Die neue Trinkgeldregelung in Österreich

Trinkgeld – mehr als nur ein freundliches Extra

Für viele Mitarbeiter:innen in Hotellerie und Gastronomie ist das Trinkgeld nicht bloß eine nette Geste – es ist ein essentieller Bestandteil des Einkommens. Besonders in Österreich, wo die persönliche Dienstleistung hochgeschätzt wird, war Trinkgeld lange ein Graubereich im Steuer- und Abgabensystem. Die neue Trinkgeldregelung, die ab 2026 schrittweise in Kraft tritt, schafft hier nun dringend benötigte Rechtssicherheit.

In diesem Beitrag werfen wir einen fundierten Blick auf die Reform der Trinkgeldregelung, ihre Historie, Bedeutung für die Branche und wie sich Österreichs Lösung im internationalen Vergleich schlägt. Besonders für familiengeführte Hotelbetriebe in Tourismusregionen ist das Thema relevant – sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus wirtschaftlicher Perspektive.

Die Historie der Trinkgeldregelung in Österreich: Von Barzahlungen zum digitalen Dilemma

Trinkgeld war in Österreich stets steuerfrei – solange es freiwillig vom Gast und nicht vom Arbeitgeber kommt. Die rechtliche Grundlage geht zurück auf eine Reform unter Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Doch während früher das meiste Trinkgeld in bar übergeben wurde, hat sich durch die wachsende Nutzung von Kartenzahlungen die Nachvollziehbarkeit drastisch erhöht. Diese Transparenz führte zu teils erheblichen Nachforderungen durch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), da das tatsächliche Trinkgeldaufkommen plötzlich dokumentierbar war.

Gleichzeitig gab es keine einheitliche Regelung zur Sozialversicherungspflicht. Jedes Bundesland hatte eigene Pauschalsätze, was zu einem föderalen Flickenteppich führte. Diese Unsicherheit war für viele Betriebe – insbesondere in der Hotellerie – ein finanzielles Risiko, das kaum kalkulierbar war. Der Ruf nach einer Reform wurde lauter.

Die neue Lösung ab 2026: Einheitlichkeit, Rechtssicherheit und soziale Absicherung

Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Sozialpartnern, Regierung und Branchenvertretern wurde Ende Juli 2025 eine einheitliche Regelung beschlossen:

Die wichtigsten Eckpunkte:

  • Steuerfreiheit bleibt bestehen: Trinkgelder bleiben weiterhin lohnsteuerfrei, solange sie freiwillig und vom Gast direkt bestimmt werden.

  • Einheitliche Pauschalen bei der Sozialversicherung:
    Ab 2026 gelten folgende Beträge:

    • Für Servicekräfte mit Inkasso (z. B. Zahlkellner:innen):
      2026: 65 € / 2027: 85 € / 2028: 100 €

    • Für sonstige Beschäftigte (z. B. Reinigungskräfte, Küchenhilfen):
      2026 & 2027: 45 € / 2028: 50 €

    • Ab 2029 erfolgt eine Inflationsanpassung.

    • Keine Nachzahlungen bei höherem Trinkgeld als der Pauschale.

  • Generalamnestie für Altfälle: Laufende Verfahren mit der ÖGK werden eingestellt. Dies sorgt für Klarheit und vermeidet wirtschaftliche Schäden rückwirkend.

  • Soziale Komponente: Die pauschale Einbeziehung des Trinkgelds in die Sozialversicherung erhöht langfristig Pensionsansprüche, Krankengeld und Arbeitslosengeld – ein Pluspunkt für Beschäftigte.

Relevanz für die Hotellerie

Für österreichische Hotels – besonders Familienbetriebe – bringt die Reform:

  • Planungssicherheit für Gehaltsabrechnungen

  • Rechtssicherheit im Umgang mit digitalem Trinkgeld

  • Gleichbehandlung über alle Bundesländer hinweg

  • Entlastung von bürokratischen Hürden

Internationaler Vergleich: Wie wird Trinkgeld anderswo gehandhabt?

Deutschland: In Deutschland ist Trinkgeld grundsätzlich steuerfrei, wenn es freiwillig vom Gast kommt. Jedoch ist die Abgrenzung zur Schwarzgeldzahlung ein häufig diskutiertes Thema. Sozialversicherungsrechtlich ist Trinkgeld ebenfalls nicht beitragspflichtig, was es in Österreich nun zu einem Sonderfall macht.

USA: In den Vereinigten Staaten ist das System fast umgekehrt: Trinkgelder sind steuerpflichtiger Lohnbestandteil und müssen vom Personal selbst dokumentiert und versteuert werden. Das sogenannte „Tipped Minimum Wage“-System erlaubt es Arbeitgebern, deutlich weniger als den regulären Mindestlohn zu zahlen – vorausgesetzt, das Trinkgeld kompensiert die Differenz.

Skandinavien: In Ländern wie Schweden oder Norwegen ist Trinkgeld kulturell kaum verbreitet – gute Bezahlung ist Teil der Unternehmensphilosophie. Wenn es doch gegeben wird, sind es eher symbolische Beträge.

Fazit des Vergleichs: Österreich bewegt sich mit seiner Regelung zwischen der angelsächsischen Vollintegration ins Einkommen und der skandinavischen Ignoranz gegenüber Trinkgeld. Das neue Modell ist ein gut durchdachter Mittelweg, der sowohl soziale Sicherheit als auch wirtschaftliche Machbarkeit berücksichtigt.

Was bedeutet das für Betriebe & Mitarbeitende konkret?

Für Hoteliers:

  • Erhöhte Rechtssicherheit bei Prüfungen durch Finanz oder Sozialversicherung

  • Kalkulierbare Beiträge unabhängig von der tatsächlichen Höhe des Trinkgelds

  • Entfall föderaler Unterschiede – weniger Verwaltungsaufwand

Für Mitarbeitende:

  • Mehr Transparenz über das Einkommen

  • Verbesserung bei Sozialleistungen – besonders wichtig in einer Branche mit oft unterbrochenen Erwerbsverläufen

  • Trinkgeld bleibt steuerfrei – keine Angst vor finanziellen Einbußen

Für die Branche insgesamt:

  • Die Reform sendet ein positives Signal an junge Fachkräfte: Die Branche wird gerechter, strukturierter und planbarer.

  • Es ist ein Schritt zur Attraktivitätssteigerung der Hotellerie als Arbeitgeber.

Fazit: Eine Reform mit Signalwirkung

Die neue Trinkgeldregelung ist mehr als eine bürokratische Vereinheitlichung – sie ist ein zukunftsweisender Kompromiss zwischen Fairness, Rechtssicherheit und sozialer Absicherung. Für Österreichs Hotellerie – insbesondere für familiengeführte Betriebe – bedeutet sie Klarheit, Vereinfachung und Planbarkeit. Und für die Mitarbeitenden: eine stärkere soziale Absicherung, ohne auf das geliebte „Extra vom Gast“ verzichten zu müssen.

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