Nachhaltigkeitszertifikate: Freiwilligkeit, Sinn und der Weg zur Zertifizierung
Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Trend – sie ist eine Notwendigkeit für die Zukunft des Tourismus. Doch wie kann eine Destination glaubwürdig nachweisen, dass sie wirklich nachhaltig handelt? Nachhaltigkeitszertifikate bieten eine Möglichkeit, strukturiert und überprüfbar nachhaltige Maßnahmen umzusetzen. Dabei ist entscheidend: Eine Zertifizierung ist freiwillig und sollte aus Überzeugung erfolgen – nicht nur aus Marketinggründen.
Genau über diese Fragen wurde beim 5. TICT-Talk des Travel Industry Club Tourismus diskutiert. Experten wie Nicole Nell (Wagrain-Kleinarl Tourismus), Dr. Michaela Hölz (Nachhaltigkeitsberaterin) und Karl Reiner (Tourismusexperte der ÖAR) gaben Einblicke in ihre Erfahrungen mit Zertifizierungen. Besonders das Österreichische Umweltzeichen wurde als wichtiges Instrument zur nachhaltigen Destinationsentwicklung hervorgehoben.
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In diesem Beitrag beleuchten wir, warum sich Destinationen freiwillig zertifizieren lassen sollten, welche Herausforderungen es gibt und welche konkreten Schritte zur Zertifizierung führen.
Warum sind Nachhaltigkeitszertifikate für Destinationen sinnvoll?
Freiwilligkeit als Schlüssel zum Erfolg
Ein zentrales Thema des TICT-Talks war die freiwillige Entscheidung für eine Zertifizierung. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung – Destinationen müssen sich bewusst dafür entscheiden, höhere Standards als gesetzlich vorgeschrieben zu erfüllen.
Nicole Nell (Wagrain-Kleinarl Tourismus):
„Mit Nachhaltigkeitszertifikaten richtet man den Blick über kurzfristige Erfolge hinaus. Sie setzt auf ökologische Verantwortung und stärkt das Wohl der Gemeinschaft – ein nachhaltiger Ansatz, der dauerhaften Mehrwert schafft und die Zukunftsfähigkeit der Region sichert.“
Warum ist diese freiwillige Verpflichtung wichtig?
- Sie signalisiert echtes Engagement und Glaubwürdigkeit
- Sie führt zu langfristigen positiven Veränderungen
- Sie ist ein Leitfaden für nachhaltige Entwicklung – nicht nur ein Marketinginstrument
Ohne eine klare innere Motivation kann eine Zertifizierung schnell zur bloßen Formalität verkommen. Nachhaltigkeit erfordert eine echte Veränderungsbereitschaft.
Zertifizierungen als strategisches Entwicklungswerkzeug
Laut Dr. Michaela Hölz, die bereits viele Destinationen bei ihrer nachhaltigen Transformation begleitet hat, geht es nicht nur um das Label selbst, sondern um den dahinterliegenden Prozess:
„Nachhaltigkeit ist für mich ein Weg, Zertifizierungskataloge und -systeme eine Hilfe. Beides zusammen bildet im besten Fall einen Prozess, der mit tiefgreifendem, freudvollem und damit nachhaltigem Wandel zu tun hat.“
Nachhaltigkeitszertifikate helfen, Nachhaltigkeit systematisch anzugehen:
- Analyse der aktuellen Situation
- Identifikation von Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten
- Langfristige, strukturierte Entwicklung nachhaltiger Maßnahmen
Der Weg zur Zertifizierung: Schritte zur nachhaltigen Destination
Karl Reiner (ÖAR) betonte im TICT-Talk:
„Nachhaltigkeitszertifikate sind ein wichtiger Beitrag für ein besseres Verständnis für nachhaltige Destinationsentwicklung.“
Wie läuft eine Zertifizierung konkret ab?
Entscheidung und Zielsetzung
- Warum wollen wir uns zertifizieren lassen?
- Welche Nachhaltigkeitsaspekte sind für unsere Destination besonders wichtig?
- Sind alle Stakeholder (Gemeinden, Hotels, Betriebe) bereit, diesen Weg mitzugehen?
Nicole Nell schilderte die Ausgangslage in Wagrain-Kleinarl:
„Wir standen vor einem Berg an Nachhaltigkeitsthemen und wussten nicht genau, wo wir beginnen sollen.“
Die Zertifizierung half dabei, eine klare Struktur in die Nachhaltigkeitsstrategie zu bringen.
Analyse und Maßnahmenplanung
- Bestandsaufnahme der aktuellen Nachhaltigkeitsleistungen
- Identifikation von Verbesserungspotenzialen
- Definition konkreter Maßnahmen (z. B. umweltfreundliche Mobilität, regionale Wertschöpfung, nachhaltige Events)
Ein wichtiger Schritt ist die Gründung eines Nachhaltigkeitsboards, wie es Wagrain-Kleinarl tat. Dort wurden Vertreter aus Gemeinden, Tourismusorganisationen, Gastronomie, Landwirtschaft und Einheimische eingebunden.
Externe Prüfung und Zertifizierung
- Umsetzung der definierten Maßnahmen
- Antragstellung bei einer Zertifizierungsstelle
- Externe Prüfung durch Auditoren
- Bei erfolgreicher Prüfung: Vergabe des Zertifikats
Wagrain-Kleinarl entschied sich später für eine Doppelzertifizierung:
- Green Destinations (internationaler Vergleich)
- Österreichisches Umweltzeichen (Anerkennung im deutschsprachigen Raum)
Die Erfahrungen aus dem Auditprozess waren laut Nell äußerst wertvoll:
„Es hat uns gezeigt, wo wir noch Verbesserungspotenzial haben.“
Das Österreichische Umweltzeichen für Tourismusdestinationen
Das Österreichische Umweltzeichen wurde im TICT-Talk als besonders hochwertiges Tool zur nachhaltigen Regionalentwicklung hervorgehoben.
Anforderungen
- Klimaschutzmaßnahmen aktiv umsetzen
- Nachhaltige Mobilitätskonzepte fördern
- Umweltfreundliche Veranstaltungen organisieren
- Regionale Wertschöpfung stärken
Warum lohnt sich das Umweltzeichen?
- Staatlich anerkanntes Gütesiegel
- Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung
- Mehr Glaubwürdigkeit & Wettbewerbsfähigkeit
Fazit: Zertifizierungen als strategische Entscheidung
🌿 Eine Zertifizierung ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Instrument zur nachhaltigen Entwicklung.
Die Diskussion beim 5. TICT-Talk zeigte deutlich:
- Ohne eine klare Motivation bringt eine Zertifizierung wenig
- Nachhaltigkeit muss in der Organisation verankert sein – nicht nur in einer Person
- Die Einbindung aller Stakeholder ist entscheidend
Nicole Nell fasst es treffend zusammen:
„Eine Zertifizierung bringt nicht automatisch mehr Gäste, aber sie schafft Glaubwürdigkeit und hilft, Nachhaltigkeit langfristig zu verankern.“
Angesichts steigender Erwartungen von Gästen, Investoren und Politik wird Nachhaltigkeit im Tourismus zum Standard – und Zertifikate sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.
- Nachbericht des Travel Industry Club Tourismus
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