Fitness-Check Gastronomie 2025: Herausforderungen und Strategien für die Zukunft
Die österreichische Gastronomiebranche steht vor großen Herausforderungen. Der Fitness-Check Gastronomie 2025, durchgeführt von der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (OeHT), der Prodinger Tourismusberatung und Kohl > Partner, zeigt alarmierende Trends auf: Steigende Kosten, stagnierende Umsätze und sinkende Gästefrequenzen setzen insbesondere kleine Betriebe unter Druck. Gleichzeitig gewinnen ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) zunehmend an Bedeutung.
In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Fitness-Check Gastronomie, analysieren wirtschaftliche Entwicklungen und bieten praxisnahe Strategien für Gastronomen, um langfristig erfolgreich zu bleiben.
Als Interviewpartner zu Gast ist in dieser Podcastfolge ist Florian Zellmann, der Prokurist der OeHT.
Wirtschaftliche Lage: Wo steht die Gastronomie 2025?
Umsatzentwicklung und Gästefrequenz
- Der Umsatz pro Sitzplatz steigt nur leicht – in kleineren Betrieben mit weniger als 100 Sitzplätzen ist er sogar rückläufig.
- Trotz gestiegener Preise für Speisen und Getränke bleibt der reale Umsatzzuwachs hinter der Inflation zurück.
- Die Gästefrequenz nimmt ab, was besonders für kleine und traditionelle Wirtshäuser zum Problem wird.
Kostenfaktoren: Wareneinsatz und Mitarbeiterkosten steigen
- Die Wareneinsätze sind gestiegen, besonders im Getränkebereich.
- Mitarbeiterkosten sind der größte Kostentreiber:
- Der Personalaufwand pro Vollzeitäquivalent (VZÄ) ist signifikant gestiegen.
- Kleine Betriebe können diese Kosten oft nicht auffangen.
- Besonders Fine-Dining-Restaurants und Haubenküchen leiden unter steigenden Wareneinsätzen und Mitarbeiterkosten.
Strukturelle Unterschiede zwischen kleinen und großen Betrieben
- Kleine Betriebe (bis 300.000 Euro Umsatz):
- Massive Rückgänge beim Ergebnis vor Steuern.
- Kostendeckung durch Preiserhöhungen kaum möglich.
- Größere Betriebe (ab 101 Sitzplätze):
- Profitieren von Skaleneffekten: bessere Einkaufskonditionen, optimiertes Mitarbeitermanagement.
- Können Preisanpassungen leichter durchsetzen.
ESG-Kennzahlen im Fitness-Check Gastronomie: Nachhaltigkeit wird zum wirtschaftlichen Faktor
Erstmals wurden ESG-Kennzahlen im Fitness-Check Gastronomie erfasst. Die wichtigsten Erkenntnisse:
- 72 % der Betriebe beziehen Waren aus einem Umkreis von maximal 100 km – ein Zeichen für starke regionale Wertschöpfung.
- Frauenanteil in Führungspositionen steigt auf 50 %.
- Fluktuationsrate in großen Betrieben liegt bei 18,47 %, was auf eine stabilere Beschäftigung hinweist.
- Energiekostenanteil am Umsatz ist gestiegen, was den Margendruck zusätzlich erhöht.
Die Bedeutung von ESG wächst, nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Nachhaltige Maßnahmen helfen, Betriebskosten zu senken und das Image zu stärken.
Strategien für eine erfolgreiche Zukunft
Professionelles Kostenmanagement & Controlling
- Wareneinsatz genau überwachen und Einkaufsstrategien optimieren.
- Preisgestaltung anpassen, um Margen zu stabilisieren.
- Betriebskosten (Energie, Abfall, Wasser) gezielt reduzieren.
Flexibles Personalmanagement
- Mitarbeitereinsatz an den Umsatz pro Stunde anpassen.
- Mehr flexible Arbeitszeitmodelle & Aushilfen einsetzen, um Kosten zu senken.
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil nutzen
- ESG-Maßnahmen strategisch in den Betrieb integrieren.
- Regionale Lieferketten nutzen, um langfristig Kosten und CO₂-Emissionen zu reduzieren.
Forderung nach politischen Maßnahmen
- Umsetzung des angekündigten Wirtshauspakets aus dem Regierungsprogramm.
(Vorbild Deutschland: Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen auf 7 % zur Entlastung der Gastronomie.)
Fazit zum Fitness-Check Gastronomie: Die Schere zwischen Gewinnern und Verlierern öffnet sich
Die Ergebnisse im Fitness-Check Gastronomie 2025 zeigen, dass sich die wirtschaftliche Lage für kleine Betriebe weiter verschärft, während größere Betriebe Skaleneffekte nutzen können. Wer seine Kennzahlen im Blick hat, auf nachhaltige Strategien setzt und effizient wirtschaftet, wird langfristig bestehen.
Der komplette Fitness-Check Gastronomie steht hier zum Download bereit:
- Prodinger Tourismusberatung: Fitness-Check Gastronomie
- Presseaussendung der OeHT zum Fitness-Check Gastronomie 2025
- Weiterführende Gedanken von Thomas Reisenzahn zur wirtschaftlichen Realität des Gastgewerbes im TP-Blog
Transkript der Podcast-Folge: Fitness-Check Gastronomie 2025
Marco: Hallo und herzlich Willkommen bei Smart Hotel Key, deinem Podcast für erfolgreiches Hotelmanagement. Mein Name ist Marco Riederer und ich freue mich sehr, dass du auch diese Woche wieder mit dabei bist. Noch mehr freue ich mich, dass ich heute einen sehr spannenden Interviewgast im Podcast habe. Hallo Florian. #00:00:06#
Florian: Hallo Marco, servus. #00:00:25#
Marco: Florian Zellmann wird vielen von euch ein Begriff sein – vor allem den österreichischen Hörern. Er ist Prokurist der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank und wir arbeiten schon lange in verschiedenen Bereichen zusammen, vor allem wenn es um Benchmarking und Kennzahlen in der Hotellerie geht. Falls jemand von der OeHT noch nichts gehört hat, vor allem unsere deutschen Zuhörer, Florian, magst du dich kurz vorstellen und erzählen, was genau die Tourismusbank macht? #00:00:26#
Florian: Gerne Marco, vielen Dank für die einleitenden Worte. Die Tourismusbank wickelt die gewerbliche Tourismusförderung für den Bund ab. In Deutschland wäre das Pendant dazu die KfW. Das heißt, wir finanzieren den gesamten Hospitality-Bereich, also Hotellerie und Gastronomie. Wir stellen geförderte Kredite, Haftungen und Risikoübernahmen des Bundes zur Verfügung und sind der Finanzierungs- und Förderpartner für rund 2.500 aktive Kreditnehmer – hauptsächlich aus Hotellerie und Gastronomie. #00:00:57#
Marco: Das ist genau der Punkt, an dem wir eine große Schnittmenge haben – vor allem in der Hotellerie, aber auch in der Gastronomie. Unsere Hörer wissen vielleicht, dass wir seit einigen Jahren einen Hotel-Fitness-Check veröffentlichen, bei dem wir uns intensiv mit den Kennzahlen der Ferienhotellerie auseinandersetzen. Zum dritten Mal haben wir nun gemeinsam mit der Prodinger Tourismusberatung, der OeHT und Kohl > Partner einen Fitness-Check Gastronomie erstellt, bei dem wir die Kennzahlen von Gastronomiebetrieben analysiert haben. Diese Woche wurde der Bericht veröffentlicht. Florian, wenn du auf die Zahlen blickst – was ist dir als Erstes aufgefallen? #00:01:40#
Florian: Ja, das ist bereits die dritte Auflage des Gastronomie-Fitness-Checks. Was sofort auffällt, ist der Umsatzrückgang, insbesondere pro Sitzplatz bei kleinen Betrieben. Wir sprechen hier von Gastronomiebetrieben mit bis zu 100 Sitzplätzen. Im Vergleich zu 2022 ist der Umsatz pro Sitzplatz um knapp 3.000 Euro gesunken. Der aktuelle Wert liegt bei knapp über 9.000 Euro. Noch drastischer ist der Vergleich mit 2019 – die Umsatzsteigerung beträgt lediglich 17 %, was deutlich unter der Inflationsrate liegt. Die Nachholeffekte nach der Pandemie haben nachgelassen und die Gästefrequenz geht tendenziell zurück, was zusätzlichen wirtschaftlichen Druck erzeugt. #00:03:02#
Marco: Das heißt, obwohl die Preise für Speisen und Getränke gestiegen sind, reicht das nicht aus, um die höheren Kosten aufzufangen? #00:04:37#
Florian: Genau. Wir haben das bereits im letzten Jahr prognostiziert. Wenn man sich die GOP-Niveaus in den verschiedenen Gastronomiebereichen ansieht – von Kaffeehaus über Fine Dining bis hin zum klassischen Wirtshaus –, dann sind die Werte sogar unter dem Niveau von 2019. Besonders kleine Betriebe sind betroffen, sie liegen mit rund 2 % unter dem GOP-Wert von 2019. Das bedeutet, dass die Preissteigerungen zwar weitergegeben wurden, aber unterhalb des Inflationsniveaus bleiben. Die Rentabilität in der Gastronomie ist insgesamt rückläufig. #00:05:08#
Marco: Vielleicht noch zur Erklärung: Der GOP (Gross Operating Profit) ist das operative Betriebsergebnis. Es umfasst alle Erlöse abzüglich aller Kosten, die für den operativen Betrieb notwendig sind. In der Gastronomie gibt es viele Pachtbetriebe – und die Pachtkosten sind im GOP noch nicht enthalten. Das bedeutet, dass für viele Gastronomiebetriebe am Ende kaum etwas übrigbleibt, oder? #00:06:09#
Florian: Absolut. In der Gastronomie liegt die Pacht im Schnitt bei 8 % des Umsatzes. Wenn der GOP bei kleinen Betrieben bei 15 % liegt, bleiben nur noch 7 % übrig – aus denen nicht nur Fremdkapitalzinsen, sondern auch Reinvestitionen finanziert werden müssen. Die finanzielle Luft wird also immer dünner. #00:06:50#
Marco: Wobei kleine Betriebe nicht nur das klassische Wirtshaus ums Eck sind. Welche Betriebstypen fallen unter diese Kategorie? #00:07:29#
Florian: Dazu gehören Fine-Dining-Restaurants, Innenstadt-Gastronomiebetriebe mit speziellen Konzepten und klassische Kaffeehäuser, vor allem im ländlichen Bereich. Fine-Dining-Betriebe sind besonders betroffen, da sie hohe Wareneinsatz- und Mitarbeiterkosten haben. #00:07:42#
Marco: Die größten Kostentreiber sind der Wareneinsatz und die Mitarbeiterkosten. Gerade serviceintensive Betriebe wie Fine Dining haben es schwer, den Personalaufwand zu decken. Wie sieht hier die Zukunft aus? #00:08:47#
Florian: Wareneinsatz und Mitarbeiterkosten machen über 60 % der Gesamtkosten aus. Bei großen Betrieben über 100 Sitzplätzen sehen wir, dass sie durch bessere Einkaufspolitik und Prozessoptimierung den Wareneinsatz stabil halten oder sogar senken können. Kleine Betriebe hingegen haben eine steigende Wareneinsatzquote – aktuell bei rund 29 %, während große Betriebe bei 24,5 % liegen. #00:10:16#
Marco: Und die Mitarbeiterkosten? #00:11:33#
Florian: Hier sehen wir eine drastische Entwicklung. Der Mitarbeiteraufwand pro Vollzeitäquivalent (VZÄ) liegt mittlerweile deutlich über 40.000 Euro – nahezu ident mit der Hotellerie. Es gibt kaum Spielraum für Kostensenkungen. Eine der wenigen Möglichkeiten ist eine gezielte Mitarbeitereinsatzanalyse, um den Personaleinsatz effizienter zu gestalten. #00:11:41#
Marco: Ein wichtiges Thema – Prozessoptimierung, Automatisierung und Digitalisierung werden essenziell. Eine Zahl hat mich besonders schockiert: Kleine Betriebe mit einem Umsatz bis 300.000 Euro schreiben im Schnitt bereits ein negatives Ergebnis vor Steuern. #00:13:00#
Florian: Ja, und das betrifft nicht nur Betriebe bis 300.000 Euro Umsatz. Auch viele Betriebe mit bis zu einer Million Euro Umsatz schreiben rote Zahlen. Je kleiner ein Betrieb ist, desto schwieriger wird es, steigende Kosten abzufedern. #00:14:24#
Marco: In Deutschland soll die Umsatzsteuer auf Speisen dauerhaft auf 7 % gesenkt werden. Braucht es auch in Österreich politische Maßnahmen zur Entlastung der Gastronomie? #00:16:46#
Florian: Grundsätzlich sind Umsatzsteuersenkungen eine gezielte und effiziente Maßnahme. Wenn ich mir die aktuellen Zahlen ansehe, könnte eine temporäre Reduzierung durchaus helfen. #00:17:18#
Marco: Ein Punkt noch: Erstmals wurden ESG-Kennzahlen in der Gastronomie erhoben. Was ist dir hier aufgefallen? #00:20:06#
Florian: Besonders bemerkenswert ist die hohe regionale Wertschöpfung. Über 70 % der Betriebe beziehen ihre Waren von Lieferanten im Umkreis von maximal 100 Kilometern. Auch die Fluktuationsrate in großen Betrieben ist mit 18 % vergleichsweise stabil. #00:21:12#
Marco: Die Gastronomie bleibt also ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Gleichzeitig müssen viele Betriebe ihre betriebswirtschaftlichen Hausaufgaben machen. Florian, vielen Dank für deine Einblicke! #00:23:30#
Florian: Danke Marco, es war wie immer ein spannender Austausch. #00:24:27#