Erstmals hat die Statistik Austria eine repräsentative, bundesweite Erhebung zur Tourismusakzeptanz durchgeführt mit durchaus spannenden Ergebnissen, die nicht nur die Branche, sondern auch die Politik und die Regionen beschäftigen. Ich freue mich sehr, dass heute Peter Laimer von der Statistik Austria im Podcast zu Gast ist. Er gibt uns Einblicke in die Hintergründe der Studie, die Methodik, die zentralen Ergebnisse und die Bedeutung für die künftige Tourismusstrategie in Österreich.
Im Fokus: ein Tourismusakzeptanzsaldo von +38 %, der im internationalen Vergleich positiv ausfällt – aber differenziert betrachtet werden muss. Die Erhebung liefert nicht nur ein aktuelles Stimmungsbild, sondern dient auch als Datenbasis für die Weiterentwicklung des Plan T, Österreichs Tourismusstrategie.
Kernaussagen des Interviews:
- Ein solides erstes Ergebnis – aber kein Selbstläufer
Die österreichische Bevölkerung steht dem Tourismus mehrheitlich positiv gegenüber. Der Tourismusakzeptanzsaldo liegt bei +38 %, was im internationalen Vergleich gut ist. Aber: Die Akzeptanz muss ständig neu verdient und aktiv kommuniziert werden. - Regionale Unterschiede sind deutlich spürbar
Während Wien, Kärnten und Salzburg besonders hohe Zustimmungswerte aufweisen, ist der Anteil neutraler Stimmen in Bundesländern wie Nieder- und Oberösterreich mit rund 60 % besonders hoch. Dort besteht Handlungsbedarf in der Bewusstseinsbildung. - Korrelation mit wirtschaftlicher Bedeutung
In Regionen mit hoher touristischer Wertschöpfung ist die Akzeptanz deutlich stärker ausgeprägt. Wer vom Tourismus profitiert – direkt oder indirekt – steht ihm tendenziell positiver gegenüber. - Das Thema braucht Kontext – und Kommunikation
Ob Preissteigerungen, Verkehr oder Infrastruktur: Tourismus wird vielfältig erlebt. Eine Herausforderung liegt darin, positive Wirkungen sichtbarer zu machen – auch bei Menschen, die keine direkte Verbindung zur Branche haben. - Die Studie ist ein Startpunkt – kein Endpunkt
Die Daten sollen künftig regelmäßig erhoben und veröffentlicht werden. Sie bilden die Basis für strategische Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene – und sollen helfen, den Tourismus als Teil des Lebensraums langfristig besser zu steuern.
Nach Beendigung des Studiums „Geographie“ (1992) an der Universität Wien und dem Abschluss der Lehrgänge für „Export“ (1988) und „Tourismus“ (1990) an der WU Wien ist Peter Laimer seit 1993 in der Statistik Austria tätig und u.a. für die Tourismus- und Reisestatistik verantwortlich. Seit Mitte der 1990er Jahre ist er Delegierter in diversen tourismusstatistischen Arbeitsgruppen bzw. Task Forces von EUROSTAT, OECD und UN Tourism. Seit 2004 ist er in diversen Ländern (u.a. Georgien, Iran, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Oman, Saudi Arabien, Taiwan, Türkei, Zypern) bezüglich Tourismusstatistik und Tourismus-Satellitenkonto beratend tätig. Zwischen 2001 und 2006 war er Vorsitzender der „Statistischen Arbeitsgruppe“ des OECD Tourismus Komitees. 2016 und 2017 leitete er das UN Tourism Statistikkomitee, seit 2018 bis 2023 im Co-Vorsitz mit Spanien, seit 2024 im Co-Vorsitz mit Saudi Arabien. Seit 2000 geht er diversen Lehrtätigkeiten nach, u.a. an der Universität Linz und am Bakkelaureats-Studienlehrgang für Tourismus-Management an der FH Wien der WKW.
Transkript der Podcast-Folge
Marco: Servus Peter, herzlich willkommen bei Smart Hotel Key! Freut mich sehr, dass du heute mit dabei bist. Es ist ja eine ganz spannende Zeit – gerade letzte Woche wurde die Tourismusakzeptanzstudie präsentiert. Statistik Austria war da natürlich maßgeblich nicht nur beteiligt, sondern hat die Erhebung auch durchgeführt.
Lieber Peter, magst du dich kurz vorstellen und uns dann gleich erzählen, warum diese Erhebung zur Tourismusakzeptanz überhaupt durchgeführt wurde?
Peter: Ja, lieber Marco, vielen Dank einmal für die Einladung und die Möglichkeit, ein bisschen über unser jüngstes „Baby“ der Statistik Austria zu sprechen – nämlich über die Tourismusakzeptanz-Erhebung. Ich selbst bin ja schon einige Jahrzehnte im Bereich der Tourismus- und Reisestatistik tätig, aber das ist wirklich ein sehr interessantes und neues Projekt, das wir im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus durchführen. Es freut uns ganz besonders, dass wir diesen sozialen Kontext jetzt einbauen – nicht nur den ökonomischen.
Peter: Den machen wir ja schon seit einigen Jahren, zum Beispiel im Rahmen des Tourismussatellitenkontos. Jetzt geht es aber auch darum, den sozialen Impact des Tourismus näher zu beleuchten. Natürlich mache ich die Studie nicht alleine, sondern werde da sehr unterstützt – durch meine Projektleiterin Rebecca Taul und durch andere Kolleg:innen, etwa aus dem methodischen Bereich, die viel zur Stichprobenplanung und zum sogenannten „Small Area Estimation“-Modell beitragen, auf das ich vielleicht noch zurückkomme.
Peter: Warum machen wir das Ganze? Wir wurden vom Wirtschaftsministerium beauftragt, diese Erhebung durchzuführen. Das war in dieser Form auch ein Novum – wir haben relativ rasch den Auftrag bekommen. Es gibt auch eine sogenannte „Tourismusakzeptanz-Statistikverordnung“, die das Ganze für uns regelt. Das ist für unsere Statistikarbeit sehr wichtig, denn wir dürfen nur tätig werden, wenn es eine gesetzliche Grundlage gibt oder einen Werkvertrag – meist mit öffentlichen Institutionen wie Ministerien.
Peter: Die Gründe für die Erhebung sind vielfältig. Erstens ist die Tourismusakzeptanz eine wichtige soziale Säule im Rahmen der Nachhaltigkeitsmessung, und es gibt bisher relativ wenig Studien dazu. Die Deutschen haben da schon einiges gemacht, die Slowenen sind gerade aufgesprungen. Ein weiterer Auslöser ist auch der Plan T, der ja derzeit überarbeitet wird, in dem aber bereits die ganzheitliche Betrachtung und auch soziale Aspekte vorgesehen sind.
Und klar: Um Wertschöpfung zu gewährleisten, braucht es auch Wertschätzung – vor allem seitens der Bevölkerung. Die gilt es stärker einzubinden. Für die Gäste gibt es ja bereits eine eigene Erhebung durch die Österreich Werbung, etwa zur Gästezufriedenheit.
Marco: Ja, du hast da jetzt einige Themen angesprochen – ein wirklich wichtiges und breites Feld. Bevor wir vielleicht auf einzelne Ergebnisse oder Nachfragen eingehen, interessiert mich – und wahrscheinlich viele unserer Zuhörer:innen –: Tourismusakzeptanz klingt auf den ersten Blick nach einem klaren Begriff. Aber ich nehme an, in der Gestaltung oder bei der Erhebung ist das ein enorm breites Feld. Wie seid ihr da vorgegangen? Wie lässt sich das überhaupt eingrenzen? Und gab es für dich persönlich größere Herausforderungen bei Planung und Durchführung?
Peter: Also grundsätzlich ist es natürlich keine Vollerhebung – das würden wir vielleicht gerne machen, aber aus Kostengründen und auch wegen der Belastung der Befragten geht das nicht. Wir arbeiten deshalb mit einer Online-Befragung, die vierteljährlich stattfindet.
Peter: Zusätzlich befragen wir im Rahmen der Reiseverhaltenserhebung – also unserer Quartalserhebung zum Reiseverhalten der österreichischen Bevölkerung – und hängen die Tourismusakzeptanz-Erhebung sozusagen daran. Das entlastet die Respondent:innen und spart Kosten – Budgets sind ja immer ein Thema, sowohl bei uns als auch beim Ministerium.
Was du schon angesprochen hast: Klar, es gibt Herausforderungen. Es klingt einfach, so etwas zu erheben, aber man muss die Befragten auch bei Laune halten. Der Fragebogen beginnt mit dem Reiseverhalten und wechselt dann zur Tourismusakzeptanz.
Peter: Da muss man also einen Rollenwechsel schaffen – von der reisenden zur bereisten Person. Diesen Perspektivenwechsel muss man gut kommunizieren. Wir haben festgestellt, dass das gut funktioniert. Es gab kaum Rückmeldungen dazu, was zeigt, dass das Konzept tragfähig ist.
Marco: Also dieser Rollenwechsel – quasi zwei Perspektiven in einer Befragung einzunehmen – hat nicht zu Brüchen geführt?
Peter: Nein, überhaupt nicht. Wir haben das im Vorfeld intensiv diskutiert, auch mit den deutschen Kolleg:innen, die in dem Bereich schon viel Erfahrung haben. Die haben uns zunächst abgeraten, das so zu machen. Aber wir haben das 2023 in einem Pretest getestet – und da waren keine nennenswerten Probleme erkennbar.
Peter: Eine weitere Herausforderung betrifft die regionalen Ergebnisse. Tourismus ist ein regionales Phänomen, daher ist die Akzeptanz von Region zu Region unterschiedlich. Wir haben hier versucht, mit Machine Learning und dem sogenannten „Small Area Estimation“-Modell fehlende Werte zu schätzen. Das sind natürlich keine erhobenen Daten, sondern Modellrechnungen.
Peter: Zusätzlich versuchen wir in einem nächsten Schritt, mit interessierten Regionen in Kontakt zu treten, um dort die Stichprobe zu erhöhen und damit repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Was du auch angesprochen hast: der Tourismusakzeptanzsaldo – den gibt es auch in Deutschland – war uns wichtig. Wir wollten einen leicht kommunizierbaren, transparenten Indikator, der auch gut verstanden wird. Es gibt nicht die eine Zahl, die alles erklärt, aber der TAS ist gut geeignet, eine erste Orientierung zu geben.
Marco: Du hast den Saldo angesprochen und gleichzeitig auch die Zahl, die medial stark kommuniziert wurde – nämlich dass 45 % der Bevölkerung dem Tourismus positiv gegenüberstehen. Wie kommen wir von dieser Grundhaltung auf einen Saldo von +38 %? Was bedeutet das konkret?
Peter: Der Tourismusakzeptanzsaldo ergibt sich aus der Differenz zwischen den positiven und den negativen Wahrnehmungen der Auswirkungen des Tourismus. Wir fragen nach überwiegend positiven oder sehr positiven Wirkungen, ebenso nach negativen oder sehr negativen. Aus diesen Anteilen bilden wir die Differenz – das ergibt die +38 Prozentpunkte.
Peter: Dabei muss man aber auch den Anteil der Neutralen berücksichtigen – also jener Personen, die keine Meinung dazu haben. Das sind oft Menschen, die nicht direkt vom Tourismus abhängig sind oder sich keine klare Meinung gebildet haben. In manchen Bundesländern ist dieser Anteil sehr hoch – etwa in Oberösterreich, das eher industriell geprägt ist. In Wien oder Salzburg hingegen ist der Anteil der Neutralen niedrig – da hat fast jede:r eine Meinung zum Tourismus, weil man stärker damit konfrontiert ist.
Marco: Okay, das heißt, wie bei jeder Statistik: Es kommt immer auf die Korrelationen an, und man darf sich nicht nur auf die eine Zahl verlassen. In diesem Fall sollte man also auch den Anteil der neutralen Meinungen im Blick behalten. Jetzt hängt die Tourismusakzeptanz natürlich von mehreren Faktoren ab oder wird zumindest stark beeinflusst. Ihr erhebt ja sehr viele Statistiken – lassen sich da Korrelationen herstellen zur wirtschaftlichen Abhängigkeit oder zu regionalen Unterschieden? Gab es vielleicht auch Ergebnisse, die dich persönlich überrascht haben? Oder Korrelationen, mit denen ihr im Vorhinein nicht gerechnet habt?
Peter: Es gibt eine sehr eindeutige Korrelation: Je höher der Tourismusanteil in einer Region – zum Beispiel laut regionalem Tourismussatellitenkonto –, desto höher auch der Tourismusakzeptanzsaldo. Das heißt, in Regionen, in denen der Tourismus wirtschaftlich eine große Rolle spielt, wird er auch tendenziell positiver wahrgenommen.
Peter: Gleichzeitig gibt es aber auch in solchen Regionen eine Gruppe von Menschen, die dem Tourismus kritisch gegenüberstehen – etwa in Tirol oder Salzburg. Aber grundsätzlich sieht man klar: Je größer die wirtschaftliche Bedeutung, desto höher ist im Durchschnitt die Zustimmung.
Peter: Es gibt keine Ergebnisse, die mich besonders überrascht hätten. Wir haben auch im Austausch mit den deutschen Kolleg:innen festgestellt, dass wir mit unseren Zahlen sehr nah an deren Ergebnissen liegen. Das bestärkt uns in der Annahme, dass unsere Erhebung gut aufgesetzt ist.
Was mich überrascht hätte, wäre ein negativer TAS oder ein Wert von nahe +100 oder -100 Prozentpunkten – das ist ja theoretisch möglich, wäre aber extrem.
Peter: Auch bei den Gründen, warum jemand den Tourismus positiv oder negativ wahrnimmt, gab es wenig Überraschungen: Auf der negativen Seite wurden vor allem Verkehr, Preissteigerungen und ähnliche Effekte genannt. Auf der positiven Seite wurden Dinge wie Standortentwicklung, Infrastruktur, von der auch die Bevölkerung profitiert, oder auch Werbung für den Ort genannt – also alles Aspekte, die schon im Vorfeld erwartet wurden.
Marco: Du hast vorher gesagt, in Wien ist der TAS unter anderem deshalb so hoch, weil dort wenige neutrale Meinungen vorherrschen – viele Menschen haben eine klare Haltung. Kärnten schneidet auch sehr gut ab. Ist das dort ein ähnliches Phänomen oder hängt das eher mit der wirtschaftlichen Bedeutung zusammen?
Peter: Ich denke, das hängt auch mit der Wertschöpfung zusammen. Viele Menschen in Kärnten arbeiten direkt oder indirekt im Tourismus. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum man eine solche Studie macht – um Bewusstsein dafür zu schaffen, wie viele Menschen eigentlich in irgendeiner Form vom Tourismus profitieren.
Peter: Das betrifft ja nicht nur Hoteliers oder Gastronomiebetriebe, sondern auch vorgelagerte Branchen wie Handwerk, Lebensmittelproduktion etc. Ich würde sagen, Kärnten und Wien sind da recht ähnlich gelagert. In beiden Bundesländern gibt es eine relativ hohe wirtschaftliche Relevanz des Tourismus, wobei Wien natürlich auch noch viele andere wirtschaftliche Pfeiler hat.
Aber dennoch gibt es in beiden viele Menschen, die sich zum Tourismus äußern können – und das zeigt sich in den Daten.
Marco: Noch eine Frage zur statistischen Einordnung: Du hast vorher gesagt, der TAS von +38 % liegt ungefähr auf dem Niveau, das ihr auch aus Deutschland kennt. Jetzt bezeichnen wir uns in Österreich ja gerne als „Tourismusweltmeister“. Hätten wir uns da nicht eigentlich eine höhere Akzeptanz erwarten sollen?
Peter: Naja, manchmal klaffen Wunsch und Realität etwas auseinander – das gilt wohl in vielen Bereichen. Aber wie gesagt: Wenn man sich die vergleichbaren Daten anschaut, dann liegen wir mit +38 Prozent wirklich gut.
Peter: Die Gruppe der Neutralen sollte man sich aber in jedem Fall genauer anschauen. Wir überlegen auch, künftig eine zusätzliche offene Frage einzubauen, um besser zu verstehen, warum Menschen keine Meinung zum Tourismus haben. Denn das kann ja sehr unterschiedliche Gründe haben – und diese Gruppe ist durchaus volatil. Sie kann sich also relativ leicht in die eine oder andere Richtung bewegen.
Peter: Man darf auch nicht vergessen: Bei dieser Erhebung geht es um Meinungen und Wahrnehmungen. Und die können natürlich auch von aktuellen Ereignissen beeinflusst werden. Medienberichte – etwa über Proteste gegen den Tourismus in anderen Ländern – können sich durchaus auswirken. In unserer Erhebung konnten wir das zwar nicht beobachten, aber das muss man bei der Interpretation solcher Daten immer im Hinterkopf behalten.
Marco: Verständlich. Jetzt haben wir ja vorher kurz über die „Top-Performer“ in Sachen Tourismusakzeptanz gesprochen. Gibt es denn auch Regionen oder Bundesländer, wo man sich mehr Akzeptanz wünschen würde? Oder anders gefragt: Wer schneidet derzeit am schlechtesten ab?
Peter: Als Statistiker vermeide ich Rankings eigentlich gerne. Aber ja – es gibt Bundesländer, in denen der TAS vergleichsweise niedrig ist. Das sind etwa Niederösterreich und Oberösterreich.
Peter: Dort ist aber auch der neutrale Anteil sehr hoch – etwa bei 60 %. Und das hat natürlich starken Einfluss auf das Gesamtergebnis. Wie gesagt: Bei der Interpretation der Daten ist es wichtig, genau hinzuschauen und auch solche Effekte zu berücksichtigen. Das betonen wir auch immer wieder.
Marco: Also rund 60 % Enthaltungen – also keine Meinung zum Tourismus – ist schon ein hoher Anteil. Ist das das Maximum innerhalb der regionalen Unterschiede?
Peter: Ja, das ist derzeit der höchste Wert. Aber gerade das zeigt, dass es ein Auftrag für die Tourismuspolitik ist, diese Gruppe gezielter anzusprechen – sei es über Kommunikation, Beteiligung oder durch Bewusstseinsbildung.
Marco: Du hast mir jetzt fast schon die nächste Frage vorweggenommen: Welche konkreten Ableitungen ergeben sich denn aus deiner Sicht für Politik, Regionen und Betriebe? Wenn ich eine Region mit hohem Anteil an neutralen Stimmen bin, muss ich den Tourismus stärker in die Köpfe bringen. Und die Ergebnisse fließen ja auch in die Weiterentwicklung des Plan T ein.
Wie können die Daten dabei konkret helfen? Wie läuft das aktuell ab?
Peter: Wir werden da sicher wieder involviert sein – wie auch schon beim ursprünglichen Plan T, wo ja eine Reihe von Indikatoren eingeführt wurden. Die aktuelle Erhebung ist eine Art Bestandsaufnahme – sozusagen eine „Nullmessung“, die als Ausgangspunkt dient.
Peter: Interessant wird es dann, wenn man in den kommenden Jahren vergleichen kann, wie sich die Werte entwickeln. Diese erste Erhebung zeigt also, wo wir heute stehen – und kann künftig als Referenzpunkt dienen. Das wird auch wichtig für die Weiterentwicklung des Plan T sein, der ja jetzt mit einem breiten Beteiligungsprozess überarbeitet wird.
Peter: Es gibt übrigens auch eine kleine Gruppe – etwa 6 % der Befragten –, die sagen, dass es ihnen sowohl am Wohnort als auch in ganz Österreich „zu viele Touristen“ sind. Auch wenn das zahlenmäßig klein erscheint, sollte man diese Gruppe ernst nehmen, mitnehmen und im besten Fall überzeugen, dass die Auswirkungen vielleicht weniger negativ sind, als sie wahrgenommen werden.
Marco: Ja, klar. Und wie gesagt – mit der Regelmäßigkeit der Erhebung sieht man ja erst, wohin sich die Tourismusakzeptanz entwickelt. Das heißt, der derzeitige Saldo von +38 % ist vielleicht als „Nulllinie“ zu sehen, und man kann dann künftig beobachten, ob sich das Ganze nach oben oder unten verändert – gesamtösterreichisch und auch auf Ebene der Bundesländer.
Habe ich das richtig verstanden: Die Erhebung läuft quartalsweise, oder?
Peter: Genau. Sie wird im Rahmen der ohnehin durchgeführten Reiseverhaltens-Erhebung gemacht. Diese ist eine Quartalserhebung – unter anderem deshalb, weil das Erinnerungsvermögen besser ist, wenn man die Leute rückblickend nach dem letzten Quartal fragt, anstatt nach dem ganzen Jahr.
Peter: Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt aber derzeit einmal jährlich – das ist auch mit dem Ministerium so vereinbart. Das heißt allerdings nicht, dass wir uns die quartalsweisen Ergebnisse nicht anschauen. Im Gegenteil – gerade im Hinblick auf mögliche saisonale Schwankungen ist das wichtig.
Marco: Okay, das heißt: Auch wenn die Ergebnisse jährlich veröffentlicht werden, würdet ihr auffällige saisonale Entwicklungen zumindest intern erkennen und an die Politik kommunizieren?
Peter: Ja, genau. Wenn uns intern etwas auffällt – etwa ein Ausschlag in die eine oder andere Richtung –, dann werden wir das natürlich entsprechend thematisieren und einbringen.
Marco: Du hast vorher schon erwähnt, dass ihr überlegt, künftig noch mehr über die neutralen Stimmen herauszufinden – also etwa durch eine offene Frage. Gibt es sonst noch Punkte, die ihr beim nächsten Mal anders oder stärker beleuchten würdet?
Peter: Wir würden natürlich gerne noch viel mehr beleuchten – es ist ein sehr breites Feld, das viele spannende Analyseansätze bietet. Man könnte auch weitere Modelle entwickeln, wie wir das jetzt schon mit den regionalen Schätzungen gemacht haben.
Peter: Gleichzeitig achten wir aber darauf, das Erhebungsdesign stabil zu halten – allein schon aus Vergleichbarkeitsgründen. Wenn man zu viel verändert, ist der Vergleich mit vorherigen Ergebnissen kaum noch möglich. Aber klar: Es gibt immer Luft nach oben.
Jetzt schauen wir uns erst einmal an, wie die erste Erhebung ankommt – und aus dieser Analyse ergeben sich dann vielleicht einzelne, kleinere Anpassungen für die Zukunft.
Marco: Du hast vorher auch kurz erwähnt, dass einzelne Regionen oder Tourismusverbände vielleicht Interesse hätten, so eine Erhebung selbst in Auftrag zu geben. Aber das wäre dann natürlich ein eigener Finanzierungsweg. Wie granular liegen denn jetzt die aktuellen Ergebnisse vor? Nur auf Bundesländerebene oder schon detaillierter?
Peter: Unsere Ergebnisse liegen grundsätzlich auf Bundesländerebene vor. Auch wenn wir mit über 12.000 Netto-Interviews eine relativ große Stichprobe haben, kommen wir bei kleineren Einheiten wie Bezirken oder Regionen an statistische Grenzen. Vor allem dann, wenn man die Daten noch weiter aufschlüsselt – etwa nach Alter, Bildungsgrad oder anderen Merkmalen –, wird die Schwankungsbreite zu groß.
Peter: Da hätte dann niemand etwas von einer Veröffentlichung, weil die Ergebnisse nicht mehr belastbar wären. Wenn man wirklich detaillierte Ergebnisse auf regionaler Ebene möchte, müsste man dort gezielt die Stichprobe erhöhen.
Marco: Ganz praktische Frage: Wenn ein Tourismusverband jetzt zuhört und sagt „Das ist spannend – ich möchte so eine Erhebung für meine Region“, wie lange würde es dauern, bis er Ergebnisse erhält? Wenn er morgen einen Auftrag erteilt?
Peter: Wenn wir das machen, dann frühestens ab dem nächsten Jahr – also mit Start der neuen Erhebungswelle. Normalerweise arbeitet man mit Jahresergebnissen. Ich verstehe natürlich, dass keine Region ein Jahr auf Ergebnisse warten will.
Peter: Wir müssten uns dann im Detail anschauen, ob wir nicht auch auf Quartalsebene eine Lösung anbieten können – was wir intern ja ohnehin machen. Dann könnte man zum Beispiel die regionale Stichprobe quartalsweise erweitern und schneller zu Ergebnissen kommen.
Marco: Okay, das heißt: Für solche Quartalserhebungen würde in interessierten Regionen gezielt die Stichprobe erhöht?
Peter: Genau – das ist die Idee. Wir stehen da auch schon in Kontakt, zum Beispiel mit dem Destinationsnetzwerk Austria. Es gibt also erste Gespräche in diese Richtung.
Marco: Sehr gut. Dann vielleicht noch eine persönliche Frage: Tourismusakzeptanz ist wahrscheinlich nicht gleich Tourismusakzeptanz – ihr habt das versucht, so objektiv wie möglich zu erfassen. Aber was bedeutet für dich persönlich akzeptierter oder nachhaltiger Tourismus?
Peter: Für mich geht es vor allem um das Gleichgewicht: Was braucht der Tourismus – und was braucht die lokale Bevölkerung? Man muss die Menschen mitnehmen, sie einbinden, mit ihnen im Gespräch bleiben. In der Vergangenheit stand oft nur die ökonomische Komponente im Vordergrund.
Peter: Heute spielen viele andere Faktoren eine Rolle – auch soziale Medien, durch die sich Meinungen viel schneller verbreiten. Die Menschen bilden sich rascher und direkter eine Meinung – auch zum Tourismus. Und dann ist es wichtig, eine gute Balance zu finden – nicht nur für heute, sondern auch für die nächste Generation.
Peter: Der Tourismus ist schließlich von der Natur abhängig. Niemand will in eine verdreckte Gegend reisen. Deshalb müssen wir auf unsere Umwelt achten. Die lokale Bevölkerung spielt dabei eine große Rolle – etwa durch Landwirte, die unsere Kulturlandschaft pflegen.
Peter: Wenn wir diese Menschen nicht mitnehmen, wird es schwierig. Und nicht vergessen: Wir alle reisen selbst – also haben wir auch eine Verantwortung, achtsam mit touristischen Räumen umzugehen.
Marco: Du hast mir da gleich wieder eine neue Frage geliefert. Wenn ich das jetzt richtig zusammenfasse, ist der Hebel für eine weiterhin positive Entwicklung der Tourismusakzeptanz vor allem das richtige Gleichgewicht. Aber sicher auch Kommunikation – gerade gegenüber jener großen Gruppe, die sich enthalten hat oder keine Meinung hatte.
Marco: Es geht darum, den Beitrag des Tourismus sichtbarer zu machen – nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf Lebensqualität, soziale Standards, Arbeitsplätze. Wie du gesagt hast: Auch der Bäcker, der Handwerker profitiert mit. Ich denke, da ist auch kommunikativ in Zukunft noch viel Potenzial.
Peter: Absolut. Das Gespräch zu suchen ist entscheidend – aber auch Kritik ernst zu nehmen. In Deutschland gibt es zum Beispiel Regionen, in denen nach der Erhebung gezielt Feedbackgespräche mit der Bevölkerung stattfinden. Das ist ein sehr guter Ansatz, um die Menschen mitzunehmen und einzubinden.
Marco: Ein letzter Punkt vielleicht noch: Du hast die Medien und sozialen Netzwerke angesprochen – sie prägen die Meinungsbildung enorm. Wenn man an die Zeit vor der Pandemie denkt, standen medial oft Orte wie Hallstatt im Fokus – Stichwort Massentourismus. Ist euch dieses Thema auch in der Erhebung begegnet?
Peter: Der Begriff Massentourismus – oder Overtourism – ist eigentlich nicht neu. Er ist in den 1970er Jahren entstanden, mit dem Aufkommen der günstigen Pauschalreisen. Für Österreich ist das eher weniger relevant gewesen.
Peter: In unserer Erhebung sind solche Begriffe nicht explizit aufgetaucht – zumindest nicht in den offenen Antworten. Und: Wir können leider nicht zwischen Nächtigungs- und Tagestourismus unterscheiden, was aber gerade bei Orten wie Hallstatt oder Dürnstein ein wichtiger Faktor wäre. Oft ist es ja gerade der Tagestourismus, der diese Orte belastet – nicht der Nächtigungsgast.
Peter: Ähnlich in Wien: Wenn die U-Bahn voll ist, liegt das nicht nur an Tourist:innen, sondern auch an Pendler:innen und anderen Einwohner:innen. Für die Tourismusakzeptanz macht es aber oft keinen Unterschied – für die Wahrnehmung ist es einfach „voll“.
Marco: Klar – und natürlich gibt es auch saisonale Unterschiede. Es ist ja nicht das ganze Jahr über überall überfüllt – zumindest in Österreich nicht. Aber für die Bevölkerung ist das subjektive Gefühl wichtig – ob da jetzt jemand übernachtet oder nur einen halben Tag bleibt, spielt im Erleben kaum eine Rolle.
Peter: Genau. Die Wahrnehmung zählt – ob Tages- oder Nächtigungstourismus, das macht für die Leute vor Ort keinen Unterschied.
Marco: Super, Peter – wir sind beinahe am Ende unseres Gesprächs angekommen. Gibt es noch etwas, das du loswerden möchtest, das dir wichtig ist in Bezug auf die Tourismusakzeptanz und eure erste Erhebung?
Peter: Für mich ist wichtig – und wird es auch künftig sein –, dass diese Erhebung möglich ist und valide Daten liefert. Das eröffnet ein breites Feld für weitere Forschung, so wie es auch unsere Kolleg:innen in Deutschland mittlerweile tun.
Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft noch mehr in dieser Richtung arbeiten können.
Marco: Super, vielen Dank, lieber Peter. Wir werden weiter über das Thema informieren – ihr sowieso, wir auch. Danke für das Gespräch!
Peter: Ja, vielen Dank auch dir für das Gespräch.