Zukunft des Wintertourismus

Der Winter im Wandel – zwischen Klimarealität und Gästebedürfnis

Der Wintertourismus in Österreich steht an einem tiefgreifenden Wendepunkt. Schneesicherheit ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Energiekosten bleiben hoch, und die Anforderungen an Nachhaltigkeit steigen stetig. Gleichzeitig bleibt Reisen für viele Menschen ein unverzichtbares Grundbedürfnis. Die Alpenregionen spüren diesen Spagat zwischen steigender Nachfrage und schwindender Planbarkeit besonders deutlich. Die „Winterwende“ bedeutet daher keine Krise, sondern den notwendigen strukturellen Wandel des Geschäftsmodells – hin zu resilienteren, nachhaltigen und ganzjährig tragfähigen Destinationen.

Vor diesem Hintergrund kamen am 11. Dezember 2025 im Boutiquehotel Stadthalle Wien führende Persönlichkeiten aus Tourismus, Wissenschaft, Wirtschaft und Klimaschutz zum Round Table des European Climate Pact zusammen. Die Veranstaltung, organisiert vom Klimabündnis Österreich, widmete sich der Frage, wie die Zukunft des alpinen Wintertourismus gestaltet werden kann – im Spannungsfeld von Klimaanpassung, Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlichem Wandel.

Ganzjahresdestination statt Schneefenster: Das neue alpine Geschäftsmodell

Die Nachfrage nach Erholung im Alpenraum bleibt hoch – das zeigen die Zahlen aus dem Alpine Destination Report. Allerdings verändert sich das Muster deutlich: Regionen, die sich ausschließlich auf ein kurzes, schneebasiertes Zeitfenster konzentrieren, geraten zunehmend unter Druck. Gefragt sind ganzjährig attraktive Erlebnisräume. Destinationen wie das Ötztal oder Schladming-Dachstein zeigen vor, wie es geht: Sie verbinden Höhenlage mit attraktiven Sommerprodukten und erreichen so nicht nur eine ausgewogene Saisonalität, sondern auch eine überdurchschnittliche Wertschöpfung pro Bett.

Diese Entwicklung folgt einem klaren Trend: Der Wintertourismus verschmilzt zunehmend mit Sommer-, Gesundheits- und Naturerlebnissen. Was früher als „Nebensaison“ galt, wird heute zur tragenden Säule wirtschaftlicher Resilienz.

Nachhaltigkeit rechnet sich – aber nicht automatisch

Trotz starker Nachfrage und steigender Preise kämpfen viele Betriebe mit sinkender realer Wertschöpfung. Zwar ist der Umsatz pro Nacht nominell gestiegen, real liegt er jedoch unter dem Niveau von 2019. Gleichzeitig sind die Lohnkosten weiter gestiegen, die Energiekosten bleiben hoch. Diese Kombination drückt den GOP (Gross Operating Profit), selbst in Regionen mit Nachfrageüberhang.

Besonders bemerkenswert ist der strukturelle Wandel im Beherbergungsangebot: Während klassische 1- und 2-Sterne-Hotels seit 2013 über 18 % ihrer Betten verloren haben, ist die Kapazität in gewerblichen Ferienwohnungen um rund 89 % gestiegen. Das bedeutet eine klare Bewegung hin zu höherwertigen, serviceorientierten Angeboten mit entsprechenden Erwartungen an Preis-Leistung, Aufenthaltsqualität und Infrastruktur.

Mobilitätswende als Standortvorteil

Ein zentrales Zukunftsthema des alpinen Tourismus ist die Anreise. In urbanen Zielgruppen (besonders unter jungen Menschen) nimmt die Zahl der Führerscheinbesitzer und Autonutzer kontinuierlich ab. Die Erreichbarkeit von Destinationen über klimafreundliche Verkehrsträger wie Bahn, Bus, Shuttles und Sharing-Systeme wird damit zur zentralen Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit.

Der Erfolg zukünftiger Tourismusstrategien hängt wesentlich davon ab, wie nahtlos, bequem und emissionsarm die Gäste anreisen können. Dabei geht es nicht nur um ökologische Verantwortung, sondern auch um die Positionierung der Destination als zukunftsfähiger, moderner Lebens- und Erlebnisraum.

Nachhaltigkeit als ganzheitlicher Erfolgsfaktor

Die Debatte um Nachhaltigkeit darf nicht auf CO₂-Reduktion oder Energieeffizienz beschränkt bleiben. Nachhaltigkeit im Tourismus umfasst ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen: Von ressourcenschonenden Bauweisen über faire Mitarbeiterführung bis hin zur Integration regionaler Wertschöpfungsketten.

Touristische Erlebnisse müssen nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sinnstiftend und authentisch sein. Der neue Tourismus steht für Qualität statt Quantität, für Begegnung statt Durchlauf, für lokale Tiefe statt globaler Austauschbarkeit. Das bedeutet auch: Wer die Gäste von heute gewinnen will, muss Geschichten erzählen, Werte vermitteln und Lebensstile ansprechen – nicht nur Betten verkaufen.

Governance und Vision: Zukunft braucht Steuerung

Die Herausforderungen der Branche sind nicht allein auf betrieblicher Ebene lösbar. Es braucht eine kluge, mehrdimensionale Governance – auf betrieblicher, regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Weiterentwicklung des „Plan T“ zur „Vision T“ durch das österreichische Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus unterstreicht diesen Anspruch. Dabei stehen Resilienz, Nachhaltigkeit und die Attraktivität für Gäste wie auch für die lokale Bevölkerung im Fokus.

Ein strategisches Management auf Grundlage valider Daten, kombiniert mit Innovationsfreude, wird entscheidend sein, um den Tourismusstandort Österreich langfristig zu sichern und weiterzuentwickeln.

Teilnehmer:innen des Round Table

An der Diskussion zum Thema „Winterwende“ namen folgenden Expert:innen teil:

  • Marco Riederer, Travel Industry Club Tourismus / Prodinger Tourismusberatung

  • Michaela Reitterer, Boutiquehotel Stadthalle / ÖHV a.D.

  • Karl Wöber, Modul University Vienna

  • Katharina Mayer-Ertl, Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus

  • Balázs Kovács, EU Climate Pact Ambassador

  • Benjamin Mayer, Austria Guides for Future

  • Simion Giurca, Corps Touristique Austria

  • Elke Kastner, Klimabündnis Österreich

Das Klimabündnis Österreich

Das Klimabündnis Österreich ist Teil eines internationalen Netzwerks, das Gemeinden, Schulen, Unternehmen und Organisationen bei der Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen begleitet. In Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission treibt das Klimabündnis die Ziele des European Climate Pact voran – einer Initiative im Rahmen des Green Deal, die Bürger:innen zur aktiven Mitgestaltung einer klimafreundlichen Zukunft motivieren will.

Durch Veranstaltungen wie diesen Round Table bietet das Klimabündnis eine Plattform für den Austausch von Ideen, Innovationen und bewährten Praktiken im Bereich nachhaltiger Tourismusentwicklung.

Fazit: Die Zukunft ist ganzjährig, nachhaltig und vernetzt

Der alpine Wintertourismus steht nicht vor dem Aus, sondern vor seiner Neudefinition. Die Zukunft gehört jenen Regionen, die klimatische Realitäten akzeptieren, Geschäftsmodelle anpassen, Qualität vor Quantität stellen und echte Nachhaltigkeit leben. Österreich hat das Potenzial, in Europa eine Vorreiterrolle einzunehmen – ökologisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich.

Der Strukturwandel ist unausweichlich. Ob er zur Krise oder zur Chance wird, entscheidet sich jetzt.

 

Hier gibt es die Podiumsdiskussion zur „Zukunft des Wintertourismus“ zum nachsehen.

 

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