen, Events oder verändertes Reiseverhalten entstehen. Diese Feinverteilung wird in Zukunft noch wichtiger. Und das nicht nur auf Tages-, sondern fast auf Stundenebene.

Marco: Ja.

Maximilian: Ein Stichwort hier ist auch Echtzeit-Pricing. Wir – und auch andere Anbieter – können heute in Echtzeit Daten vom PMS empfangen. Das heißt, wir könnten theoretisch jede Minute eine neue Datenmeldung bekommen. Damit lassen sich kurzfristige Entwicklungen sofort erkennen. Und wenn ich sehe, dass sich etwas außerhalb der Norm entwickelt – im Vergleich zu den letzten drei Jahren –, kann ich sofort reagieren. Das ist eine neue Dimension der Flexibilität. Und da wird sich in Zukunft noch sehr viel tun.

Marco: Absolut. Aber das führt ja automatisch zu meiner zweiten Frage: Wenn alles dynamischer und flexibler wird, dann kann ich als Mensch das doch gar nicht mehr alles überblicken. Braucht es dann überhaupt noch klassische Revenue Manager? Oder verändert sich dieses Berufsbild?

Maximilian: Der klassische Revenue Manager verschwindet nicht – aber das Berufsbild verändert sich. Es wird vermutlich eher ein „Data Science Manager“. Data Science umfasst die Methodik, mit der Datenmodelle, Machine Learning und KI-Anwendungen entwickelt und verstanden werden.

Maximilian: Wir haben das in den letzten Jahren schon gesehen: Jobprofile verschwinden nicht einfach – sie transformieren sich. Neue Bereiche entstehen, alte verschmelzen. In Zukunft wird es wichtiger denn je, dass sich Revenue Manager mit vielen anderen Bereichen vernetzen: Sales, Marketing, Distribution, Finance.

Marco: Mhm.

Maximilian: Früher hat der Revenue Manager seine Buchungsdaten analysiert, ein bisschen Forecast gemacht, Budget erstellt – das reicht heute nicht mehr. Heute braucht es ganzheitliches Denken. Ich erinnere mich an eine globale Studie von Revinate vor ein paar Jahren: Eine Verbesserung der Bewertung um nur 0,1 Punkte – z. B. von 8,0 auf 8,1 – führte im Schnitt zu einer Steigerung des RevPAR um 1,40 Euro. Und jeder, der schon mal versucht hat, den RevPAR um 1,40 Euro zu erhöhen, weiß, wie viel Aufwand das ist.

Marco: Ja, das macht extrem viel aus.

Maximilian: Genau. Und wenn man dann noch bedenkt, dass viele Systeme bald in Stufe 3 ankommen – also mit Annäherung an echte Eigenlogik – dann braucht es umso mehr Menschen, die diese Systeme verstehen, richtig nutzen und strategisch weiterdenken.

Marco: Und selbst wenn man Stufe 3 irgendwann erreicht, ist das ja noch lange kein Selbstläufer.

Maximilian: Richtig. Selbst bei einer KI, die „Theory of Mind“ hat – also Gefühle, Absichten etc. erkennt – braucht es den Menschen. Denn der Hotelinhaber wird sagen: „Wir ändern unser Produkt, wir wollen kein Business-Hotel mehr sein, sondern ein Wellness-Retreat.“ Eine KI kann das nicht allein aus Bewertungsdaten erkennen – zumindest nicht heute. Sie braucht strategische Vorgaben. Es wird also immer ein Zusammenspiel von Mensch und Maschine sein.

Marco: Ja, sehr schön. Maximilian, wir sind jetzt fast am Ende unseres Gesprächs angelangt. Ich könnte mit dir noch viel länger plaudern – da war wirklich sehr viel Spannendes dabei. Vielleicht machen wir ja in Zukunft mal eine Anschlussfolge. Aber zum Abschluss – vor allem für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer, die sich mit dem Thema noch nicht so intensiv beschäftigt haben – vielleicht noch eine letzte Frage: Warum ist spätestens jetzt – und ich sage bewusst „spätestens jetzt“ – der richtige Zeitpunkt, sich mit intelligentem Revenue Management auseinanderzusetzen?

Maximilian: Sehr gerne. Ich nehme da immer ein Beispiel – und das ist jetzt nicht böse gemeint: Aber wenn der Zug abgefahren ist, ist er einfach abgefahren. Und genau darum geht’s. Wenn ich jetzt nicht anfange, mich mit diesen Themen zu beschäftigen, verliere ich irgendwann so viel Zeit, dass der Aufholbedarf riesig wird. Und dann fehlen mir im Hotel die Kapazitäten, weil ich gleichzeitig noch so viele andere Baustellen habe.

Maximilian: Das bedeutet nicht, dass man alles sofort umsetzen muss – auch nicht im Revenue Management. Es gibt ja viele andere Bereiche im Hotel, wo Digitalisierung bereits stattfindet: Dienstpläne, digitaler Check-in, Housekeeping-Tools, Kommunikationstools, etc. Aber irgendwo muss ich anfangen. Ich muss den ersten Schritt machen.

Maximilian: Und ja – auch Revenue-Systeme machen nicht alles perfekt. Auch wir sind nicht allwissend. Aber es geht darum, jetzt Erfahrungen zu sammeln, um bereit zu sein, wenn die nächsten Entwicklungsschritte kommen. Wer sich jetzt damit beschäftigt, wird viel mehr Entfaltungspotenzial haben. Und viel mehr Chancen. Ich nenne es bewusst positive Herausforderungen – weil sie einen weiterbringen.

Marco: Maximilian, vielen Dank! Da war wirklich sehr viel Spannendes dabei. Ich freue mich, wenn wir im Gespräch bleiben. Für alle, die mehr über dich oder über Revenue Concierge erfahren wollen – ich werde natürlich alles in die Shownotes und den Blogbeitrag packen. Herzlichen Dank, dass du heute mein Gast warst!

Maximilian: Vielen lieben Dank, Marco – und bestimmt auf ganz bald. Ich danke dir!

 

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